Keine Teilnahme an Wahl? - Auf das große Wagenknecht-Rätsel in Hamburg gibt es jetzt eine Antwort
„Lassen Sie uns zunächst einmal unseren Landesverband gründen“, sagt die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Hamburger Linken-Chefin Żaklin Nastić schmallippig.
Das wäre Voraussetzung für einen Wahlantritt des BSW in Hamburg, doch nicht einmal dafür ist ein Termin in Sichtweite. Dabei müsste eine Kandidatur des BSW dem Landeswahlleiter bis zum 2. Dezember angezeigt werden. Die Zeit wird knapp.
Tritt BSW nicht an? Parteispitze will wohl keine Schlappe riskieren
Wer hinter die Kulissen schaut, ahnt: Das BSW tritt in Hamburg nicht an. Vor allem der BSW-Bundesvorstand blockiert eine Teilnahme an der Bürgerschaftswahl. Das liegt daran, dass die BSW-Spitze bei der letzten Landtagswahl vor der Bundestagswahl keine Schlappe riskieren will – 4,9 Prozent wie bei der Europawahl in Hamburg wären nicht genug.
Und auch Nastić zeigt an einer Wahl wenig Interesse: Sie will unbedingt auf dem BSW-Ticket erneut in den Bundestag einziehen.
Und schon die Gründung eines Hamburger BSW-Verbandes, der laut Parteiengesetz nach demokratischen Prinzipien geführt werden müsste, könnte diese Ambition gefährden.
BSW: „Geheimcastings hinter verschlossenen Türen“
„Das Hamburger BSW ist heute eine Mischung aus Kaderpartei und elitärer Loge“, erklärt eines seiner Mitglieder. Was damit beginnt, dass das BSW nur handverlesene Bewerber in die Partei lässt. Mehrere Hundert Hamburger stellten bereits einen Mitgliedsantrag, nur 27 von ihnen wurden in die Partei aufgenommen.
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Unter ihnen dominieren ehemalige oder aktuelle Mitarbeiter und Weggefährte von Nastić. In „Geheimcastings hinter verschlossenen Türen“, berichtet ein BSW-Mitglied, würden andere Beitrittskandidaten von Nastić & Co. auf Herz und Nieren geprüft und dann oft abgelehnt. So soll gewährleistet werden, dass Hamburg strikt auf Parteilinie bleibt und Nastić keine Konkurrenz bekommt.
Hamburger BSW eine „Micky-Maus-Partei“?
So wie in Schleswig-Holstein, wo die Gründung des BSW-Landesverbandes im Oktober kurzerhand auch deswegen abgesagt wurde, weil Gegenkandidaturen zu dem von der Berliner Spitze vorgesehenen Führungspersonal angekündigt waren.
„Nicht einfach jeder kann kommen, wir möchten mit den Menschen zusammenarbeiten, die für unsere politischen Schwerpunkte brennen“, rechtfertigt Nastić diese Praxis.
"Diamanten" sind besonders begehrt
Besonders begehrt sind da Promis aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die im Parteisprech „die Diamanten“ heißen. Dazu gehören in Hamburg der einstige Neue-Deutsche-Welle-Star Joachim Witt („Ich war der goldene Reiter“) und Torsten Teichert, einst Vizepräsident der Handelskammer.
Doch Teichert, der schon als möglicher BSW-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl gehandelt wurde, kehrte der neu gegründeten Partei bereits im Juli wieder den Rücken.
Heute bezeichnet er seinen Parteieintritt als „großes Missverständnis“ und das Hamburger BSW als „Micky-Maus-Partei mit vollkommen undemokratischen Strukturen“.
„In dem kleinen Hamburger Zirkel bestimmen alleine Nastić und wenige Getreue, andere Mitglieder haben keinerlei Mitbestimmungsrechte im BSW“, beklagt ein Betroffener. Wer bei Nastić in Ungnade gefallen sei, werde nicht mehr über Mitgliederzusammenkünfte informiert und so von jeglicher Mitarbeit ausgeschlossen.
Aufgrund dieser Praktiken zogen zwei Hamburger BSW-Mitglieder, beide Juristen, vor die Bundesschiedskommission des BSW, erhielten aber – erwartungsgemäß – eine Abfuhr.
Nun wird dieser BSW-interne Demokratie-Streit in einigen Wochen vor einem Berliner Gericht ausgetragen werden – zum ersten Mal nicht hinter verschlossenen Türen.
Von Marco Carini
Das Original zu diesem Beitrag "Warum Wagenknechts strenge Dienerin Nastić die BSW-Kandidatur in Hamburg verhindert" stammt von Hamburger Morgenpost.