Journalisten der "Bild"-Zeitung trafen den Chef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und CSU-Vize Manfred Weber zum Interview in München. Im Gespräch mit dem Politiker wurde vor allem eines deutlich: Dass es an vielen Stellen innerhalb der EU hakt.
"Europa ist unter Druck, keine Frage, aber schauen Sie auf unser eigenes Land, nach Deutschland, schauen Sie nach Polen, nach Frankreich. Überall sind die Gesellschaften massiv unter Druck", so Weber. Das spiegle sich im europäischen Prozess wider.
Orban als Poltiker, "der uns auf der Nase herumtanzt"
Der EVP-Chef zeigte sich ernüchtert darüber, dass die Mitgliedsstaaten bei zentralen Themen - etwa in Bezug auf China, Russland oder die Wirtschaft - zu wenig Einheit demonstrieren. Außerdem "ärgere ich mich, dass bei diesen Fragen nach wie vor jede Positionierung der Einstimmigkeit bedarf", so Weber.
Das führte in der Vergangenheit bereits zu Problemen. Beispiel Ungarn: Präsident Viktor Orban legte vor allem in der europäischen Ukraine-Politik immer wieder sein Veto ein oder drohte damit. Weber sprach im "Bild"-Interview von einem Politiker, "der uns leider auf der Nase herumtanzt und immer wieder blockiert".
Ein anderes Thema, das derzeit innerhalb der EU für Diskussionen sorgt, ist das sogenannte Lieferkettengesetz. Es wurde bereits im vergangenen Jahr beschlossen und soll Menschenrechte und Umweltschutz stärken.
Diskussionen beim Lieferkettengesetz
Große Unternehmen sollen belangt werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen - etwa Kinder- oder Zwangsarbeit - profitieren. Weil einige Unternehmen die Regelung kritisierten, sollen Teile der Richtlinie vereinfacht werden, noch bevor sie zur Anwendung kommen.
Im Oktober platzte ein entsprechender Kompromiss. Was bedeutet, dass das EU-Parlament nun erneut über den Inhalt des Vorhabens abstimmen muss. Brisant war damals, dass EVP, Sozialdemokraten und Liberale eigentlich in einer Art informeller Koalition zusammenarbeiten.
Im EU-Parlament haben sie eine knappe Mehrheit. Im Rechtsausschuss hatten sie eigentlich eine gemeinsame Position ausgehandelt.
"Die müssen verstehen: Die Hütte brennt"
Bei der geheimen Abstimmung im Oktober müssen jedoch einige Abgeordnete von der Fraktionslinie abgewichen sein. Viele im Parlament gehen davon aus, dass vor allem Sozialdemokraten gegen den Kompromiss gestimmt haben.
"Wir als Mitte-Partei haben den Sozialdemokraten ein Angebot gemacht, einen gemeinsamen Konsens bei der Lieferkette. Doch dieser Vorschlag wurde leider im Europäischen Parlament von Teilen der Sozialdemokraten abgelehnt", sagte Weber der "Bild"-Zeitung.
Und weiter: "Die müssen verstehen, was draußen los ist: Die Hütte brennt. Wir haben echte ökonomische Probleme." Er sprach unter anderem von Sorgen vor Jobverlust und vor dem Verlust von Perspektiven. Darüber hinaus kritisierte Weber die überbordende Bürokratie. Die will er notfalls mit der Brechstange eindämmen.
mit Material der dpa