Bürgergeld vor dem Aus: Was jetzt Empfängern durch die neue Koalition droht

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Durch die neue Koalition aus Union und SPD ist das Bürgergeld-Aus eingeleitet. Die neue Grundsicherung sieht harte Maßnahmen für Beziehende vor. Ein Überblick.

Berlin – Arbeitslose im Bürgergeld müssen sich auf weitreichende Änderungen einstellen. CDU, CSU und SPD haben sich auf eine Zusammenarbeit im Bund geeinigt und stellen damit die nächste Regierung. Damit rückt auch die Reform des Bürgergelds näher. Es soll dann „Neue Grundsicherung“ heißen – ein Name, der sich bereits jetzt im Zweiten Sozialgesetzbuch findet.

Bürgergeld-Reform zur Grundsicherung ist sicher: Harte Sanktionen als Kern

Der Kern des Bürgergeld-Umbaus zur neuen Grundsicherung: Mehr Druck und härtere Sanktionen für Beziehende. „Rechte und Pflichten müssen für beide Seiten verbindlich geregelt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag, der IPPEN.MEDIA vorliegt. „Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen.“

Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken stellen den Koalitionsvertrag vor, der eine Bürgergeld-Reform enthält.
Die Spitzen von Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Dieser enthält den Umbau des Bürgergelds zur Grundsicherung – und sieht harte Sanktionen vor. © dts Nachrichtenagentur/Imago

Entscheidender Punkt sind die Streichungen der Grundsicherung für sogenannte „Arbeitsverweigerer“. Bedeutet: Wer arbeiten kann, aber wiederholt zumutbare Arbeit verweigert, soll kein Geld mehr erhalten. Auch allgemein sollen Jobcenter Sanktionen „schneller, einfacher und unbürokratischer“ verhängen können. Ziel ist jedoch, die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu berücksichtigen.

Ausgestaltung der Grundsicherung-Streichungen offen – Verfassungsgericht stellt Hürden

Bei der Verschärfung der Sanktionen und der Streichung der Grundsicherung wollen Union und SPD jedoch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „beachten“, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Denn bereits unter Hartz IV konnten Jobcenter den gesamten Regelsatz streichen. Das hatte das Gericht jedoch als unverhältnismäßig und damit unvereinbar mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum eingestuft. Zumal es keine ausreichenden Belege über die Wirkung der Sanktionen in diesem Umfang gegeben habe.

Gleichzeitig hat das Verfassungsgericht die Möglichkeit einer vollständigen Streichung 2019 offengelassen: Wenn Erwerbslose durch eine zumutbare Arbeit tatsächlich und unmittelbar ihr Existenzminimum selbst sichern können, es aber ohne wichtigen Grund willentlich verweigert, können so harte Sanktionen möglich sein. Darauf hatte sich bereits die Ampel-Koalition im Frühjahr 2024 berufen: Seitdem können Jobcenter das Bürgergeld für zwei Monate streichenMiete und Heizkosten werden jedoch weiter übernommen.

Neue Koalition will Mitwirkungspflicht für Bürgergeld-Beziehende stärken – Vermittlungsvorrang kehrt zurück

Union und SPD wollen Erwerbslose bei der Reform der neuen Grundsicherung zudem stärker bei der Arbeitsuche in die Pflicht nehmen. Bereits jetzt gibt es die Mitwirkungspflicht, sie müssen sich also aktiv um Arbeit kümmern. Dennoch wird die Verantwortung stärker betont. Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter sollen unterstützen, „indem jede Person zukünftig ein persönliches Angebot der Beratung, Unterstützung und Vermittlung erhält“. Die Jobcenter sollen für die Eingliederung „ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommen“. Gleichzeitig sollen Instrumente und Strukturen der Arbeitsagentur und der Jobcenter auf ihre Wirksamkeit geprüft werden.

Auch bei der Integration in Arbeit kehrt eine Maßnahme aus der Hartz IV-Ära zurück. Laut dem Koalitionsvertrag soll der Vermittlungsvorrang für Menschen wieder gelten, die arbeiten können. „Diese Menschen müssen schnellstmöglich in Arbeit vermittelt werden“, schreiben Union und SPD im Koalitionsvertrag. Damit hat die schnelle Annahme eines Jobs Priorität über Qualifizierungsmaßnahmen – selbst wenn diese eine nachhaltigere Beschäftigung ermöglichen.

Wer wegen verschiedenen Merkmalen keine Chancen auf dem Arbeitsmark hat, soll stärker gefördert werden. „Für diejenigen, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, werden wir vor allem durch Qualifizierung und eine bessere Gesundheitsförderung und Reha-Maßnahmen eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen.“

Karenzzeit beim Vermögen in der Grundsicherung abgeschafft

Gleichzeitig soll die Karenzzeit beim Vermögen abgeschafft werden. Zunächst müssen Menschen also sofort ihr Vermögen einsetzen, ehe sie die Grundsicherung erhalten. Im Bürgergeld war es zunächst nach einem Jahr. Das Schonvermögen soll sich nach der Lebensleistung richten.

Um Missbrauch von Sozialleistungen zu verhindern, will die neue Koalition „einen vollständigen Datenaustausch zwischen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden“ ermöglichen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls soll gestärkt werden und härter gegen die vorgehen, die illegale Beschäftigung betreiben oder schwarzarbeiten.

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