Neue Bauernproteste drohen: „Dann kommt es zur Eruption“

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Nach den Bauernprotesten könnte vor den Bauernprotesten sein. Verbandspräsident Rukwied verschärft den Ton – schon ab Montag drohen neue Streiks.

Berlin – Die Protestwoche der Bauern ist vorbei, der Streit zwischen Landwirten und der Bundesregierung von Olaf Scholz ist allerdings längst nicht beigelegt. Ausgerechnet jetzt steht mit der „Grünen Woche“ die weltweit größte Agrarmesse in Berlin an. Und der Konflikt der Parteien über die Kürzung der Agrardiesel-Subventionen droht auch die Messe zu überschatten. Sogar erneute Streiks und Proteste sind wieder Thema.

Die Drohung des Bauernverbands bleibt auch nach der Großkundgebung vom Montag, auf der Bundesfinanzminister Christian Lindner heftigen Gegenwind bei seiner Rede bekam, gleich. Es würden weitere bundesweite Aktionen folgen, wenn die Ampel-Koalition die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel nicht zurücknehme. Bereits zuvor hatte der Bauernverband um Präsident Joachim Rukwied einen „Januar, wie ihn das Land noch nie erlebt hat“, angekündigt. Nun, zum Start der „Grünen Woche“, verschärft sich der Ton erneut.

Neue Bauernproteste schon ab Montag? Rukwied warnt: „Dann kommt es zur Eruption“

Als „Vorbeben“ bezeichnete Rukwied die bisherigen Proteste am Donnerstag in Berlin – und schickte sogleich noch eine Drohung hinterher: „Wenn sich nichts verändert, dann kommt es möglicherweise zur Eruption.“ Laut Rukwied wolle man ab kommenden Montag „mit Aktionen, und zwar flächendeckend in der ganzen Bundesrepublik, fortfahren“, falls die sich bei ihrer Haushaltsbereinigungssitzung nicht auf ein für die Bauern positives Ergebnis einige. Am Donnerstagabend erzielte die Ampel dann eine Haushaltseinigung – die Kürzung der Agrardieselsubventionen blieb erhalten. Neue Streiks könnten also schon bald vor der Tür stehen. Laut Rukwied gelte aber auch bei neuen Protesten: „Wir wollen Nadelstiche setzen, die weh tun, aber in keinster Weise eskalieren oder radikalisieren.“ Details nannte er nicht.

Neue Bauernproteste schon ab Montag? Verbandspräsident Rukwied verschärft den Ton.
Neue Bauernproteste schon ab Montag? Verbandspräsident Rukwied verschärft den Ton. © dpa | Sebastian Gollnow + dpa | Kay Nietfeld (Montage)

Mehrere Landwirtschafts- und Umweltorganisationen im sogenannten Agrarbündnis hatten am Donnerstag Verständnis für die Wut der Agrarbranche geäußert. Gleichzeitig warnte das Bündnis bei der Vorlage seines jährlichen „Kritischen Agrarberichts“ davor, dass mit dem Streit über den Agrardiesel die grundlegenden Probleme in der Landwirtschaft übergangen würden.

Bauern drohen bereits mit weiteren Protesten – Özdemir setzt derweil auf alternative Erleichterungen für Landwirte

Die Ampel-Koalition setzt auf eine Beilegung des Konflikts durch andere Erleichterungen für die Landwirtschaft. Agrarminister Özdemir warb für parteiübergreifende Lösungen, um Rahmenbedingungen für die Branche zu verbessern. Man habe nun die Möglichkeit, alle auf die Bäume zu treiben, sagte der Grünen-Politiker im Bundestag. „Oder aber wir arbeiten alle gemeinsam konstruktiv daran, dass die deutsche Landwirtschaft zukunftsfest aufgestellt ist.“ Bauern könnten Natur- und Tierschutz und zugleich hochwertige Lebensmittel herstellen. „Aber den Aufwand, den muss ihnen dann halt auch jemand bezahlen.“

Özdemir machte sich erneut dafür stark, eine sichere Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung mit einem „Tierwohlcent“ auf den Weg zu bringen. Die Stellung der Bauern in der Kette bis zum Handel müsse gestärkt werden. Der Bundestag nahm einen Entschließungsantrag der Ampel-Fraktionen an, der mögliche Erleichterungen benennt. Damit wird die politische Zusage formuliert, „im ersten Quartal 2024 konkrete Vorhaben aufzulisten“ und bis zum Sommer zu beschließen.

Aus Sicht des Agrarbündnisses ist dieser Plan zu langfristig gefasst. Es brauche jetzt Antworten auf die Krise der Branche und nicht erst im Sommer, betonten die Organisationen. Konkrete Ideen lägen auf dem Tisch. Sie müssten endlich umgesetzt werden. „Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt, jetzt muss die Regierung nur noch schießen“, sagte der Geschäftsführer des Agrarbündnisses, Frieder Thomas.

„Persönliche Machtprobe“: Bauernpräsident Rukwied für Proteste in der Kritik

Dem Präsidenten des Bauernverbands, Joachim Rukwied, warfen einige Verbände des Bündnisses eine Verweigerungshaltung vor, sich Debatten über dringende Themen wie das Tierwohl zu verschließen, solange die Agrardiesel-Thematik nicht gelöst sei. „Ich habe den Eindruck, Herr Rukwied macht das gerade zu einer persönlichen Machtprobe“, sagte Carolin Pagel, Referentin für Agrarpolitik beim Anbauverband Bioland.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte, in dem Antrag von SPD, Grünen und FDP stehe keine einzige konkrete Zusage an die Landwirtschaft. Dies sei ein „agrarpolitischer Insolvenzantrag“ der Koalition. Der Agrardiesel sei eine gerechte Maßnahme und keine klimaschädliche Subvention. „Nehmen Sie die Steuererhöhung zurück, und Sie bekommen Ruhe in dieses Land“, sagte Dobrindt. CDU-Chef Friedrich Merz warf der Bundesregierung eine Politik gegen den ländlichen Raum vor. Die Demonstrationen seien „Ausdruck einer immer größer werdenden Unzufriedenheit und eines aufgestauten Frustes“.

Die Agrarmesse Grüne Woche öffnet für Besucherinnen und Besucher an diesem Freitag. Zehn Tage lang können sie auf dem Messegelände unter dem Funkturm große und kleine Tiere erleben, regionale Spezialitäten ausprobieren oder sich über Berufe in der Landwirtschaft informieren. Bei der diesjährigen Ausgabe der Messe präsentieren sich rund 1400 Aussteller aus 60 Ländern. (han/dpa)

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