„Eine Schmach“ für Putin: Vorstoß der Ukraine ruft in Russland Ärger und Zorn hervor

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Das russische Kursk ist derzeit das Symbol im Ukraine-Krieg. Die dortige Lage für Moskau ist ernster als gedacht. Auch weil die Zivilbevölkerung nun aufbegehrt.

Kursk – Russland spielt im Ukraine-Krieg den Ernst der Lage in der Region Kursk herunter. So die Einschätzung des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW). Nach dem Vorstoß der Ukraine und die Einnahme mehrerer Ortschaften in der russischen Region hatte der Kreml um Russlands Präsident Wladimir Putin in der Nacht zum Samstag (10. August) die Gebiete Kursk, Belgorod und Brjansk zu Zonen für „Anti-Terror-Operationen“ erklärt.

Einschätzung von Denkfabrik: Putin hat Angst vor Unruhen nach Ukraine-Offensive in Kursk

Nicht zu Kriegsgebieten. Nur um Panik in der russischen Gesellschaft zu verhindern, heißt es dazu vom ISW. Der Kremlchef scheue die Ausrufung des Kriegszustandes, weil er um die Stabilität im Land fürchte. Neuen Unmut im Land wie bei den Protesten gegen die Mobilmachung von Reservisten im Herbst 2022 wolle er aus dem Weg gehen.

Die Offensive der Ukraine mitsamt Grenzübertritt auf russisches Territorium in Kursk kommt für Russlands Präsidentin Wladimir Putin einer Schmach gleich. (Foto-Montage) © IMAGO / SNA, IMAGO / Russian Look

Das russische Militär hat also nun – auf dem Papier zumindest – noch nicht alle Kriegs-Befugnisse. Allerdings kann es nun in den Regionen Fahrzeuge beschlagnahmen, Städte abriegeln und Telefongespräche abhören. Nach eigenen Angaben zog die Armee weitere Kräfte zusammen, um den ukrainischen Einmarsch zurückzuschlagen.

Nach Einschätzung der ISW-Expertinnen und -Experten verlangsamt sich der ukrainische Vormarsch im Gebiet Kursk deswegen ein bisschen. Russlands Armee-Generalstabschef Waleri Gerassimow gab derweil im Staats-TV die Einschätzung ab, dass alles unter Kontrolle sei.

Augenzeugen-Berichte: Chaotische Zustände in Region Kursk – „Warum haben sie uns belogen?“

Dass das offenkundig vor Ort völlig anders ist, zeigt eine Reportage, die in der eigentlich kremlnahen Tageszeitung Kommersant publiziert worden ist. Eine Bewohnerin der Stadt Sudscha, die von der Ukraine eingenommen wurde, berichtet über chaotische Zustände. Vor allem zu Beginn der Ukraine-Offensive am vergangenen Dienstag (6. August). Behörden-Hotlines als auch der Notruf seien fast nicht erreichbar gewesen. Wenn jemand ans Telefon ging, konnte die- oder derjenige nicht weiterhelfen und machte einen überforderten Eindruck.

Eine Evakuierung hätte die ersten Tage nicht stattgefunden, stattdessen flohen die Bewohnerinnen und Bewohnern auf eigene Faust – nur mit ihrer Kleidung am Körper. „Ich will wissen, wo ist unser Staat?“, wird eine Person zitiert. „Wo ist die Verwaltung? Sie könnten wenigstens mit uns sprechen. Wir wissen gar nichts.“

Eine ältere Frau geht an einem zerschossenen Wohnhaus in Kursk vorbei.
Die russische Zivilbevölkerung wurde von der Offensive der Ukraine in Kursk überrascht. Eine ältere Frau geht an einem zerschossenen Wohnhaus vorbei. © dpa

Eine andere zeigt sich sauer und ist nun offenbar hinter die Kreml-Propaganda im Staats-TV gestiegen: „Warum haben sie uns bis zum letzten Tag im Fernsehen belogen? Sie sagten, die Situation wäre stabil, dass es nur eine kleine Sabotage- und Aufklärungsgruppe sei.“ 

Das kommt der Reportage zufolge auch bei Bürgerinnen und Bürgern in der russischen Hauptstadt Moskau an. Eine aufgebrachte Frau kritisiert: „Wir werden an der Nase herumgeführt“. Es werde weiter berichtet, dass „alles wie immer ist. Aber wir haben Verwandte in Kursk. Die sprechen von einer Schmach.“

„Putins größter Feind“ meldet sich wegen Lage in Kursk – und freut sich für Ukraine

Auch Prominente melden sich zu Wort. Der britische Unternehmer und Menschenrechtsaktivist Bill Browder, der sich selbst als „Putins größten Feind“ bezeichnet, sagte in einem Interview gegenüber dem englischen Radiosender Times Radio über die Situation in Kursk: „Ich denke, dass das eine dramatische Entwicklung und etwas ist, das sowohl symbolisch als auch militärisch eine tiefgreifende Bedeutung hat. Es lässt Putin schwach erscheinen.“ Sollte die Ukraine weitere russische Gebiete einnehmen, wäre das „noch demütigender für ihn.“

Für die Ukraine freut sich Browder: „Ich finde die neuen Entwicklungen sehr ermutigend, denn es zeigt den Erfindungsreichtum und die Kreativität der ukrainischen Militärbefehlshaber.“ Er ergänzte: „Die Ukraine ist ein echter Underdog, aber dafür ein sehr effektiver.“

Doch jüngst regten sich auch Stimmen, die befanden, dass die Kursk-Offensive eine Niederlage der Ukraine beschleunigen könnte. (pls/dpa)

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