Gerichts-Urteil für Bürgergeld-Empfänger entscheidend: Jobcenter muss in besonderem Fall Nachzahlung leisten

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Weiterbildungskosten dürfen nicht zu finanziellen Nachteilen führen. Das Landessozialgericht NRW stuft sie als notwendige Ausgaben ein.

Essen – Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat in einem Urteil entschieden, dass Jobcenter die Kosten für berufsbegleitende Weiterbildungen als notwendige Ausgaben vom Einkommen abziehen müssen. Dies führt zu höheren Leistungen nach dem SGB II für die Betroffenen. Das Urteil wurde am 8. November 2022 gefällt, es dürfte aber auch für Bürgergeld-Empfänger richtungsweisend sein.

Urteil auch für Bürgergeld-Empfänger von bedeutung – Jobcenter muss Weiterbildungskosten zahlen

Das Landessozialgericht stellte klar, dass Beschäftigte, die parallel eine Weiterbildung absolvieren, nicht dadurch benachteiligt werden dürfen, dass sie ihr Gehalt unmittelbar für verpflichtende Ausbildungsgebühren einsetzen müssen. In dem verhandelten Fall musste das Jobcenter Köln einem Psychologen monatlich 450 Euro für seine Psychotherapeuten-Ausbildung zusätzlich zahlen – rückwirkend für acht Monate, was einer Nachzahlung von insgesamt 3.600 Euro entspricht, berichtete die Plattform gegen-hartz.de. Das Portal geht davon aus, dass somit auch Bürgergeld-Empfänger auf Basis des Urteils mehr finanziellen Spielraum haben werden.

Übrigens kann nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg von 2024 der Anspruch auf Bürgergeld vollständig entfallen, wenn angeforderte Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt werden.

Das Landessozialgericht NRW in Essen
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Essen (Symbolbild) © Caroline Seidel/dpa

Berufsbegleitende Weiterbildung: Jobcenter erkannte Ausbildungskosten nicht an

Der Kläger hatte nach seinem Master-Abschluss eine dreijährige berufsbegleitende Ausbildung zum Psychotherapeuten begonnen. Während seiner Tätigkeit in einer Klinik musste er neben den üblichen Lebenshaltungskosten wie Miete, ÖPNV-Ticket und Versicherungen auch die monatlichen Ausbildungsraten von 450 Euro finanzieren.

Der Mann arbeitet 26 Stunden pro Woche praktisch im LVR-Klinikum Essen. Sein Bruttogehalt lag bei 1.000 Euro, davon bleiben ihm netto 799 Euro. Die Ausbildungskosten betrugen insgesamt 16.200 Euro und waren in 36 monatlichen Raten zu je 450 Euro fällig.

Das Jobcenter Köln hatte bisher nur Fahrt- und Versicherungskosten anerkannt, die Ausbildungskosten jedoch nicht berücksichtigt. Das Amt ordnete die Weiterbildung als Privatsache ein, entsprechende Förderungen seinen dem Eingliederungsbudget nach § 16 SGB II zuzurechnen. Diese Auffassung teilte zunächst auch das Sozialgericht Köln, wie aus der freien juristischen Datenbank openJur hervorgeht.

Gericht bestätigt: Psychotherapie-Ausbildung ist förderungswürdig – Jobcenter muss nachzahlen

Das Landessozialgericht bewertete den Fall anders und begründete dies mit drei zentralen Argumenten: Die Tätigkeit in der Klinik ist integraler Bestandteil der Psychotherapeuten-Ausbildung. Ohne Zahlung der Ausbildungsraten hätte dem Kläger die Vertragskündigung und damit der Jobverlust gedroht. Das Gericht stufte die Maßnahme als berufliche Weiterbildung nach § 77 SGB III ein. Deshalb greift hier nicht die Ausschlussregel des § 7 Abs. 5 SGB II, die nur für Erstausbildungen gilt.

Das Landessozialgericht verurteilte das Jobcenter dazu, dem Kläger rückwirkend monatlich 450 Euro zusätzlich zu zahlen – insgesamt 3.600 Euro. Gegen das Urteil wurde vom Gericht Revision beim Bundessozialgericht (BSG) zugelassen. Auch in einem anderen Fall hat das Landessozialgericht NRW die Rechte von Bürgergeld-Empfängern gestärkt. (jal)

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