Ampel plant neue CO₂-Infrastruktur – Kosten in Milliardenhöhe erwartet
Die Bundesregierung will großangelegte CO₂-Speicher bauen. Dafür ist jedoch eine teure Infrastruktur notwendig. Es geht um Milliarden.
Berlin – Die Energiewende könnte besser laufen. Erst kürzlich hatte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) der Ampel-Koalition ein gemischtes Zeugnis ausgestellt. In fast allen Bereichen, so hieß es in einem aktuellen Bericht, verfehle Deutschland die selbstgesteckten Klimaziele. Neue Bemühungen im Rahmen der Kohlendioxid-Speicherung sollen Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit retten. Doch die werden teuer.
CO2-Transportbedarf bei Zement, Kalk und Abfallverbrennung | 6,5 Millionen Tonnen (bis 2030) |
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CO2-Transportbedarf bei Zement, Kalk und Abfallverbrennung | 35 Millionen Tonnen (bis 2040) |
Voraussichtliche Kosten eines CO2-Pipeline-Netzes | 14 Milliarden Euro |
Thermischer Energiebedarf bei Zement, Kalk und Abfallverbrennung | Plus 20 Prozent bis 2045 |
Regierung legt neue Pläne vor – Kohlendioxid unter dem Meeresboden
Ein Rückblick: Bereits Ende Februar hatte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) die Eckpunkte der sogenannten Carbon-Management-Strategie sowie einen Entwurf für die Änderung des Kohlendioxid-Speichergesetzes vorgelegt. Das große Ziel dahinter: Habeck will den Transport und die Offshore-Speicherung von CO₂ in Deutschland ermöglichen. Konkret geht es hierbei um CCS (Carbon Capture and Storage), also die Abscheidung und Speicherung von CO₂, sowie um CCU (Carbon Capture and Usage), was die Abscheidung und Nutzung von Kohlendioxid umfasst, bei schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen.

„Wir treffen heute eine pragmatische und verantwortungsvolle Richtungsentscheidung: CCS und CCU sollen in Deutschland ermöglicht werden. Sonst sind die Klimaziele unmöglich zu erreichen“, sagte Habeck dazu. Die Technologie sei wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. „Ein Verzicht darauf würde uns Wettbewerbsnachteile verschaffen und uns teuer zu stehen kommen.“
Untersuchung legt offen – Regierung braucht 14 Milliarden Euro
Der Verein Deutscher Zementwerke e.V. (VDZ) hat in einer aktuellen Studie offengelegt, welche Anforderungen allein in den Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung auf Deutschland zukommen. Dabei sei vor allem eine „zeitliche Entwicklung“ der CO₂-Abscheidung wichtig. Soll heißen: Die Zementhersteller haben einen hohen Ausstoß an CO₂, aber eine Endlagerung ist noch nicht eingerichtet. „Viele Zementhersteller stehen in den Startlöchern mit ihren Abscheideprojekten“, sagte der VDZ-Hauptgeschäftsführer Martin Schneider dazu. Allerdings fehle ein nationaler Rechtsrahmen und – wichtig – die Transportinfrastruktur.
Ein in der Studie aufgestelltes Szenario geht davon aus, dass für Klimaneutralität in den drei Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung ein jährlicher Transportbedarf beim Kohlendioxid von rund 6,5 Millionen Tonnen (2030) anfällt. Bis 2040 soll die Menge auf 35 Millionen Tonnen ansteigen. Wenn Deutschland es schaffe, bis 2035 eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen, rechnet der Verein mit Einsparungen von rund 500 Millionen Tonnen CO₂. Jede Verzögerung würde diese Ersparnis mindern – und die Klimaziele in Gefahr bringen.
Kostenpunkt für das CO₂-Leitungsnetz, das der VDZ fordert: 14 Milliarden Euro. Insgesamt sollen mit diesen Mitteln Pipelines mit einer Länge von etwa 4.800 Kilometern entstehen.
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„Spätestens“ bis Ende 2024 muss die Entscheidung fallen
Neben dem Aufbau der Infrastruktur hatte die Studie den Energiebedarf betrachtet. „Die CO₂-Abscheidung ist in der Regel sehr stromintensiv. Deshalb wird der Bedarf an erneuerbarer Energie für eine klimaneutrale Zement- und Kalkherstellung auf fast das Vierfache des heutigen Niveaus steigen – von 4,7 Terawattstunden auf rund 17 Terawattstunden in 2045“, erklärte Schneider. Der thermische Energiebedarf der drei betrachteten Sektoren soll, verglichen mit heute, um rund 20 Prozent wachsen.
„Der Aufbau einer CO₂-Infrastruktur ist aber nicht nur eine technische Herausforderung. Entscheidende Voraussetzungen sind vor allen Dingen die gesellschaftliche und politische Unterstützung sowie der notwendige Rechtsrahmen für eine schnelle Umsetzung“, sagte VDZ-Präsident Christian Knell dazu. Dieser müsse „spätestens“ bis Ende 2024 stehen.
66 Millionen Tonnen – so viel stoßen Zementbauer aus
Aktuell belaufen sich die CO₂-Emissionen der Bundesrepublik auf 673 Millionen Tonnen pro Jahr. Das berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Zahlen des Umweltbundesamts. 66 Millionen Tonnen davon entfallen auf die Sparten Zement, Kalk und Abfallverbrennung. Wenn die Speicherung von Kohlendioxid (wie nun von Habeck geplant) künftig unter dem Meeresboden stattfindet, gelangt das Gas nicht mehr in die Atmosphäre und kann auch nicht mehr zur Erderwärmung beitragen. Branchen wie die Zementindustrie bauen nun auf diese Speichermethode – andernfalls müssten sie ihre Produktion wegen der Klimavorgaben einstellen.
Bis es tatsächlich zum Bau kommt, geht allerdings noch Zeit ins Land. Die von Habeck vorgeschlagenen Änderungen sind bereits mit dem Kanzleramt und dem Finanzministerium besprochen, allerdings steht die offizielle Abstimmung mit den Ministerien noch aus. Nach der Ressortabstimmung folgt die Länder- und Verbändeanhörung und darauf die Kabinettbefassung. Für Normalverbraucher war der CO₂-Preis zum Jahreswechsel erst kräftig gestiegen.