Jobcenter streicht Familie nach Hausbau das Bürgergeld – Gerichtsurteil da
Das Jobcenter strich einem Ehepaar das Bürgergeld, weil es zur Zeit ihrer Bezüge ein neues Haus baute und das alte verkaufte. Zurecht, befand ein Gericht.
Celle – Das Bürgergeld soll denjenigen ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen bestreiten können. Doch wo ist die Grenze zu ziehen, wer als hilfsbedürftig gilt und wer nicht? Oft läuft es hierbei auf eine Ermessensentscheidung heraus, die in schwierigen Fällen auch den Weg bis vors Gericht findet.
Das musste auch ein Ehepaar mit fünf Kindern aus dem Emsland erfahren. Die Ehepartner verloren ihren Bürgergeld-Anspruch, weil sie während des Bezugs der Sozialleistung ein neues Haus gebaut hatten – und ihr altes Hausgrundstück für gut 500.000 Euro verkauften.
Gericht streicht siebenköpfiger Familie wegen Hausverkauf das Bürgergeld
Schon in der ersten Januarwoche (7. Januar) resümierte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) im betreffenden Fall: „Das Jobcenter muss nicht Immobilienvermögen von Bürgergeldempfängern optimieren“, wie es in einer beiliegenden Pressemitteilung vom 20. Januar schreibt. Damit untermauerte das Gericht seine Entscheidung, Bürgergeldempfänger gelten nicht als hilfsbedürftig, „wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können“. Auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) berichtete über den betreffenden Fall.
Dem Verfahren ging ein Eilantrag der siebenköpfigen Familie voraus. Diese hatte ihr zuvor bewohntes Haus mitsamt Grundstück für insgesamt 514.000 Euro verkauft, nachdem sie zur Zeit des Bezugs der Sozialleistung ein neues Haus gebaut hatte. Ausgehend von der Höhe des erzielten Verkaufserlöses entschied das Jobcenter, der Familie den Bürgergeld-Anspruch zu verwehren. Dem entgegen argumentierte das Ehepaar per Eilantrag, das neu gebaute Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe deshalb nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden.
Familie hoffte, das Bürgergeld-Urteil per Eilantrag abwenden zu können
Dabei berief sich das Ehepaar aus dem Emsland auch auf die gesetzlich festgelegte Karenzzeit von 12 Monaten, während der auch großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten. Für die jedoch gelten ganz bestimmte Auflagen und Grenzwerte, die letztendlich auch für die Entscheidung des Sozialgerichts entscheidend waren. Wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf seiner Website informiert, ist verwertbares Vermögen „grundsätzlich für den eigenen Lebensunterhalt einzusetzen, bevor Bürgergeld beansprucht werden kann“.
Jedoch gibt es bis hin zu bestimmten Obergrenzen Freibeträge, die vor allem die Rücklagen der Altersversorgung schützen sollen: Dazu zählt angemessener Hausrat ebenso wie ein angemessenes Kraftfahrzeug oder eben ein selbst genutztes Hausgrundstück, das eine sogenannte angemessene Größe nicht übertrifft. Was ein selbst bewohntes Haus oder eine Eigentumswohnung angeht, gilt die Größe eines Hauses als „angemessen“, wenn es eine Wohnfläche von 140 Quadratmetern nicht überschreitet – für Eigentumswohnungen gilt 130 Quadratmeter als Richtwert. Sollten mehr als vier Menschen in der betreffenden Immobilie wohnen, erhöht sich die als angemessen betrachtete Wohnfläche pro Person um weitere 20 Quadratmeter.
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Gericht resümiert: Hausgrundstück der Familie ist kein geschütztes Vermögen
Im Falle der Familie aus dem Emsland waren die zusätzlichen 60 Quadratmeter, die ihr hierfür seitens des Gesetzgebers als „angemessen“ eingeräumt wurden, vor Gericht nicht genug, um den Bürgergeld-Anspruch aufrechtzuerhalten. So pflichtete das Landessozialgericht der Sichtweise der Behörde bei: Die Familie gelte nicht als hilfebedürftig, da ihr neues Hausgrundstück mit seinen 254 Quadratmetern Wohnfläche nicht als geschütztes Vermögen zu werten sei.
Außerdem belaufe sich der Marktwert des neuen Hauses auf 590.000 Euro, wonach dem Ehepaar und seinen Kindern unter Hinzunahme der Grundschuld von 150.000 Euro immer noch ein unbelasteter Wert von 440.000 Euro zur Verfügung stehe. Diese Mittel könne die Familie durch Beleihung zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nutzen, sodass dem Jobcenter keine Pflicht zur weiteren finanziellen Unterstützung der Familie zukommt.
Auch das Argument der einjährigen Karenzzeit, das von der Familie im Eilantrag vorgebracht worden war, wurde vom Gericht abgewiesen. Die Karenzzeit soll, so das Gericht, plötzliche Härten abfedern. Im vorliegenden Fall hätte es die Familie jedoch nicht mehr mit einer unerwarteten Notlage zu tun. Vielmehr seien sie langjährige Bezieher von Sozialleistungen, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen verbessern wollten. Dafür spricht laut Pressemitteilung des Gerichts auch, dass die Familie als Verkaufsgrund für ihre alte Immobilie angab, die Entfernung zum Stadtzentrum sei ihr von dort aus zu weit gewesen (fh)