40 Millionen Menschen teilen „All eyes on Rafah Vorlage“ – ohne zu wissen, wer dahintersteckt

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

In den sozialen Medien taucht eine Story-Vorlage mit einem offenbar KI-generierten Bild auf. Viele Menschen teilen sie – vermutlich ohne zu wissen, wer hinter dem Bild steckt.

Im Vordergrund liegen scheinbar abertausende Körper, in Leichentücher gewickelt. Im Hintergrund thronen Berge. In der Mitte des Bildes der weiße Schriftzug „All eyes on Rafah“ (zu Deutsch: „Schaut alle auf Rafah“), der aus Leichen geformt ist. Darunter ein Link: „Du bist dran“.

Bis Mittwoch (29. Mai, Stand 14.00 Uhr) haben mehr als 40 Millionen Menschen dieses – augenscheinlich mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellte – Bild auf Instagram geteilt. Auch in den Storys deutscher Influencer, Stars und Unternehmerinnen taucht die Vorlage auf. Einigen dieser Accounts folgen auf Instagram mehr als eine Million Menschen.

Sie wollen vermutlich den gewaltsamen Tod von Zivilisten in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen verurteilen. Doch hinter der Aktion verbergen sich mehrere Probleme: der Urheber, seine übrigen Botschaften und eine bedenkliche Form des „Klicktivismus“. Auch eine Expertin warnt.

KI-Bild macht auf israelischen Luftangriff in Rafah aufmerksam

Der Hintergrund: Das israelische Militär selbst entschuldigte sich für den Luftangriff in Rafah am Sonntag (26. Mai), auf den das KI-Bild aufmerksam macht. Er habe einem Komplex der islamistischen Hamas gegolten. Nach Angaben von Hilfsorganisationen hat Israel dabei jedoch ein Zeltlager getroffen, das als humanitäre Schutzzone für Menschen ausgewiesen war, die wegen der israelischen Kriegsführung geflüchtet waren. Auch in den Tagen danach sollen israelische Soldaten mehrere Dutzend Zivilisten getötet haben. Am Mittwoch stießen sie immer noch weiter in Rafah vor.

Ein neuer Resolutionsentwurf im Weltsicherheitsrat verlangt aufgrund der Ereignisse ein sofortiges Ende der israelischen Militäroffensive und eine von allen Seiten respektierte Waffenruhe im Gazastreifen – sowie die Freilassung aller verbliebenen Hamas-Geiseln. Auch Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlangen, dass „Israel bei seinem Vorgehen das Völkerrecht achtet“.

Mehr zum Thema: Trotz der Bedenken wegen geplanter Rafah-Bodenoffensive: USA liefern Israel Tausende Bomben 

Wer steckt hinter der viralen Instagram-Vorlage „All eyes on Rafah“?

Ein Problem an der viralen Instagram-Vorlage ist ihr Urheber: Einer BuzzFeed News Deutschland-Recherche zufolge ist dies der Fotograf Chaa (@shahv4012). Er wohnt in Malaysia, zumindest laut Adresse auf seiner Website. Malaysia gilt seit Jahren als Unterstützer der islamistischen Hamas. Auch nach dem Terrorangriff auf Israel wollte sich das Land nicht von der Hamas distanzieren.

Chaa teilt die Instagram-Vorlage „All eyes on Rafah“ am Dienstag (28. Mai) gemeinsam mit anderen KI-generierten Bildern. Viele von ihnen emotionalisieren, eines zeigt den israelischen Präsidenten Benjamin Netanjahu blutverschmiert und bezeichnet ihn als „Kriegsverbrecher und Kindermörder“. In einer Story zeigt Chaa eine Karte von Israel und Palästina, Israel ist darin durchgestrichen. Darüber steht „Share if you care“.

Auf Instagram startete Chaa am Mittwochmorgen ein Livevideo. Wir nehmen teil. „Thanks bro from india for starting the Rafah-Campaign“, kommentiert ein Nutzer. „Thank you so much“, antwortet Chaa. Wir fragen ihn, ob er uns Fragen zu seiner Instagram-Vorlage „All eyes on Rafah“ beantwortet. „No comment for reporter and journalists“, sagt er und beendet den Livestream.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

Mehr zum Thema: Hamas-Kommandeur in Rafah gezielt getötet: Israel bestätigt Angriff auf UN-Einrichtung

„Positionierungsdruck“ in den sozialen Medien schon vor Angriff auf Rafah

„KI wird auf Social Media zunehmend als Waffe in Krisen und Konflikten genutzt“, sagt Eva Berendsen, Leiterin für politische Bildung im Netz bei der Bildungsstätte Anne Frank BuzzFeed News Deutschland. Manche, wie das „All eyes on Rafah“-Bild, wollten gar nicht „echt“ erscheinen, sondern eher politische Plakate seien, die eine Botschaft vermitteln.

„Die Botschaft, die Augen auf Rafah zu richten, ist zunächst legitim“, sagt Berendsen. Wenn jedoch, wie bei den anderen Motiven des Bild-Urhebers, der israelische Staatschef Netanjahu als „Kindermörder“ präsentiert werde (eine alte antisemitische Ritualmordlegende), sei „die Grenze zum Antisemitismus klar überschritten“.

Dass diese Person Dinge schreibe wie „Share if you care“ sei wie ein „moralischer Appell“, nach dem Motto: „Herzlos, wer dieses Motiv nicht teilt.“ Das passt laut Berendsen zum „Positionierungsdruck“ in den sozialen Medien, die ihre Bildungsstätte seit dem 7. Oktober beobachte. Das tue die Community auf Instagram dann auf scheinbar ganz unkompliziertem Wege, indem sie Motive wie „All eyes on Rafah“ teile. „Dieser Klicktivismus beeinflusst die Stimmung in Social Media“, sagt die Expertin für politische Bildung. (Mit Material der dpa)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!