Neubau in Deutschland zwischen Krise und Aufbruch: „Davon werden beide Seiten profitieren“
2026 könnten in Deutschland nur noch 175.000 Wohnungen gebaut werden, warnt das Ifo-Institut. Gebraucht würde mehr als das Doppelte. Doch es gibt Lichtblicke für Häuslebauer und Mieter.
Berlin – Der deutsche Bau- und Wohnungsmarkt befindet sich in der Krise. Zu hohe Baukosten sorgen dafür, dass kaum noch neue Wohnungen entstehen und Mieten gleichzeitig explodieren. Nun ernüchtert eine neue Prognose des Münchner Ifo-Instituts. 2026 rechnen die Fachleute mit nur noch 175.000 neu gebauten Wohnungen. Dabei hat die Ampel-Koalition jährlich 400.000 angepeilt. Die Bundesregierung will deshalb mit zwei Neuerungen der Baukrise begegnen.
Neubau in Deutschland könnte noch weiter einbrechen
„Die Prognose ist mit Unsicherheiten behaftet, aber es ist ziemlich klar, dass wir spätestens 2026 unter die 200.000er-Marke rutschen werden“, sagte Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister der Deutschen Presseagentur mit Blick auf den deutschen Neubau. Schon im vergangenen Jahr erreichte Deutschland die von der Bundesregierung ausgerufenen Bauziele mit knapp 300.000 neuen Wohnungen nicht. Allerdings leidet der Neubau nicht nur hierzulande, weiß der Ifo-Experte. In ganz Europa gehen demnach Bauanträge und Wohnungsbaugenehmigungen zurück. Das Bauen wird insgesamt zu teuer.
Die Bundesregierung und allen voran Bauministerin Klara Geywitz (SPD) planen deshalb gleich zwei grundlegende Veränderungen für die Auflagen und Förderrichtlinien im kostspieligen Neubau. Zum einen soll eine schon lange geplante Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) im Kabinett beschlossen werden. Der Wohnungsneubau soll unter anderem durch schnellere und digitalisierte Genehmigungsverfahren und weniger Regulierungen angekurbelt werden.
Weniger Auflagen beim Bau sollen Wirtschaft ankurbeln
Ein zweiter Hoffnungsträger ist der sogenannte „Gebäudetyp E“, für den Geywitz‘ Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) jüngst eine Leitlinie vorlegte. Das „E“ steht für „einfaches“, oder auch „experimentelles“ Bauen. Das 2022 von der Bayerischen Architektenkammer erstmals vorgestellte Konzept sieht vor, sich beim Bau auf ein paar Kernziele (wie Standsicherheit, Klima- und Brandschutz) zu fokussieren und dafür auf etliche weitere bestehende Regelungen verzichten zu können.
Ministerin Geywitz gilt als großer Fan des Konzepts und bekräftigte in der Vergangenheit immer wieder, mehr zu einem Output-Ansatz zu streben: Statt kleinteiliger Bauregulierungen sollen etwa beim Klimaschutz CO₂-Höchstgrenzen vorgegeben werden, für dessen Erreichung die Bauindustrie den Weg selbst festlegen kann. Die SPD-Ministerin hofft beim „Gebäudetyp E“ auf eine Win-win-Situation, auch für Mieter: „Davon werden beide Seiten profitieren; die Baubranche, weil Bauen kostengünstiger wird, und die Nutzerinnen und Nutzer, weil es preiswerter wird.“
Meine news
Experte sieht in weniger Bauregulierungen „Schritt in die richtige Richtung“
Und auch Industrie und Branchenverbände begrüßen die anstehenden Neuerungen. Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sagte dazu: „Wir müssen wieder mehr und einfacher bauen. Deshalb ist es richtig, genau hier anzusetzen und gemeinsam mit dem Bundesbauministerium und weiteren Partnern den ‚Gebäudetyp E‘ in die Praxis zu bringen, ein wichtiger Lösungsansatz für bezahlbares Wohnen in Deutschland.“
Letzteres hofft auch Roman Heidrich, Wohnimmobilienexperte des Unternehmens JLL. Dass durch den neuen Gebäudetyp mit weniger Standards gebaut werden darf, führt seiner Einschätzung nach zu mehr Bauaktivitäten, „was den Mietwohnungsmarkt entlasten würde“, wie der Fachmann gegenüber IPPEN.MEDIA erklärt. „Zudem führt eine Absenkung der Baupreise dazu, dass die Wohnungen günstiger vermietet werden können.“
In Zeiten vieler Negativnachrichten auf dem deutschen Wohnungsmarkt spricht Heidrich mit den Neuerungen von einem „Schritt in die richtige Richtung“, sieht jedoch noch offene Fragen. „Interessant wird sein, wie sich der ‚Gebäudetyp E‘ in die bestehende Förderkulisse einfügt. Welche Wohnungsbauförderungen damit noch möglich sind und welche eventuell nicht mehr.“