Grundsteuer-Irrsinn - Hausbesitzer ist plötzlich fast Millionär - aber nur für das Finanzamt

Klaus G. aus Mönchengladbach kaufte vor genau 30 Jahren ein Grundstück im nordrhein-westfälischen Mönchengladbach. Knapp 400.000 Mark (umgerechnet rund 205.000 Euro) hat er dafür investiert. Den Kredit dafür zahlt er erst 2020 zurück. „Dafür habe ich damals zwei Bausparverträge gekündigt“, erzählt der heute 62-Jährige.

Auf dem 420 Quadratmeter großen Grundstück befanden sich ein 1972 erbautes Häuschen und eine zur gleichen Zeit errichtete Garage. Hinzu kamen zwei Apfelbäume. Im Laufe der Jahre hat G. viel Geld in den Ausbau und die Renovierung investiert. Eine Terrasse kam hinzu, Solarpaneele aufs Dach, die Garage wurde verdoppelt, um ein zusätzliches Motorrad und das Werkzeug unterzubringen. „Wir haben unser Traumhaus mit viel Mühe und Geld hergerichtet“, sagt der Fließbandarbeiter.

Außerdem wünschte sich seine Frau ein kleines Saunahäuschen mit Whirlpool. Dieses wurde dann auch gleich neben der Terrasse gebaut.

Wegen Grundsteuer: Millionär nur auf dem Papier

Mit der neuen Berechnungsmethode wird das Grundstück der Familie nun auf stolze 970.000 Euro geschätzt - ein Sprung um mehr als das Dreifache gegenüber dem Wert von 305.000 Euro im Jahr 2021. „Das ist unglaublich. Wir wussten zwar um die Wertsteigerung, aber dass sie so extrem ausfallen würde, hätten wir nicht gedacht“, sagt der 62-jährige Familienvater im Gespräch mit FOCUS online.

Für die Familie, die seit Jahrzehnten in ihrem Haus wohnt, ist die Entwicklung allerdings kein Grund zur Freude. „Wenn sich die Grundsteuer tatsächlich verdreifacht, haben wir ein echtes Problem. Das können wir uns nicht leisten, dann bleibt uns nur der Verkauf“, sagt G. besorgt. „Millionär bin ich dann nur auf dem Papier.“

Doch wie realistisch ist eine solche Steuererhöhung? Experten halten eine Verdreifachung der Grundsteuer zwar für unwahrscheinlich, dennoch müssen Haushalte in einigen Fällen mit einer Erhöhung rechnen. „Die bisherige Grundsteuer basierte auf veralteten Werten, die nicht mehr den aktuellen Marktverhältnissen entsprechen“, sagt ein Steuerexperte. Die nun aktualisierten Werte spiegeln den tatsächlichen Marktpreis wider, was zwangsläufig zu einer Anpassung der Steuerlast führen wird.

G. ist kein Einzelfall! Immer mehr Hausbesitzer klagen über   hohe Wertbescheide durch das Finanzamt - und in einigen Fällen durch die Kommune. Die Entwicklung. hätte auch Auswirkungen für Mieter

Kommunen könnten hohe Wertbescheide beeinflussen

Während die Finanzämter in vielen Fällen die Grundstücke deutlich höher bewerten, können nun Kommunen diese höheren Bewertungen mit einem niedrigeren Hebesatz beeinflussen. Tatsächlich kündigten erste Gemeinden bereits an, die Hebesätze für 2025 zu senken. Damit soll die sogenannte „Aufkommensneutralität“ gewährleistet werden. Die Bundesregierung und die Landesregierungen hatten beschlossen, dass die neue Reform nicht zu höheren Einnahmen für die Gemeinden und Kommunen – zu Lasten der Immobilienbesitzer führen wird. Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen.

Der Hebesatz ist die Bezeichnung für den Faktor, mit dem ermittelt wird, welche Steuern Immobilienbesitzer zahlen müssen - nach der Grundsteuerreform wird die Steuer nun neu berechnet. Die Grundsteuer B wird deutschlandweit reformiert, von 2025 an gelten neue Berechnungsgrundlagen.

36 Millionen Grundstücke wurden neu bewertet

Für die Berechnung der neuen Grundsteuer mussten bundesweit rund 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Vom 1. Januar kommenden Jahres an soll die neue Berechnung greifen. Die Reform geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2018 zurück, wonach die bisherige Bemessungsgrundlage in Deutschland verfassungswidrig ist. Bis zuletzt kalkulierten die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage völlig veralteter Daten (West 1964), Ost (1935).

Für die Neuberechnung mussten Eigentümer Angaben einreichen. Das ging etwa über das Meldeportal Elster, das viele von Steuererklärungen kennen.

Ursprünglich war als Abgabefrist der Grundsteuererklärung Ende Oktober 2022 gesetzt gewesen. Wegen des schleppenden Eingangs wurde die Frist aber in fast allen Bundesländern bis Ende Januar 2023 verlängert. 

Die Ministeriumssprecherin betonte, dass der Städte- und Gemeindetag MV sich dazu bekannt habe, dass die Reform aufkommensneutral umgesetzt werden soll, die Kommunen in Summe also nicht mehr oder weniger Einnahmen haben als vor der Reform.