Verteidigungspläne: Auch Pistorius gibt die Wehrpflicht auf
Nach Widerstand in der Ampel-Koalition ist jetzt ein Freiwilligen-Dienst statt einer Wehrpflicht geplant. Die Union hält die Pläne für „lächerlich“.
Berlin – Anfang März hat Boris Pistorius in Skandinavien eine Art Schnupperkurs Wehrpflicht gemacht. Er besuchte die schwedische Musterungsbehörde in Stockholm, er plauderte mit 18-jährigen norwegischen Wehrdienstlern an der Grenze zu Russland. Am Ende verkündete der deutsche Verteidigungsminister, er habe ein „Faible“ für eine Wehr- und Dienstpflicht, die über das Militärische hinausgehe. Jetzt, drei Monate später, will er seine Pläne für die Bundesrepublik vorlegen. Doch plötzlich klingt alles ganz anders: Wird wohl nichts mit der Pflicht.
Zu Beginn dieser Woche hat Pistorius erstmals in einem SPD-Gremium Eckpunkte seiner Pläne umrissen, und es klingt nach einer kleinen Lösung. Im Parteipräsidium stellte er klar, es werde keine Rückkehr zur Wehrpflicht geben. Damit zitieren ihn mehrere Medien. Er setze auf ein freiwilliges Modell mit Anreizen.
Pläne zur besseren Verteidigung Deutschlands: Offenbar keine Rückkehr zur Wehrpflicht
Schritt 1: Alle jungen Bürger, vermutlich auch Frauen, sollen zu ihrem 18. Geburtstag angeschrieben werden. Sie erhalten statt einer freundlichen Werbe-Postkarte für die Bundeswehr künftig einen Fragebogen zu ihrer körperlichen Fitness und dazu, ob sie sich eine Ausbildung beim Militär vorstellen können. Schritt 2: Wer sich darauf für ungefähr zwölf Monate einlässt, soll vom Staat etwas zurückbekommen, was über den bisher kargen Wehrsold von rund 1800 Euro hinausgeht. Pistorius nannte demnach einen kostenlosen Führerschein. Angesichts von Kosten inzwischen jenseits von 3000 Euro ist das zumindest spürbar.
Als Ideen kursieren laut Spiegel im Ministerium zudem Rabatte bei der Rückzahlung von Studienkrediten, Sprachkurse und überhaupt ein erleichterter Zugang zur Uni. Das ist also kein Pflichtdienst bei Bundeswehr oder sozialen Institutionen.
An Details werde noch gearbeitet, aber über Pistorius‘ Vortrag sei man weitestgehend einig, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert später. Was in der SPD keiner offen ausspricht: Es klingt sehr danach, als sei der Minister eingebremst worden. Zum aktuellen Friedens-Wahlkampf der Genossen passt ein martialisches Werben für eine Wehrpflicht eben nicht. Und Kanzler Olaf Scholz hatte neulich das Personalproblem der Bundeswehr als „überschaubar“ beschrieben. Hinzu kommt: Die Koalitionspartner FDP und Grüne winken ab.
Statt Wehrpflicht: Pistorius arbeitet an Details für Freiwilligen-Dienst
Die Union übt scharfe Kritik am eigentlich respektierten Pistorius. „Große Worte, aber große Taten fehlen“, spottet CSU-Chef Markus Söder. „Knickt er vor den Linken in seiner Partei ein?“ Die Junge Union, die für einen Pflichtdienst geworben und das im CDU-Programm durchgeboxt hatte, reagiert ähnlich enttäuscht. „Pistorius hat die Wehrpflicht ein Jahr lang medienwirksam angekündigt“, sagt JU-Bundeschef Johannes Winkel unserer Zeitung. „Die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes mit einem ‚Führerschein-Bonus‘ wiederherzustellen, ist schlichtweg lächerlich.“
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Pistorius nähere sich dem „5000-Helme-Niveau seiner Vorgängerin“. Winkel fordert den Aufbau eines „Gesellschaftsjahres“, bis dahin solle man „kurzfristig eine Kontingentwehrpflicht einführen“ (alle mustern, einige nach Bedarf einziehen). Auch er deutet gen Norden: „In skandinavischen Ländern zeigen vergleichbare Modelle, dass das gut funktionieren kann.“
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