Riesen-Verluste für Russland: Zahlen-Rätsel um Putins „Bären“ nach Ukraine-Großangriff

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Beim Ukraine-Großangriff auf russische Luftwaffen-Stützpunkte verliert Wladimir Putin etliche Tu-95. Wie viele der Bomber hat der Russland-Autokrat noch? Eine Spurensuche

Moskau – Dieser Drohnen-Großangriff im Ukraine-Krieg auf ganze Staffeln an Tupolew Tu-95 war derart spektakulär, dass selbst in den USA unter Donald Trump Diskussionen über Schlussfolgerungen aus „Russlands Pearl Harbor“ entbrannt sein sollen, wie russische Militärblogger die immensen Verluste für das brutale Moskau-Regime von Kreml-Autokrat Wladimir Putin binnen weniger Stunden am vergangenen Sonntag (1. Juni) nannten.

Heftige Verluste für Russland: Wie viele Bomber Tu-95 bleiben Wladimir Putin?

Und zwar, was die eigenen Möglichkeiten zur Abwehr solcher ausgeklügelter Drohnen-Schwärme betrifft, wie sie der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU aus Kiew bei der „Operation Spinnennetz“ gegen vier russische Luftwaffen-Stützpunkte zwischen Murmansk und Sibirien und die dort stationierten Tu-95-Langstreckenbomber - von der Nato „Bären“ genannt - sowie gegen weitere militärisch genutzte Flugzeuge anwandte.

Militär-Experte Nico Lange, der Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz ist, sieht durch die herben russischen Bomber-Verluste „auch weniger Gefahr“ für Deutschland und die Nato. Weil Putin jetzt deutlich weniger strategische Bomber für potenzielle Luftangriffe hat? Das führt zu der Frage, wie viele solche Langstreckenbomber Tupolew Tu-95 das Moskauer Regime überhaupt (noch) hat. Es ist ein Zahlen-Rätsel.

Moskau-Machthaber Wladimir Putin verlor beim Ukraine-Großangriff in Russland mehrere strategische Bomber Tupolew Tu 95. © Montage IPPEN.MEDIA / IMAGO / Newscom / EyePress / ITAR-TASS

Verluste für Wladimir Putin: Viele russische Langstreckenbomber sind zerstört

„Russland kann die strategischen Bomber nicht nachproduzieren. Das heißt, wenn die zerstört sind, sind die zerstört. Das ist weniger Gefahr für die Ukraine“, hatte der Politikwissenschaftler Lange im „heute journal“ des ZDF erklärt und gemeint: „Ehrlich gesagt, auch weniger Gefahr für uns.“ Einer Schätzung des Militär-Experten Gustav Gressel (European Council on Foreign Relations) zufolge, hatten Putins Luftstreitkräfte vor dem ukrainischen Großangriff etwa 110 Langstreckenbomber. 41 wurden nach Angaben des ukrainischen Generalstabes, die sich nicht unabhängig verifizieren lassen, zerstört oder zumindest schwer beschädigt.

Demnach sollen 34 Prozent der Bomber-Flotte aus Russland zerstört sein. Was einen immensen Schlag für Putins Regime und dessen Imperialismus in Europa bedeuten würde. Prorussische Blogger waren in sozialen Netzwerken außer sich. „Die strategischen Luftfahrzeuge Tu-95 und Tu-22 werden schon lange nicht mehr produziert – es gibt keine Möglichkeit, sie zu ersetzen. Entsprechend sind diese Verluste nicht wiederherzustellen“, meinte die kremltreue Gruppe „Rybar“ in einer Analyse ungewohnt offen kritisch.

Tupolew Tu-95
Waffentyp: strategischer Langstrecken-Bomber, Seeaufklärungs- und U-Jagdflugzeug
Erstflug: 12. November 1952
Produktionszeit: 1956 bis 1993
Höchstgeschwindigkeit: 930 km/h
Länge / Spannweite: 46,13 m / 50,05 m
Bewaffnung: Marschflugkörper Ch-55 und Ch-101, zwei radargesteuerte 23-mm-Zwillingskanonen GSch-23

Wladimir Putins Tupolew Tu-95: Sowjetunion und Russland bauten die Bomber bis 1993

Gebaut wurden die 46 Meter langen strategischen Bomber mit dem Einturbinentriebwerk TW-12, das bis heute als das leistungsstärkste Turboproptriebwerk der Welt gilt, zwischen 1956 und 1993. Danach wurde die Konstruktion der Flugzeuge eingestellt, die bis auf eine Marschgeschwindigkeit von 930 km/h kommen sollen. Diese Eigenschaften und die Fähigkeit bis zu 15.000 Kilometer weit zu fliegen, machten die Langstreckenbomber bis heute für die Russen unentbehrlich. Während die angegriffene Ukraine eine Tu-95 aus Sowjetzeiten in einem Museum in Poltawa stehen hat, das Flugzeug aber nicht einsetzen kann, weil es längst ausgemustert ist.

Die aktuellste Version, die Tu-95MSM, wurde laut Stern seit 2009 generalüberholt und die ersten sanierten Maschinen ab 2016 ausgeliefert. Die modernisierten NK-12MPM-Triebwerke sollen die Reichweite steigern, das Cockpit wurde digitalisiert und ein fortschrittliches Novella-NV1.021-Radar sowie ein neues Navigationssystem eingebaut. Zudem brachten die Ingenieure acht externe Waffenpylone für Marschflugkörper Ch-55 und Ch-101 an. Mit genau diesen Waffen sollen in manchen Nächten die Besatzungen von bis zu zehn Tu-95 das geschundene Nachbarland aus sicherer Entfernung angegriffen und zivile Infrastruktur in Städten bombardiert haben.

Gewaltiger Anblick: Ein strategischer Bomber Tupolew Tu-95 der russischen Luftwaffe. (Archivfoto)
Gewaltiger Anblick: Ein strategischer Bomber Tupolew Tu-95 der russischen Luftwaffe. (Archivfoto) © IMAGO / Depositphotos

Verluste im Ukraine-Krieg: Russland soll sieben Bomber Tu-95 auf einmal verloren haben

Putin hat nun mehrere Tu-95 eingebüßt, was auch das russische Bedrohungspotenzial schmälert. Es bleiben wohl aber auch noch einige der Langstreckenbomber übrig, wobei bei derartigen Flugzeugen immer einkalkuliert werden muss, wie viele gegenwärtig gewartet werden und dann letztlich auch einsatzbereit sind. Was die Stückzahl angeht, fällt bei Analysen - etwa von Special Interest Portalen wie flightglobal.com - immer wieder die Zahl 47. Laut Berliner Morgenpost verglich zum Beispiel das brasilianische Luftfahrtunternehmen Embraer 2024 die internationalen Luftstreitkräfte in einer Analyse. Demnach hatte Russland zu diesem Zeitpunkt 47 verfügbare Tu-95. Das ZDF hat indes mit Experten wie dem Politikwissenschaftler Christian Mölling (European Policy Center) versucht, die russischen Verluste vom 1. Juni anhand verfügbarer und geteilter Drohnen-Videos festzustellen.

Demzufolge wurden bei den Attacken mit den in Russland selbst aus Lastwagen heraus gestarteten Kamikaze. Drohnen mindestens sieben Tupolew Tu-95, drei Bomber Tu-22M3 sowie ein militärisches Frachtflugzeug Antonov An-12 zerstört, „mit Sicherheit“, wie es in dem Bericht heißt. Mindestens eine weitere Tu-95 sei schwer beschädigt worden und damit vorerst nicht mehr operabel. Ukrainische Militärblogger behaupteten, das einzig auf dem Militärflugplatz Belaya in Sibirien vier Tu-95 in Brand gesetzt worden sind. Zuvor waren in dreieinhalb Jahren Ukraine-Krieg keine Verluste an Tu-95 bekannt geworden, weswegen Putin immer noch gut drei Dutzende in seinem Bestand haben könnte. (pm)

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