Bauerndemo: Hunderte Traktoren kreisen auf dem Ring in Kempten

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Traktor an Traktor: Die Teilnehmerzahl an der Bauerndemonstration am 8. Januar in Kempten war groß. © Fischer

Kempten/Oberallgäu - In ganz Deutschland demonstrieren heute Bauern. In Kempten reihten sich mehrere hundert Traktoren und LkW in den Demonstrationszug, um gegen die Belastungen in der Landwirtschaft zu protestieren. Ein Teil von ihnen nahm auch an der Montagsdemonstration auf dem Hildegardplatz teil.

Traktor an Traktor reihte sich heute Nachmittag auf dem Kemptener Ring. An den Frontladern prangten oftmals große Plakate. Teils röhrten laute Tröten. „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“, „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“, war etwa zu lesen. Die Slogans richteten sich vor allem gegen die Regierung in Berlin: „Die Ampel muss weg“, war der häufigste Spruch, der auf die Transparente gemalt war.

Aus der ganzen Region waren die Landwirte, teils bewusst im Schneckentempo, in die Allgäumetropole getuckert. Kemptener, Ravensburger, viele Oberallgäuer Kennzeichen waren zu sehen. Organisiert worden war die Demonstration in Kempten von Privatleuten - im Unterschied zu anderen Orten.

Bauern klagen über immer mehr Vorschriften in der Landwirtschaft: „Noch stemmbar, aber es wird immer mehr und mehr“

Eine Gruppe von etwa 40 Bauern kam aus Obergünzburg mit einer Kolonne. Dabei war auch Johannes Rothermel. Er beklagt immer höhere Auflagen für seinen Berufsstand: „Es wird immer alles noch kurzfristiger, was wir von der Regierung auferlegt bekommen.“ Da seien etwa die Düngeverordnung - „wir sollen schon im Frühjahr wissen, was wir das ganze Jahr über düngen!“ - oder immer schärfere Tierhaltungsvorschriften, die stets Investitionen erfordern. „Wir können nicht so viele Rücklagen bilden, die dafür nötig wären.“ Bevor ein Stall abbezahlt sei, der in der Regel auf 20 Jahre finanziert werde, müsse schon wieder investiert werden, kritisiert Rothermel.

Er wünscht sich mehr Wertschätzung vonseiten der Regierung. Sie solle mehr Wert auf die fachliche Praxis der Landwirte legen als auf Theorie. Aber auch von der Bevölkerung, die aktuell nur sehr wenig Geld für Essen ausgebe, wünscht sich Rothermel mehr Honorierung. Solche Stimmen sind an diesem Tag öfter zu hören.

Die Rücknahme von Agrarsubventionen sei „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“

Der aktuelle Beweggrund für die Demonstrationen: Die Regierung in Berlin hatte vor Weihnachten geplant, die Begünstigungen bei der KfZ-Steuer für die Forst- und Landwirtschaft abzuschaffen. Davon ist die Koalition nach den Protesten der Bauernschaft bereits vor dem großen Aktionstag am Montag abgerückt. Ebenfalls geplant war, dass die Landwirte künftig keine Vergünstigungen mehr bei der Agrardieselsteuer mehr erhalten sollten. Hier soll es nun eine sanftere Regelung geben, bei der die Belastungen über mehrere Jahre hin ansteigen werden, bis sie sie den vollen Steuersatz erreicht haben.

Trotzdem verstopften heute die Traktoren die Autobahnauffahrten wie in Dietmannsried und die Städte. In der Schlange der Demonstrantinnen und Demonstranten in Kempten fuhren auch Transporter und LkW. Ihre Kritik richtete sich gegen die Mauterhöhungen. Denn seit 1. Dezember gilt für die Kosten verkehrsbedingter CO2-Emissionen eine neue Mautkomponente. Zum 1. Juli 2024 soll die Mautpflicht auch auf Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse ausgedehnt werden. Handwerkerfahrzeuge unter 7,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse sind allerdings von der Mautpflicht befreit. Und in einem ersten Schritt ganz ausgenommen sind emissionsfreie Fahrzeuge.

Bauerndemo, Agrardieselsteuer, Kfz-Steuer Agrar, Kempten, 8. Januar 2024
Begleitet von der Polizei fahren die Bauern am Vormittag auf ihren Traktoren zur Demonstration. Die Polizei regelt an der Memminger Straße/Adenauerring den Verkehr. © Lüderitz

An den Demonstrierenden fahren immer wieder hupende Autos vorbei, aus einzelnen heruntergekurbelten Fenstern zeigen erhobene Daumen. „In der Bevölkerung werden wir überwiegend positiv wahrgenommen“, sagt Landwirt Rothermel. Am Abend zeigt er sich begeistert von der großen Zahl an Demonstrierenden. Seine Gruppe sei gar nicht mehr bis zum Demonstrationsstarpunkt am Biomassehof gelangt, sondern vorher abgebogen, um rechtzeitig zu Hause im Stall zu sein.

Kundgebung mit Montagsdemonstranten in Kempten

Dass die Kundgebung nach der der Ringfahrt in Kempten zusammen mit Montagsdemonstranten organisiert wurde, weiß der Rothermel nicht, seine Gruppe sei privat hergekommen. Er distanziert sich davon: „Das Problem ist, es springen Leute auf den Zug auf.“

Etwa 15 Traktoren des Korsos vom Ring schlossen sich um 15.30 Uhr einem Demonstrationszug von Montagsdemonstranten an, die zu Fuß in der Kemptener Innenstadt und auf dem Hildegardplatz unterwegs waren. Hier mit dabei waren Menschen, die zum ersten Mal an einer solchen Montagsveranstaltung teilnahmen, und solche, die bereits öfter mitgelaufen sind. Verschiedene Forderungen waren auf den Plakaten zu lesen und zu hören. Die Teilnehmerschaft war gemischt. Mit-Organisatorin Ley Kothe erklärte, diese Veranstaltung sei für Menschen, die keinen Traktor haben und auch Unmut äußern wollten. Zu sehen waren auch zwei Deutschland-Flaggen, eine beschriftet mit „Wir sind das Volk.“

Vor der Sankt-Lorenz-Basilika fand dann eine Kundgebung statt, auf der neben Kothe der Oberallgäuer AfD-Kreisrat und Landwirt Hubert Seif sprach. Er sprach alle aktuellen Krisen an, forderte einen Regierungswechsel und beklagte im Bereich Landwirtschaft u.a. eine überbordende Demokratie. Wie Seif gegenüber dem Kreisboten angab, sei die Veranstaltung separat von „Bayerischem Bauernverband“ und separat von der Bauernorganisation „Land Schafft Verbindung“.

Auf dem Hildegardplatz steht auch Hans-Peter Röck von der Firma Precicut. „Der Strompreis in der Firma hat sich allein verdoppelt“, klagt er, er fürchtet, die LkW-Maut werde sich in der Inflation zeigen.

Erste Einschätzung der Polizei: Bauernprotest verlief störungsfrei und friedlich

Um 17 Uhr war die Polizei noch dabei, die Informationen der Einsatzkräfte aus dem Polizeipräsidium Schwaben Süd/West zusammenzutragen. Neben angemeldeten Versammlungen habe es auch unangemeldete Demonstrationen gegeben, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums. Bei letzteren sei die Kooperationsbereitschaft mit der Polizei aber insgesamt groß gewesen, sodass die Versammlungen stattfinden haben können, so der Sprecher.

Auch die Rettungsgassen hätten bei den Demonstrationszügen der Bauern funktioniert. Vereinzelt sei es zu Verzögerungen bei Blaulichteinsätzen gekommen, die aber im Minutenbereich gelegen hätten.

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