Deutschlands China-Falle: Studie beweist, wie die grüne Transformation neue Abhängigkeiten schafft
Deutschland will sich wirtschaftlich mehr von China lösen – doch laut einer Studie verschärft ausgerechnet die Energiewende die Abhängigkeit. Gibt es einen Ausweg aus der China-Falle?
Berlin – Günstige Energieimporte aus Russland und Sicherheitsgarantien aus den USA – diese Grundpfeiler der deutschen Wirtschaftspolitik gehören längst der Vergangenheit an. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 führte abrupt zum Stopp der Gaslieferungen nach Deutschland. Gleichzeitig steht das transatlantische Bündnis in der zweiten Amtszeit von Donald Trump unter wachsendem Druck. Eigentlich sollte sich die deutsche Wirtschaft im Rahmen der wirtschaftspolitischen Zeitenwende der Ampelkoalition auch von ihrer tiefen Abhängigkeit von China lösen. Laut einer Studie des Thinktanks Epico, die in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) durchgeführt wurde, sehen 40 Prozent der befragten Unternehmen eine erhebliche Abhängigkeit von China.
Gefährliche Abhängigkeiten: Deutschland und die EU suchen Platz zwischen USA und China
Gerade im Spannungsfeld zwischen den Großmächten China und USA, deren Verhältnis sich durch die Zolloffensive von Trump nochmals deutlich abkühlen könnte, betont die Studie die Wichtigkeit von wirtschaftlicher Resilienz von Europa und Deutschland. Zwar geben 42 Prozent der Unternehmen an, bereits Maßnahmen zu ergreifen – etwa durch die Diversifizierung ihrer Lieferketten oder den Aufbau zusätzlicher Lagerkapazitäten. Dennoch stehen sie unter erheblichem Druck: Sie müssen gleichzeitig die Prinzipien der freien Marktwirtschaft, die effiziente Reduktion von CO₂-Emissionen und die Verringerung der Abhängigkeit von China unter einen Hut bringen. Zumal die einzelnen Bereiche eng miteinander verknüpft sind. Etwa im Bereich der grünen Transformation der deutschen Wirtschaft:
- Solarmodule & Photovoltaik: Rund 80 Prozent der weltweit produzierten Solarmodule werden in China hergestellt – 90 Prozent der deutschen Importe stammen ebenfalls aus der Volksrepublik, dazu zählen etwa Solarzellen und Wechselrichter.
- Windkraftanlagen & Komponenten: China kontrolliert 91 Prozent der weltweiten Produktion Seltener Erden, die für Windkraftanlagen unverzichtbar sind – insbesondere Neodym und Dysprosium, die für Windturbinen benötigt werden. Zudem ist Deutschland bei Getrieben, Rotorblättern und Generatoren für diese Anlagen zu über 70 Prozent von Importen abhängig.
- Batterien & Elektromobilität: China dominiert rund 70 Prozent der weltweiten Produktion von Lithium-Ionen-Batterien – zumal 80 Prozent des weltweiten verarbeiteten Lithiums aus chinesischen Raffinerien stammt. Auch 60 Prozent des globalen Kobalts und Nickels, die jeweils für Batterien unverzichtbar sind, wird in China weiterverarbeitet.
- Elektrolyseure für grünen Wasserstoff: Derzeit importiert Deutschland mehr als 50 Prozent seiner benötigten Elektrolyse-Komponenten aus China. Diese sind für die Herstellung von grünem Wasserstoff notwendig. Gerade in der Stahlproduktion könnte dieser Kohle und Erdgas ersetzen. Aber auch in der Energieversorgung, als CO₂-sparender Antrieb für Fahrzeuge oder in der Fernwärmeversorgung und Heiztechnologie spielt grüner Wasserstoff eine zentrale Rolle.
USA stärkster Handelspartner von Deutschland – doch kehrt Trump den Trend zu Gunsten Chinas um?
Die wirtschaftliche Abhängigkeit belegen zudem auch Zahlen. Laut IW klaffte in den vergangenen Jahren zwischen Im- und Exporten im China-Geschäft eine große Lücke: Allein 2022 stieg das Handelsdefizit mit der Volksrepublik auf 84 Milliarden Euro und habe sich im Vorjahresvergleich mehr als verdoppelt. Auch wenn die USA (255 Milliarden US Euro) 2024 China (247) laut Germany Trade & Invest (GTAI) als größten Handelspartner Deutschlands abgelöst haben, könnte sich der Trend angesichts Trumps „America’s first“-Strategie und den Strafzöllen auf Importe schnell wieder umkehren. Epico-CEO Bernd Weber sieht da die neue Bundesregierung sowie auch die EU-Kommission in Brüssel am Zug: „Gelingt es nicht, die Energiepreise zu senken und die Grundstoffindustrien effizient bei der Transformation zu unterstützen, drohen weitere Abwanderungen - etwa in die USA. Die angekündigten Zölle aus Washington erhöhen natürlich den Druck.“

Die Studie warnt vor dem sogenannten „Renewables Pull“. Deutschland gerate durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien in eine neue Abhängigkeit mit China. Unternehmen aus energieintensiven Branchen (wie Stahl oder Chemie) könnten etwa ihre Produktionen in die Volksrepublik oder andere Länder verlagern, wo niedrigere Energiepreise und bessere Standortfaktoren herrschen.
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Deutschland braucht starke EU und Freihandelsabkommen – und vor allem günstige Strompreise
Besonders jene Branchen, die für ihr Zukunftsgeschäft hohe Mengen an Strom oder Wasserstoff benötigen, seien für dieses Phänomen anfällig. Neben geringeren Strompreisen sei auch eine EU-weite Koordination der Industriepolitik essenziell, um strategisch wichtige Unternehmen nicht zu verlieren. Weiterhin müsse die EU und Deutschland noch gezielter in moderne Infrastruktur und Speicherkapazitäten von Energie investieren. Dieses Prinzip würde auch das sogenannte Nearshoring beinhalten: Produktions- und Lieferketten würden in geografisch nahe gelegene Länder verlegt, was für Deutschland eine stärkere Integration in europäische Wertschöpfungsketten bedeuten würde. Als eine weitere Lösungsmöglichkeit für mehr Resilienz gilt zudem das Friendshoring, bei dem Länder gezielt Partnerschaften mit politisch und wirtschaftlich verlässlichen Staaten schließen.
Das Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada (CETA) war in der Vergangenheit ein Beispiel für die Methode. Auch der Handel zwischen der EU und Indien sowie Australien oder das künftige Mercosur-Abkommen mit den lateinamerikanischen Staaten um Brasilien zählt dazu. Weber sieht den Staat in der Pflicht, aktiv gegenzusteuern. Etwa „wie kritisch Abhängigkeiten sind und ob es in Zukunft überhaupt noch realistisch einen ‚Business Case‘ am Standort in Deutschland gibt“. Einfacher wird die Lage hingegen nicht, schätzt der Experte im Hinblick auf die Präsidentschaft von Trump: „Die angekündigten Zölle aus Washington erhöhen natürlich den Druck.“