Prozess wegen Totschlag: Hat Mindelheimer seine Mutter erwürgt? – Bruder des Angeklagten sagt aus

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Augsburg & Schwaben
  4. Kreisbote Allgäu

Kommentare

Beim letzten Verhandlungstag vor dem Memminger Landgericht sagte unter anderem der Bruder des Verdächtigen aus. © Wiethaler

Einblicke in das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter, die er mutmaßlich erwürgt haben soll, gab der dritte Verhandlungstag vor dem Memminger Landgericht.

Mindelheim/Memmingen – Zu Tode gekommen war die 87-Jährige vergangenes Jahr kurz nach Weihnachten. Ihr Sohn, der jetzige Angeklagte, war damals auf der Polizeiinspektion Mindelheim erschienen und hatte angegeben, seine Mutter getötet zu haben. Als Nebenkläger tritt bei dem Prozess der jüngere Bruder des Angeklagten auf, der Ende vergangene Woche aussagte.

Prozess wegen Totschlag vor Memminger Landgericht – Hat ein Mindelheimer seine Mutter getötet?

Der 62-Jährige zeichnete vor Gericht ein umfassendes Bild seines Bruders. Dieser habe ursprünglich auf dem Bauernhof gewohnt, den seine Eltern früher betrieben hatten. Er selbst wohnt mit Frau und Kindern in einer Gemeinde im Unterallgäu. Nachdem es auf dem Bauernhof nicht mehr möglich war zu wohnen – unter anderem gibt es keine Heizung – habe der Bruder öfter bei ihren Eltern übernachtet. Als ihr Vater verstarb, hielt sich der Angeklagte immer mehr in dem Einfamilienhaus, in dem seine Mutter dann allein lebte, auf. Sein Bruder und seine Mutter seien voneinander abhängig gewesen, erklärte der Bruder des Angeklagten. Seine Mutter brauchte ihn als Fahrer, zum Einkaufen und Rasenmähen. Der Bruder sei hingegen froh gewesen, dass ihre Mutter sich um die Wäsche und das Kochen gekümmert habe. Natürlich sei es bei den beiden immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. „Das liegt auf der Hand“, so der 62-Jährige. Sein Bruder habe bereits vor dem Tod des Vaters dem Alkohol zugesprochen. Die Familie sei deswegen bei einer Suchtberatung gewesen. Jedoch gab es ohne die Bereitschaft seines Bruders keine Möglichkeit für eine Behandlung.

In der Folge habe der Alkoholkonsum des Angeklagten zugenommen. Wie der 62-Jährige berichtete, habe sein Bruder randaliert und Dinge zertrümmert. Seine Mutter sei aber der Überzeugung gewesen, dass er gegen sie nie die Hand erheben würde. Zu verbalen Angriffen auf die Mutter sei es durch seinen Bruder aber immer wieder gekommen. Er selbst habe Angst um sie gehabt, so der Nebenkläger, der bereits von seinem Bruder angegriffen worden sei. Nachdem er Zeuge eines verbalen Ausfalls seines Bruders geworden war, habe er seiner Mutter empfohlen, dass sie ihn „rauswerfen“ solle. „Das hast du nicht verdient“, habe er seiner Mutter gesagt. Diese habe ihren eigenen Sohn aber nicht des Hauses verweisen wollen.

Bruder des Angeklagten sagt aus – „Das werde ich ihm nie verzeihen“

Auch auf die Sammelleidenschaft des Angeklagten ging der Zeuge ein. Der Bauernhof sei „zugemüllt bis unters Dach“. In puncto Geld sei es seinem Bruder ebenfalls „nur ums Haben“ gegangen. Bei der Mutter habe er keine Miete zahlen müssen und auch sonst habe er sich nichts geleistet. Bei Geschenken, zum Beispiel für seine Neffen, sei der Beschuldigte aber nicht geizig gewesen. Das Thema Erbe sorgte allerdings für Streit. Schon vor dem Tod ihres Vaters habe sich der Nebenkläger dafür eingesetzt, dass ihre Eltern sich um ihren Nachlass kümmern. Sein Bruder habe daraufhin gedroht: „Dann häng ich mich auf!“ Später seien seine Mutter, er und der Angeklagte aber doch zu einem Steuerberater gegangen. Aus steuerlichen Gründen hätte man ihnen empfohlen, dass er alles bekommen solle. Sein Bruder hätte im Gegenzug lebenslanges Wohnrecht in dem Einfamilienhaus, Mieten aus weiteren Immobilien der Eltern und Pachten erhalten. Obwohl der Mutter sehr daran gelegen war, dass er nach ihrem Ableben gut versorgt ist, sei der Angeklagte mit der Regelung nicht einverstanden gewesen. Hier sieht der Bruder des Beschuldigten auch ein mögliches Tatmotiv: Am 7. Januar sei ein Notartermin vereinbart gewesen, von dem sein Bruder jedoch nichts wusste. Vor Gericht sagte der 62-Jährige, dass er felsenfest davon überzeugt sei, dass das der Auslöser für die Tat war. „Wann anders war er auch betrunken und hat ihr nichts getan.“ Wahrscheinlich habe ihre Mutter dem Angeklagten an diesem Abend vom Notartermin erzählt.

Sein Bruder habe aber auch gute Seiten, versicherte der Nebenkläger. Zum Beispiel habe er ihm viel beim Bau seines Hauses geholfen. Zudem gab der Zeuge an, dass er stets von seinen Eltern bevorzugt wurde. „Ich habe immer zu meinen Eltern gesagt: ‚Ihr habt zwei Söhne‘“, so der 62-Jährige. Stark zu schaffen habe dem Angeklagten außerdem der Einbruch in den Bauernhof gemacht, bei dem mehrere 10.000 Euro vom Ersparten des Beschuldigten gestohlen wurden. Auch habe sein Bruder niemanden zum Reden gehabt. Er könne nachvollziehen, dass er als Ventil zum Alkohol gegriffen habe. „Das ist aber keine Rechtfertigung, seine Mama zu töten. Das werde ich ihm nie verzeihen“, betonte der 62-Jährige.

Mindelheimer steht wegen Totschlag vor Gericht – Weitere Verhandlungstage angesetzt

Vom Aufeinandertreffen mit dem Angeklagten am Nachmittag des Tattags berichtete die Schwägerin des Beschuldigten. Ihr Mann, einer ihrer Söhne und sie selbst hätten die 87-Jährige spontan auf einen Kaffee besucht. Als die Frau des Nebenklägers noch eine Besorgung machen wollte, traf sie draußen auf ihren Schwager. So betrunken, wie an diesem Tag, habe sie ihn noch nie erlebt, sagte sie im Zeugenstand. Des Weiteren habe der Angeklagte von einem nicht vorhandenen Galgen gesprochen. Der Bruder ihres Mannes sei ein „herzensguter Mensch“, so die Zeugin. Allerdings sei er irgendwann im Leben falsch abgebogen. Durch das Verhalten des Angeklagten war es bereits zu mehreren Polizeieinsätzen gekommen, berichtete der Polizist, der die Ermittlungen im Todesfall der 87-Jährigen geführt hatte.

Dass sich das Zusammenleben von Mutter und Sohn nach dem Diebstahl verschlechtert habe, berichtete auch eine Freundin der Verstorbenen. Zunächst habe die 87-Jährige sehr positiv über ihn gesprochen, aber in letzter Zeit habe ihre Freundin Angst vor ihrem Sohn gehabt. Vielleicht, so vermutete die Zeugin, hätte die Rentnerin ihrem Sohn weniger Aufgaben geben sollen. Die Erledigung dieser sei ein wiederkehrender Streitpunkt gewesen. Letztendlich kümmerte sich der Angeklagte zwar um alles, oft musste seine Mutter aber mehrmals nachfragen. Verstehen, warum der Sohn die Mutter immer wieder warten ließ, konnte die Zeugin allerdings auch nicht.

Drei weitere Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt.

Mit dem Kreisbote-Newsletter und dem Kurier-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App sowie der neuen „Kurier“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten aus der Allgäuer Region informiert.

Auch interessant

Kommentare