Schwerbehinderungen: Zuerkennung des Merkzeichens aG – was Sie jetzt wissen müssen

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Menschen mit Gehbehinderungen können nicht gleichberechtigt am Leben teilnehmen. Das BSG erleichtert ihnen nun den Zugang zu Behindertenparkplätzen.

Berlin – Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat fast jeder vierte Mensch in Deutschland eine amtlich anerkannte Schwerbehinderung oder lebt mit einer chronischen Krankheit, die im Alltag zu erheblichen Einschränkungen führen können. Welchen Grad der Behinderung (GdB) die Betroffenen letztendlich erhalten, hängt von der Schwere der Erkrankung oder Behinderung ab.

Schwerbehinderte sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 festgestellt wurde. Wer als schwerbehindert eingeordnet wird, kann beim Staat Zuschüsse, Vergünstigungen und Steuerentlastungen beantragen. Auch Pflegebedürftige, die in einem Pflegeheim untergebracht sind, können sich vom Staat unter die Arme greifen lassen. Für den Erhalt von Nachteilsausgleichen ist neben der Feststellung des GdB auch ein entsprechendes Merkzeichen erforderlich. Diese dient laut dem Behindertenbeauftragten als „Nachweis für besondere Beeinträchtigungen und kennzeichnet Rechte und Hilfen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile“. 

Bei Ausweisinhabern mit dem Merkzeichen aG, liegt eine außergewöhnliche Gehbehinderung vor.
Neue Leitlinien des Bundessozialgerichts sollen eine klarere Richtlinie für die Zuerkennung des Merkzeichens aG bieten. © Karl-Josef Hildenbrand/ dpa

Schwerbehinderung: Was bedeutet das Merkzeichen aG auf dem Ausweis?

Bei Ausweisinhabern mit dem Merkzeichen „aG“, liegt eine außergewöhnliche Gehbehinderung vor. Dies ist nach dem Gesetz (§ 229 Abs 3 SGB IX) der Fall, wenn sich die schwerbehinderte Person nur im Rollstuhl fortbewegen kann, oder wenn man schon beim Gehen nur weniger Schritte auf fremde Hilfe angewiesen ist oder sich sehr anstrengen muss. Außerdem muss der Grad der Behinderung, der die Fortbewegungsfähigkeit betrifft, wenigstens 80 betragen.

Die Fortbewegung kann laut dem Portal betanet.de beispielsweise schwerst eingeschränkt sein durch:

  • Bewegungsbezogene Störungen
  • Neuromuskuläre oder mentale Störungen, z.B. bei Parkinson oder Multipler Sklerose
  • Störungen des kardiovaskulären oder des Atmungssystems, z.B. bei arteriellen Verschlusskrankheiten

Personen, die das Merkzeichen aG erfüllen, können laut REHADAT-recht.de folgende Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen:

  • Parkausweis für Behinderten-Parkplatz sowie weitere Parkerleichterungen (Halteverbot etc.)
  • Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr mit Eigenbeteiligung
  • Kfz-Steuerbefreiung 
  • Fahrtkosten-Pauschbetrag 4500 Euro
  • Inanspruchnahme von kostenlosen Fahrdiensten
  • Ausstellung eines blauen europäischen Parkausweises für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen (z. B. zur Benutzung von Behindertenparkplätzen)

Schwerbehinderte können häufig früher in Rente gehen, ohne mit Abzügen rechnen zu müssen – doch in der Frührente gibt es einiges zu beachten.

Zwei Streitfälle: Voraussetzungen für die Bewilligung des Merkzeichens aG auf dem Prüfstand

Wie das Info-Portal gegen-hartz.de berichtet, standen die Voraussetzungen für die Nutzung von Behindertenplätzen im März 2023 auf dem Prüfstand. In zwei Revisionsverfahren sollte das Bundessozialgericht (BSG) darüber entschieden, ob den Klägern das Merkzeichen aG zusteht. Im ersten Verfahren konnte der Kläger, der an einer fortschreitenden Muskelschwunderkrankung leidet, auf Krankenhausfluren noch gehen, aber nicht mehr sicher im öffentlichen Raum, mit verschiedenen Hindernissen wie Bordsteinkanten und Bodenunebenheiten.

Schwerbehinderung Ab Behinderungsgrad von 50
Nachteilsausgleich Abhängig von der Art der Behinderung
Schwerbehindertenausweis Erstausstellung für max. fünf Jahre, danach ggf. unbefristet

Beim zweiten Verfahren konnte der an einem angeborenen Gendefekt mit globaler Entwicklungsstörung leidende Kläger nur in vertrauten Umgebungen frei gehen, nicht aber in neuen oder unbekannten Situationen. In beiden Fällen hatte das Landessozialgericht die Voraussetzungen des Merkzeichens aG zuvor bejaht.

Bundessozialgericht präzisiert Regelung beim Merkzeichen aG: Gehfähigkeit im öffentlichen Raum entscheidend

Wie das Info-Portal weiter berichtet, legt das Urteil des BSG fest, dass die Gewährung des Merkzeichens aG und damit die Nutzung von Behindertenparkplätzen die Fähigkeit, sich im öffentlichen Verkehrsraum zu bewegen, maßgeblich ist. So hat das BSG im ersten Rechtsstreit eine erhebliche „mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung“ als erfüllt angesehen. Im zweiten Fall stand die Gehfähigkeit ausschließlich in einer vertrauten Umgebung der Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht entgegen. Zudem entsprach die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung des Klägers auch einem GdB von 80.

„Die neuen Leitlinien des BSG bieten eine klarere Richtlinie für die Zuerkennung des Merkzeichens aG. Sie soll dazu beitragen, die Teilhabemöglichkeiten schwerbehinderter Personen im öffentlichen Raum zu verbessern“, so Sebastian Bertram, Sozialarbeiter und Gründer von gegen-hartz.de. (Vivian Werg)

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