Prognose für deutsche Wirtschaft steigt nach Merz-Paketen – doch Ökonomen warnen

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Ökonomen der Deutschen Bank prognostizieren der deutschen Wirtschaft baldiges Wachstum – und warnen dennoch: Ohne massive Reformen verpuffen die Investitionen von Union und SPD.

Frankfurt – Die Deutsche Bank hat ihre aktuelle Konjunkturprognose für die deutsche Wirtschaft kräftig angehoben. Als Reaktion auf die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, die Schuldenbremse für die milliardenschweren Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben zu ändern, prognostizieren die Volkswirte spätestens ab 2026 erstmals wieder ein größeres Wachstum. Erste spürbare Impulse aus dem Finanzpaket erwartet das Autorenteam um Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Robin Winkler aber erst ab Ende 2025.

Deutsche Wirtschaft soll laut Ökonomen dank Schuldenpaket wieder wachsen – allerdings erst 2026

Business Insider hatte zuerst über die Analyse des Deutsche Bank Research-Instituts berichtet. Laut dem Bankhaus steigt die Wachstumsprognose 2026 von rund 1,0 auf 1,5 Prozent und könnte 2027 sogar 2,0 Prozent erreichen. Allerdings dürfte die Kerninflation parallel dazu weniger stark sinken und sich eher bei 2,5 als bei 2,0 Prozent einpendeln. Die Ökonomen führen diesen Effekt unter anderem auf die steigenden Löhne und die geplante Anhebung des Mindestlohns zurück. Für das laufende Jahr 2025 ist vom Wachstum noch nichts zu spüren: Vielmehr wird die deutsche Wirtschaft nach wie vor von temporären Krisen wie den US-Strafzöllen auf EU-Importe, geopolitischen Unsicherheiten sowie der schwächelnden US-Wirtschaft ausgebremst.

Als CDU-Parteivorsitzender betont Merz die Bedeutung von wirtschaftlicher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit.
Die deutsche Wirtschaft könnte auf lange Sicht wieder florieren, argumentieren Ökonomen der Deutschen Bank. Doch dafür bedarf es neben dem Schuldenpaket umfassende Reformen. © Rolf Vennenbernd/dpa

Allein neue Schulden reichen laut den Autoren jedoch nicht für einen nachhaltigen Aufschwung aus: Damit das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft künftig steigen könne, bedarf es konkreter Reformen durch die neue Bundesregierung: Der Effekt des Verteidigungs- und Infrastruktur-Pakets werde zwar helfen, das Potenzialwachstum bis ein Prozent zu steigern, allerdings führe an tiefgreifenden Strukturreformen kein Weg vorbei.

Ökonomen warnen: Ohne Big-Bang-Reformen kein Potenzialwachstum über 1 Prozent

In den aktuellen Koalitionsgesprächen einigten sich Union und SPD auf das Ziel, das Potenzialwachstum in den kommenden Jahren deutlich über ein Prozent anzuheben. Aktuell steht dieses bei 0,5 Prozent und sank in den vergangenen Jahren um rund 0,5 Prozentpunkte. Die Autoren kritisieren jedoch deutlich, dass derzeit eine Big-Bang-Reformagenda nicht absehbar sei. Sie fordern schnelle Maßnahmen im Bereich Bürokratieabbau für Unternehmen, Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie der Eindämmung steigender Lohnkosten.

Bleiben weitere Reformen aus, könnte die Staatsverschuldung bis 2035 dennoch auf 75 Prozent des BIP steigen. Großes Potenzial sehen die Ökonomen derzeit im Arbeitsmarkt – speziell in den zuletzt stagnierenden Branchen wie dem Bau. Durch die Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung erwarten die Ökonomen eine gute Auftragslage im Inland – allerdings mit Verzögerung.

„Wir unterstellen, dass die Infrastrukturinvestitionen von Bund und Ländern 2026 rund 30 Milliarden Euro erreichen, bevor sie 2027 auf 60 Milliarden Euro springen – ein Ketchupflaschen-Effekt“, heißt es in dem Papier. So werden erst ab 2028 gleichmäßige Beträge pro Jahr abgeschöpft. Ähnlich verhalte es sich bei den Investitionen für Verteidigung, die zwischen 2025 und 2027 von anfänglich 80 auf 150 Milliarden Euro steigen könnten.

Beschäftige bei Bau und Industrie profitieren künftig Auftragsboom – doch langfristig fehlen Arbeitskräfte

Für die Sektoren Industrie und Bau hätten diese Effekte in den ersten drei bis vier Jahren positive Auswirkungen auf die Beschäftigten. Aktuell, so die Autoren, liege die Kapazitätsauslastung in diesen Bereichen bei 75 bzw. 70 Prozent – „dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise“. Fraglich ist allerdings, ob die Branche aufgrund der demografischen Struktur und den derzeitigen Entlassungen einem Boom in den kommenden Jahren gewachsen ist. Zwar verloren im Bausektor 2024 rund 30.000 Menschen ihre Arbeit. Im verarbeitenden Gewerbe umfasst die Zahl sogar 100.000. Laut ifo-Institut liegen die Verzögerungen bei Bauprojekten bei rund 15 Wochen. Zudem ist rund ein Viertel der gewerblichen Beschäftigten älter als 55 Jahre.

Auch wegen der zu erwartenden Arbeitskräfteknappheit, so prognostizieren es die Experten der Deutschen Bank, werde die Branche in den kommenden Jahren an Kapazitätsgrenzen stoßen. Vielschichtiger sei die Situation im Verteidigungsbereich. Hier gingen über 70 Prozent der Aufträge für Rüstungs- und Wehrtechnik an ausländische Konzerne.

Wachstum im Verteidigungssektor – sofern Europa an einheitlichen Verteidigungsplan arbeitet

Mit dem zunehmenden Rückzug der US-amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa sowie aufgrund der Bedrohung durch Russland häuften sich zuletzt die Forderungen nach einem einheitlichen EU-Verteidigungsplan. Diese Anzeichen sehen auch die Ökonomen und gehen von verstärkten Investitionen in deutsche oder europäische Unternehmen. Auch Kooperationen seien denkbar – nicht nur bilateraler Natur, sondern auch zwischen einzelnen Branchen.

Zuletzt verdichteten sich die Anzeichen, dass der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall verschiedene VW-Werke auf die Eignung zur Produktion von Waffensystemen prüft. Vorstandschef Armin Papperger bestätigte entsprechende Berichte in Bezug auf das VW-Werk in Osnabrück. Noch vor einigen Jahren fehlten dem Automobilsektor die freien Kapazitäten für solche Kooperationen. Durch den Nachfrage-Einbruch bei den deutschen Unternehmen stellt sich diese Frage heute nicht mehr, schreiben die Ökonomen dazu. Auch der zivile Sektor könnte von den höheren Verteidigungsausgaben profitieren – etwa durch Aufträge in der „verteidigungsrelevanten Forschung und Entwicklung“.

Auch interessant

Kommentare