Ohne Untersuchung hatte ein Arzt während der Corona-Zeit Patienten Impfunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Jetzt ist der 75-Jährige verurteilt worden.
Weilheim-Schongau - Dass die Vorwürfe weitestgehend zutreffend sind und er tatsächlich zahlreichen Patienten eine Impfunfähigkeit attestiert hatte, daraus machte der im Landkreis ansässige Allgemeinmediziner von vornherein kein Geheimnis. Wie er erklärte, hätten viele der Menschen, die damals in seine Praxis gekommen waren, Todesängste umgetrieben, die neuartigen Impfstoffe könnten bei ihnen erhebliche Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten hervorrufen. „Angst macht krank“, hatte der Arzt beim Prozessauftakt betont. Dem Impfen steht der 75-Jährige bereits seit Jahrzehnten skeptisch gegenüber. Er selbst ist deshalb schon lange nicht mehr an der Spritze aktiv.
Wie schon am ersten Verhandlungstag, herrschte auch bei der Fortsetzung des Prozesses rege Betriebsamkeit auf dem Gelände des Weilheimer Amtsgerichts. Bereits eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn hatte sich vor dem Nebengebäude in der Waisenhausstraße eine beachtliche Menschentraube gebildet. Hineingelassen wurden die neugierigen Besucher allerdings nicht – und das stieß ihnen gehörig sauer auf.
Einigung in Sachen Öffentlichkeit
Ein Zettel, der von den Justizbeamten an der Tür des Gerichtsgebäudes angebracht wurde und eigentlich für mehr Klarheit sorgen sollte, bewirkte viel mehr das Gegenteil. Zahlreiche Zuhörer drückten daraufhin in den Eingangsbereich, betonten, dass die Verhandlung – dem Zettel zufolge – im Grunde öffentlich sei und pochten darauf, umgehend in den Saal gelassen zu werden. Schimpfend und kopfschüttelnd wurden sie wieder nach draußen geschickt. Hitzige Auseinandersetzungen mit den Justizbeamten waren die Folge. Ein Hickhack, das nicht zuletzt denjenigen in die Karten spielte, die vor dem Gerichtsgebäude wilde Spekulationen führten, von Geheimjustiz erzählten und vor allem an Staatsanwalt und Richterin kein gutes Haar ließen.
Nachdem sie einige Zeit draußen zu warten hatten, durften die Zuschauer – sofern es der Sitzungssaal platztechnisch hergab – der Verhandlung doch noch beiwohnen. Auf Nachfrage teilt das Gericht mit, dass sich die Verfahrensbeteiligten darauf einigen konnten, in der Verhandlung auf das Verlesen von Patientendaten zu verzichten. Dieser Punkt sei schließlich schon am ersten Prozesstag das Hauptanliegen der Richterin gewesen.
Ausführliche Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Wer bis dahin vor dem Amtsgericht ausgeharrt hatte, der bekam neben den letzten Zügen der Beweisaufnahme äußerst ausführliche Plädoyers zu hören. Während von der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des Allgemeinmediziners ins Auge gefasst wurde, sprach sich die Verteidigung dafür aus, den Angeklagten freizusprechen. Letztlich wurde der Arzt wegen „Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ in 17 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 400 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt. Seine Zulassung als Arzt soll der Mann aber behalten dürfen. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Man rechne damit, dass der 75-Jährige in Berufung gehe, heißt es vonseiten des Amtsgerichts.
Dem Hin und Her um die Öffentlichkeit zum Trotz kann die Pressesprecherin des Amtsgerichts der Sitzung auch einige positive Aspekte abgewinnen: Jeder könne eine andere Meinung haben, eine Entscheidung entweder richtig oder falsch finden, sagt sie. Was den Rechtsstaat letztlich auszeichnet, sei die Tatsache, dass eine Entscheidung überprüft und daraufhin angepasst werden könne. So geschehen auch im Prozess gegen den 75-jährigen Arzt: Man habe sich in dem Verfahren verständigt und sich letzten Endes auf die öffentliche Zugänglichkeit des Prozesses geeinigt, entgegnet sie den Stimmen, die bereits am ersten Verhandlungstag Zweifel an der Unabhängigkeit der Richterin gehegt hatten.