Koalitionsstreit wegen Cannabis: Mit einem Satz beerdigt die Union Lauterbachs Gesetz

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CDU und CSU wollen die Cannabis-Teillegalisierung rückgängig machen, doch die SPD geht nicht mit. Ein Ende des Gesetzes wäre „unverantwortlich“, sagt ein Sozialdemokrat.

Fragte man Unionspolitiker im Wahlkampf nach ihren wichtigsten Anliegen, hörte man immer wieder auch diesen Punkt: Cannabis-Gesetz streichen. Die Teillegalisierung von Cannabis lehnen CDU und vor allem CSU nach wie vor entschieden ab. Sie wollen das Ampel-Projekt rückgängig machen – doch die SPD macht bislang nicht mit. Das zeigt ein Blick in die Ergebnisse der Koalitionsarbeitsgruppe Innen/Recht/Migration/Integration. Das 20-seitige Papier liegt der Frankfurter Rundschau vor.

Union-Vorschlag zum Koalitionsvertrag: „Wir machen die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig“

In den Arbeitsgruppen beschließen die Verhandler von Union und SPD den künftigen Kurs der nächsten Bundesregierung. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für den Koalitionsvertrag. Fertig ist der noch lange nicht, denn bei etlichen Punkten gibt es noch Klärungsbedarf. Sind sich die Verhandler nicht einig, machen sie das in den offiziellen Papieren mit eckigen Klammern kenntlich. Vorschläge der Union werden blau markiert, Ideen der SPD rot.

Und so steht dann auch in blauer Schrift folgender Satz: „Wir machen die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig.“ Die CDU/CSU hatte ihn in das Dokument geschrieben. Sie hatte bereits im Vorfeld angekündigt, das Gesetz stoppen zu wollen; auch gegenüber unserer Redaktion. Leiter der Arbeitsgruppe ist der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings. Er positionierte sich bei Cannabis bereits deutlich. „Als Union werden wir alles daran setzen, die negativen Auswirkungen der Cannabislegalisierung zu stoppen, Drogenkriminalität zu bekämpfen und den Jugendschutz zu stärken“, sagte Krings Anfang März der Deutschen Presse-Agentur.

SPD: Cannabis-Gesetz „voller Erfolg“ – „Rückschritt wäre unverantwortlich“

In der SPD sieht man die Sache etwas anders. Das Cannabis-Gesetz sei „ein voller Erfolg“, sagt der damalige SPD-Berichterstatter für das Gesetz, Dirk Heidenblut. „Weil es ein Jahr ohne Kriminalisierung und unnötige Verfolgung ist“, so Heidenblut gegenüber der Frankfurter Rundschau. „Der Zugang zu Hilfsangeboten wurde erleichtert, es läuft mehr an Aufklärung, das ist genau eines der gesundheitspolitischen Ziele.“

Dirk Heidenblut zum Cannabis-Gesetz
Dirk Heidenblut, SPD-Berichterstatter für Drogen- und Suchtpolitik: „Ein Jahr Cannabis-Gesetz, für mich schon ein voller Erfolg, weil es ein Jahr ohne Kriminalisierung und unnötige Verfolgung ist.“ © Imago/Funke Foto Service

Heidenblut ist nicht an den Verhandlungen beteiligt. Doch geht es nach ihm, solle das Gesetz vielmehr aus- statt abgebaut werden. „Jetzt ist es wichtig, nicht nachzulassen und den Weg zur vollständigen Legalisierung weiterzugehen.“ Die Ampelregierung hatte sich unter SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf ein Zwei-Säulen-Modell geeinigt. Säule eins – seit 1. April 2024 in Kraft – erlaubt den privaten Eigenanbau, Abgabe in Cannabis-Clubs und das Mitführen bestimmter Mengen Gras. Säule zwei sollte die kommerzielle Abgabe in Fachgeschäften ermöglichen, also für einen bundesweiten Cannabis-Markt sorgen. Dieser Plan liegt aktuell aber auf Eis und wird aller Voraussicht nach nicht mehr umgesetzt.

Wie die Verhandler der SPD zum Cannabis-Gesetz stehen, ist unklar. Sie haben sich in den Schlussprotokollen nicht klar für ein Beibehalten des Gesetzes positioniert. Auch in anderen Arbeitsgruppen, etwa der AG Gesundheit, klammern die Sozialdemokraten das Thema aus. Für die SPD dürfte es damit lediglich darum gehen, den Status Quo beizubehalten. Da die Säule zwei ohnehin nicht mit der Union zu machen wäre, könnte man als Kompromiss zu dem Schluss kommen, an den bisherigen Regeln festzuhalten. Befürworter des Cannabis-Gesetzes fänden das wohl akzeptabel. Für Heidenblut ist in jedem Fall klar: „Jeder Rückschritt wäre aus drogenpolitischer Sicht unverantwortlich.“

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Auch andere SPD-Politiker äußerten sich zuletzt pro Cannabis-Gesetz. „Die SPD wird sich im Falle einer Regierungsbeteiligung mit der Union klar für den Erhalt der Teil-Legalisierung und Entkriminalisierung einsetzen“, sagte etwa der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher, Christos Pantazis. Aber auch Pantazis ist nicht an den Verhandlungen beteiligt. Wie klar dieses Einsetzen sein wird, liegt jetzt unter anderem an Lars Klingbeil und Saskia Esken. Die Parteiführung ist neben sieben anderen SPD-Politikern Teil der Chefverhandlergruppe, die nun mit der Union über strittige Themen der Arbeitsgruppen diskutiert. Ausgang offen.

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