Kommunalwahlen in der Türkei: Rentner könnten für Erdogan das Zünglein an der Waage werden
Über 15 Millionen Rentner werden in der Türkei am kommenden Sonntag an den Kommunalwahlen teilnehmen. Sie werden praktisch entscheiden, welche Partei dominieren wird.
Ankara – Am Sonntag finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Dann wählen die Menschen in 81 Provinzen neue Bürgermeister, Stadtverordnete und Landräte. Und der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Überschattet wird der Wahlkampf von wirtschaftlichen Themen. Inflation und Währungsverfall machen das Leben immer teurer und ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Daher könnten die sozial schwachen und vor allem die Rentnerinnen und Rentner in der Türkei das Zünglein an der Waage sein.
10.000 TL Mindestrente in der Türkei bei 17.000 TL Mindestlohn
In dem Land gibt es rund 16 Millionen Pensionierte, die besonders unter den steigenden Preisen leiden. Die Mindestrente liegt derzeit bei 10.000 Türkische Lira (circa 286 Euro) und liegt damit deutlich unter dem Mindestlohn von 17.000 TL (circa 486 Euro). Auch dieses Geld reicht angesichts der Teuerung vorne und hinten nicht aus. Zum Vergleich: Die „Hungerschwelle“ liegt in dem Land bei über 20.000 TL. Damit sind nur die monatlichen Mindestausgaben für eine ausgewogene Ernährung für eine vierköpfige Familie, gemeint. Die „Armutsschwelle“, also die monatlichen Gesamtausgaben für eine Familie, einschließlich Ernährung, Miete und Energie, liegt sogar bei über 57.000 TL.
Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan ist sich der schlechten Lage der Rentnerinnen und Rentner bewusst. Erst kürzlich wurde die Mindestrente von 7.500 TL auf 10.000 TL angehoben. „Wir haben die Renten um bis zu 50 Prozent angehoben. Um die Probleme der Rentner zu lindern, haben wir ihnen einmalig 5.000 TL gegeben“, sagte Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung in Corum. Auch andere einmalige Prämienzahlungen wie zum Ramadan-Monat wurden im Vorfeld der Kommunalwahl 2024 um 50 Prozent angehoben.
Erdogan beschwichtigt vor Türkei-Kommunalwahlen mit Durchhalteparolen
Doch die Gelder reichen nicht einmal aus, um die offizielle Inflation von 67 Prozent auszugleichen. Deswegen wird die Hunger- und Armutsschwelle praktisch monatlich nach oben korrigiert. Erdogan versucht es daher mit Durchhalteparolen: „Wir hoffen, dass die Inflation ab der zweiten Jahreshälfte zurückgehen wird. Wir haben Vorbereitungen getroffen, um die Haushaltsmöglichkeiten zu erweitern. Wir glauben, dass wir ab dem nächsten Jahr damit beginnen werden, die Kaufkraft unserer Arbeitnehmer und Rentner über das bisherige Niveau hinaus zu steigern. Solange wir unsere Geschlossenheit bewahren. Solange wir nicht zulassen, dass sich jemand zwischen uns stellt. Der Rest ist nur eine Frage der Zeit und der Planung“, sagte der türkische Präsident in Corum.
AKP-Politiker droht mit Ausfall von Gehältern und Renten
Die Stimmen der Pensionierten sind bei der Kommunalwahl 2024 entscheidend. Der Vorsitzende der Regierungspartei AKP in Merzifon, Abdullah Sahin, warnte daher die Wählerinnen und Wähler, ihre Stimmen der Opposition zu geben und dadurch komplett ohne Geld dazustehen. „Wenn sich die politische Stabilität verschlechtert, wenn unsere Regierung einen Schritt zurück macht, kann es sein, dass die Gehälter der Rentner und Beamten nicht gezahlt werden können“.
Meine news
Kommunalwahlen in der Türkei: Opposition sieht Rache der Rentnerinnen und Rentner aufkommen
Doch auch Erdogan ist sich bewusst, dass die Lage der Rentner katastrophal ist. „Alles, was wir dem Rentner geben, verschwindet wie in einer Grube ohne Boden“, sagte Erdogan zuvor in einer Wahlkampfrede in Aksaray. Daran erinnerte der Vorsitzende der Oppositionspartei CHP, Özgür Özel: „Du bist derjenige, der die Grube gegraben und die Rentner hineingeworfen hat! Die 16 Millionen Rentner, die du verachtest, werden dir am 31. März ihre Antwort geben. Hab keinen Zweifel darüber“, schreibt Özel auf X. Ob sich die Rentner aber an Erdogan und seiner AKP tatsächlich rächen werden, zeigt sich am 31. März. (erpe)