Nahost-Konflikt im Ticker - „Ausgehungert, abgemagert, leidend“: Israel schockiert über Zustand der Geiseln
Sehen Sie oben im Video: Chaos und Tumult bei Geisel-Übergabe - Israel nennt Szenen „schockierend“
Israel führt Waffenruhegespräche vorerst auf Sparflamme
Sonntag, 09. Februar, 06.25 Uhr: Angehörige der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln werfen Israels Regierung vor, die nächste Runde der Waffenruhe-Gespräche mit der Hamas nicht entschlossen genug anzugehen. Sie kritisieren das begrenzte Mandat der israelischen Delegation, die zu den Verhandlungen nach Katar geschickt wurde, und warnen vor einer Wiederaufnahme des Gaza-Kriegs.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe die Unterhändler angewiesen, vorerst nur über „technische Einzelheiten“ zu verhandeln, berichteten israelische Medien unter Berufung auf hohe Regierungsbeamte. Die Delegation ist demnach auch weniger hochkarätig besetzt als bei früheren Runden: Ihr würden nicht die sonst meist nach Doha entsandten Chefs des Auslands- und Inlandsgeheimdiensts angehören, sondern diesmal nur höhere Beamte sowie der israelische Geisel-Koordinator, der pensionierte General Gal Hirsch.
Die indirekten Gespräche in Doha, bei denen Katar, Ägypten und die USA vermitteln, sollen sich um die zweite Phase der Waffenruhe drehen, die Ende des Monats beginnen müsste. Diese soll zu einem endgültigen Ende des Kriegs und zur Freilassung der restlichen Geiseln führen, die noch am Leben sind. Kritiker werfen Netanjahu vor, diesbezügliche Schritte aus Rücksicht auf die politische Rechte in Israel hinauszögern. Hardliner verlangen, die Forderungen der Hamas nicht zu erfüllen und die palästinensische Terrororganisation stattdessen vollständig zu vernichten.
„Ausgehungert, abgemagert und leidend“: Israel schockiert über Zustand der Geiseln
17.24 Uhr: Die islamistische Hamas hat im Rahmen eines Waffenruhe-Abkommens mit Israel drei weitere Geiseln freigelassen (s. 10.19 Uhr). Ihr abgemagertes und blasses Aussehen sorgte in Israel für Entsetzen.
Angehörige und Politiker in Israel reagierten angesichts des augenscheinlich schlechten Zustands der freigelassenen Männer bestürzt. Die Tochter von Ohad Ben Ami (56), sagte israelischen Medien zufolge, sie habe ihren Vater kaum wiedererkannt. Sie wolle ihn einfach nur umarmen, sagte Ella Ben Ami.
Der Bruder von Or Levy sagte israelischen Medien zufolge, es sei schwer, ihn so zu sehen, nach allem, was er durchgemacht habe. Dessen dreijähriger Sohn sei aufgeregt und könne es kaum erwarten, seinen Vater wiederzusehen, sagte Tal Levy demnach. Die Mutter des Kindes war bei dem Hamas-Massaker im Süden Israels am 7. Oktober 2023 auf dem Nova-Musikfestival getötet worden.
Die Angehörigen von Eli Scharabi, dessen Frau zusammen mit den beiden gemeinsamen Töchtern am 7. Oktober von Terroristen ermordet wurde, zeigten sich erleichtert über dessen Freilassung. Gleichzeitig seien sie „betrübt, aber nicht überrascht“ über den schlechten körperlichen Zustand der freigelassenen Männer, hieß es.
„So sieht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus“, erklärte der israelische Staatspräsident Isaac Herzog angesichts des Zustands der Geiseln. „Die ganze Welt muss auf Ohad, Or und Eli blicken, die nach 491 Tagen Hölle, ausgehungert, abgemagert und leidend, zurückkehren.“
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, die „schockierenden Bilder“ würden nicht unbeantwortet bleiben. Er kündigte Maßnahmen an - ohne Details zu nennen. Regierungsangaben zufolge beschwerte sich Israel bei den zwischen dem Land und der Hamas vermittelnden Staaten Katar, Ägypten und den USA.
Hamas lässt Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami und zwei weitere Geiseln frei
Samstag, 08. Februar, 10.19 Uhr: Die islamistische Hamas hat im Rahmen eines Waffenruhe-Abkommens mit Israel drei weitere Geiseln im Gazastreifen an das Rote Kreuz übergeben. Ohad Ben Ami (56), Or Levy (34) und Eli Scharabi (52) kamen am 491. Tag ihrer Geiselhaft in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens frei, wie in live-Fernsehaufnahmen zu sehen war.
Die israelische Armee bestätigte die Übergabe der Geiseln durch die Hamas unter Berufung auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Die Helfer sollten die abgemagert aussehenden Männer in Kürze an das israelische Militär übergeben.
Im Gegenzug für ihre Freilassung sollten 183 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Darunter sind 18 mit lebenslangen Haftstrafen und 111 Palästinenser, die nach dem 7. Oktober im Gazastreifen festgenommen wurden.
Hunderte Schaulustige verfolgten die Geiselübergabe, wie Fernsehaufnahmen zeigten. Anders als vor knapp anderthalb Wochen gab es aber keine drängelnde Menge und kein Chaos, durch das sich die Geiseln einen Weg bahnen mussten. Auch zahlreiche vermummte und zumeist mit Maschinenpistolen bewaffnete Hamas-Mitglieder waren anwesend - wie auch bei den vorigen Geisel-Freilassungen.
Drei männliche Hamas-Geiseln sollen am Samstag freigelassen werden
Freitag, 7. Februar, 18.17 Uhr: Israel hat mit einer stundenlangen Verzögerung eine Liste mit den Namen drei weiterer Geiseln erhalten, die am Samstag aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen freigelassen werden sollen. Die Hamas übermittelte die Namen von drei Männern. Demnach sollen Eli Sharabi, Or Levy sowie der Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami am Samstag freikommen.
Derzeit werden israelischen Angaben zufolge noch 79 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. 35 von ihnen dürften jedoch vermutlich nicht mehr am Leben sein.
Israels Armee bereitet Plan zur „freiwilligen Ausreise“ aus Gaza vor
Donnerstag, 6. Februar, 08.53 Uhr: Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat die Armee angewiesen, einen Plan zur „freiwilligen Ausreise“ von Palästinensern aus dem Gazastreifen vorzubereiten. Der Schritt folgte auf einen Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, zwei Millionen Palästinenser aus dem Küstenstreifen umzusiedeln.
Der US-Präsident hatte im Beisein des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verkündet, die USA würden den Gazastreifen „übernehmen„ und in eine wirtschaftlich florierende „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln. Nach Trumps Willen sollen die Einwohner des Gebiets künftig in anderen arabischen Staaten der Region unterkommen.
Der Plan stieß international auf Kritik. US-Regierung relativierte Trumps Pläne später. „Das war nicht als feindseliger Schritt gedacht“, sagte Außenminister Marco Rubio. Er sprach von einem „sehr großzügigen Angebot“ des Präsidenten. Den USA ginge es lediglich darum, das Küstengebiet wieder bewohnbar zu machen. In dieser Zeit könnten die Palästinenser dort aber nicht leben.
Minister Katz begrüßte den “kühnen Plan“ Trumps. „Man muss es den Einwohnern von Gaza erlauben, dieselbe Ausreise- und Migrationsfreiheit zu genießen wie an jedem anderen Ort der Welt“, sagte Katz. „Der Plan wird die Möglichkeit der Ausreise über Landpassagen sowie besondere Regelungen für die Ausreise über das Meer und den Luftweg enthalten.“
Er warf der islamistischen Hamas vor, durch die Plünderung humanitärer Hilfsgüter Geld von den Menschen in Gaza zu erpressen und ihre Ausreise zu verhindern.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel. Als Folge der Kämpfe ist der Gazastreifen weitgehend zerstört. Rechtsextreme Politiker in Israel streben eine Wiederbesiedlung des Gebiets an, das Israel 2005 geräumt hatte. Dies ist jedoch keine offizielle Regierungspolitik.
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