Schlagstöcke, irrende Touristen, kaum einer zahlt: Venedigs Touri-Gebühr startet mit Chaos
Venedig bittet Tagestouristen zur Kasse: Die Stadt hat die Welt-Neuheit offiziell gestartet – der Auftakt war allerdings gelinde gesagt holprig.
Venedig – Es ist weltweit einmalig, was in einer der größten Touristenhochburgen am Donnerstag offiziell an den Start ging: Die Stadt Venedig verlangt von nun an als erste Stadt der Welt Eintritt von Tagestouristen. Schon lange kämpfte der Ort um das Projekt, das jetzt endlich gestartet ist. Allerdings sah der erste Tag mehr nach Chaos, denn nach Entspannung für die engen Gassen zwischen den Kanälen aus. Ein erstes Fazit.
Zum Start hatten die städtischen Behörden Infostände aufgestellt, an denen die Ankömmlinge vom Festland empfangen wurden. Immer wieder gab es dort Nachfragen, wer jetzt bezahlen muss und wie das geschieht. Grundsätzlich gilt, dass für alle Tagesgäste in der Zeit zwischen 8.30 Uhr und 16.00 Uhr fünf Euro fällig werden. Dazu soll man sich übers Internet einen QR-Code besorgen und aufs Handy laden. Andernfalls können bis zu 300 Euro Strafe fällig werden.
Venedig bittet Tagestouristen zur Kasse – Reisende irren am Bahnhof umher
Bürgermeister Luigi Brugnaro versprach zum Auftakt jedoch „sehr sanfte Kontrollen“. In den ersten Stunden ging es jedenfalls ohne Geldbuße ab. Zugleich bat der Mitte-Rechts-Politiker um Verständnis: „Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten. Aber wir können nicht nur reden. Wir haben die Pflicht, die Stadt den nächsten Generationen zu erhalten.“

Reibungslos lief das ganze allerdings nicht. Nach der Ankunft irrten rund um den Bahnhof Touristen samt Rucksäcken und Koffern umher, unsicher, ob sie nun Geld bezahlen müssen oder nicht. Die Sorge, dass man nicht in die Stadt käme, bleibt weiterhin unbegründet. Das zunächst an 29 bestimmten Tagen bis Mitte Juli angesetzte Projekt hat keine Obergrenze vorgesehen. Jeder, der zahlt, darf hinein. Aber das mit dem Zahlen scheint noch nicht ganz hinzuhauen.
Fünf Euro Eintritt für Venedig-Tagestrip: 113.000 Personen angemeldet – nur 15.700 zahlen
Wie es von Seiten der Verwaltung hieß, meldeten allein für den Donnerstag 113.000 Menschen ihren Aufenthalt in der nicht einmal 50.000 Einwohner umfassenden Stadt in Italien an. Nur 15.700 zahlten allerdings tatsächlich die Gebühr von fünf Euro. Alle anderen Personen sind demnach Einheimische, Übernachtungsgäste oder von Ausnahmeregelungen betroffene Personen wie Pendler oder Kinder.
Neben der Verwirrung unter den Touristen gab es außerdem auch Unmut in der Bevölkerung. Wie etwa La Repubblica berichtet, kam es zu Protesten innerhalb der Stadt. Die Demonstration sei genehmigt gewesen, allerdings in einer versteckteren Ecke der Stadt. Die Prozession habe sich daher in belebtere Teile begeben, die Libertà-Brücke und blockiert und seien an der Piazzale Roma von Polizisten in Empfang genommen worden. Diese soll die Personen gewaltsam zurückgedrängt haben, Schlagstöcke kamen zum Einsatz.
Demonstration gegen Venedig-Pauschale – Polizei setzt Schlagstöcke ein
Zuvor sollen die Demonstranten laut dem Bericht der Repubblica gefälschte Eintrittskarten mit der Aufschrift „Willkommen in Venedig“ verteilt haben. Auf Bannern waren Sprüche wie „Nein zum Ticket, Ja zu Häusern und Dienstleistungen für alle“ und „Venedig wird nicht verkauft, es wird verteidigt“ zu lesen.
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Die Reaktionen auf die Einführung des Tickets sind derweil durchaus verschieden. Etliche Bürger, auch über die Gruppierung der Protestierenden hinaus, glauben nicht, dass die Regelung dem Massentourismus – jährlich kommen bis zu 15 Millionen Gäste in die Lagunenstadt – Einhalt gebieten kann. Ebenso stört sie die Kontrollen, von denen auch Einheimische betroffen sind.
Venedig-Touristenpauschale ein Erfolg? Stadtrat zieht positives erstes Fazit
Die Verantwortlichen der Stadt um Bürgermeister Brugnaro hingegen werten den Auftakt trotz aller Widrigkeiten als Erfolg. „Wir sind die Ersten, die ein konkretes System zur Steuerung der Touristenströme in die Praxis umgesetzt haben“, werden etwa die Stadtrats-Mitglieder Simine Venturini und Michele Zuini zitiert. Man sei sich allerdings auch bewusst, dass die Regel noch verbesserungswürdig sei.
Die Regelung trat am Donnerstag in Kraft, weil am 25. April in Italien mit einem Feiertag an das Ende der deutschen Besatzung 1945 erinnert wird. Wegen des Feiertags am 1. Mai nutzen viele Italiener die kommenden Tage für ein extrem langes Wochenende. Zudem wird am Sonntag in Venedig hoher Besuch erwartet: Papst Franziskus kommt für ein paar Stunden in die Stadt, um die Kunst-Biennale zu besuchen. Für das Oberhaupt der katholischen Kirche gilt selbstverständlich eine Ausnahme: Franziskus muss nichts bezahlen. Neben der Gebühr gibt es in Venedig übrigens noch zahlreiche Vergehen, die für Touristen teuer werden können. (han/dpa)