Quartierpflege in Benediktbeuern: „Notfallplan“ mit der Nachbarschaft
Der Benediktbeurer Gemeinderat setzte sich mit dem Konzept der Quartierpflege auseinander. Idee des Landratsamts: Fürsorge, Hauswirtschaft und Pflege durch die vertraute Nachbarschaft des Pflegebedürftigen abdecken. Zu anerkennenden Worten mischten sich zweifelnde Stimmen.
Benediktbeuern – „Wenn Sie eine bessere Idee, haben, lassen Sie es mich wissen“, sagte Landratsamtsvertreterin Christine Bäumler in der Sitzung des Gemeinderats Benediktbeuern. Die Mitarbeiterin im Fachbereich Senioren an der Tölzer Kreisbehörde musste am Ende ihrer Präsentation einigen Skeptikern entgegenrudern. Als lediglich einen „Notfallplan“ bezeichnete Bäumler das Konzept der Quartierpflege. Es sieht vor, Fürsorge, Hauswirtschaft und Pflege durch die vertraute Nachbarschaft des Pflegebedürftigen abzudecken. „Damit wollen wir nicht nur dem allgemeinen Pflegenotstand begegnen, sondern in erster Linie pflegende Angehörige entlasten.“
Der Gemeinderat Benediktbeuern diskutierte das Konzept der Quartierpflege für das Klosterdorf
Die Ansprechpartnerin für Seniorenfragen hat Mütter, Schüler, Studenten oder Rentner im Blick, welche gegen Bezahlung einfache Leistungen wie Körperpflege, Zubereitung des Essens oder Fahrdienste für den Pflegebedürftigen übernehmen. Pro Quartier, in diesem Fall Benediktbeuern, brauche es eine Fachkraft, welche die „Halbprofis anleitet und koordiniert“, erklärte Bäumler. Die Kosten für die koordinierende Stelle lägen in etwa bei denen, die für den Quartiersmanager aufzuwenden wären (Rundschau berichtete). Notwendig sei die Gründung eines ambulanten Pflegedienstes, der einen Vertrag mit den Pflegekassen schließt.
Beispiel in Landsberg
Die Landratsamtsmitarbeiterin berichtete über ein Pilotprojekt in Landsberg am Lech. „Dort wurde bereits ein Pflegedienst gegründet“, so Bäumler. Sie sei in engem Kontakt mit den dortigen Betreibern. „Wir könnten uns sozusagen komplett an den Pflegedienst in Landsberg anhängen.“ Im Gespräch mit der Rundschau vertiefte Bäumler ihre Vision. „Ich hoffe auf mindestens vier, besser fünf Gemeinden im Landkreis, die mitmachen.“ Dadurch ließen sich optimal Synergieeffekte mit der bereits anlaufenden Quartierpflege in Landsberg nutzen.
Sorge vor „Vollkaskomentalität“
Im Anschluss an Bäumlers Plädoyer im Gemeinderat für die Quartierpflege in Benediktbeuern forderte Hans-Otto Pielmeier (CSU), dass auch Kinder pflegebedürftiger Eltern eingebunden werden sollten. Wenn eine Quartierpflege den Angehörigen alles abnehme, fürchte er die Gefahr einer „Vollkaskomentalität“. Pielmeier schlug vor, das Konzept „auf das wirklich Notwendige“ einzugrenzen. „Die Gefahr von Vollkasko sehe ich nicht“, entgegnete Bäumler. Es gehe vornehmlich um „Angehörige, die über ihre Grenzen gehen“. Zudem könne die Pflege der Eltern durch die Kinder weder pauschal eingefordert werden, noch sei sie in jedem Fall zumutbar. „Was machen Sie mit Familien, wo seit 30 Jahren kein Kontakt mehr zwischen den Angehörigen besteht?“, warf Bäumler ein.
Gibt es genug Mitstreiter?
Sandra Rauchenberger (Freie Bürgerliste Miteinander) sagte: „Ich finde die Idee schön, aber ein bisschen idealistisch.“ Sie bezweifelte, dass sich genügend Menschen bereit erklärten mitzumachen. Bäumler zeigte sich zum einen hoffnungsvoll, dass die Bezahlung genügend Anreiz böte. „Zum anderen sehe ich momentan keine andere Lösung“, musste Bäumler eingestehen.
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Auch Kochel im Blick
In den kommenden Wochen will der Benediktbeurer Gemeinderat beraten, ob er sich dem Konzept anschließen möchte. Bäumler erklärte gegenüber der Rundschau, sie werde in der nächsten Zeit versuchen, weitere Gemeinden wie Kochel oder Königsdorf für das Konzept der Quartierpflege zu sensibilisieren.
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