Harte Kritik an Olaf Scholz für Verkauf von Commerzbank-Anteilen: „Ein Desaster für den deutschen Bankenmarkt“

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Die italienische Großbank UniCredit hat seine Anteile an der Commerzbank auf 21 Prozent aufgestockt – wohl im Wissen der Bundesregierung. Opposition und Branche fürchten wirtschaftsschädliche Konsequenzen.

Frankfurt/Mailand – Was plant die UniCredit-Bank mit der Commerzbank, immerhin Deutschlands zweitgrößter Privatbank? Welchen Weg man einschlage, hänge von der „Zusammenarbeit“ mit den Frankfurter Vorständen und den Aufsichtsräten sowie allen anderen Interessengruppen ab, erklärte der CEO Andrea Orcel und ließ Raum für Spekulationen. Übersetzt könnte es durchaus bedeuten: Mit Anteilen von rund 21 Prozent bestimmen wir als nunmehr größter alleiniger Anteilseigner künftig die Spielregeln rund um die Commerzbank.

Am Montag war die italienische Großbank mit der Nachricht an die Öffentlichkeit gegangen, die bisher neunprozentigen Anteile um weitere 11,5 erhöht zu haben. Weiterhin plane man, diese sogar auf 29,9 Prozent aufzustocken – sofern der entsprechende Antrag von Seiten der Europäischen Zentralbank genehmigt werde.

Olaf Scholz reagiert mit zarter Härte – und spricht von „unerfreulichen Attacke“

Davon zeigten sich schließlich die weiteren Parteien überrascht, darunter auch die Bundesregierung, die mit 12 Prozent als größter Aktionär abgelöst wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach während seiner USA-Reise in New York laut dpa erst von einer „unfreundlichen Attacke“ und dann ganz offen von einer „feindlichen Übernahme“, die für Banken generell keine gute Sache sei. Konkrete Kampfansagen oder Treueschwüre, diese Attacke aus Italien mit allen Mitteln abwenden zu wollen, blieb Scholz allerdings schuldig. Vielmehr erklärte der SPD-Politiker, „dass wir das nicht für ein angemessenes Vorgehen halten in Europa und in Deutschland, dass man gewissermaßen ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache, ohne jede Rückkopplung, versucht, mit unfreundlichen Methoden sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen“.

UniCredit bedient sich beim Bund und wird größter Aktionär – Scholz kündigt interne Untersuchung an

Dabei hatte Orcel vergangene Woche noch gegenüber Bloomberg TV davon gesprochen, dass alle Beteiligten im Vorfeld eingeweiht gewesen seien. Und überhaupt habe seine UniCredit-Bank nur auf den Kurs der Bundesregierung reagiert, die im Zuge der schrittweisen Privatisierung weitere Anteile verkauft hatte. Rund 4,5 Prozent der Anteile habe die italienische Bank daher auch direkt vom Bund erworben.

Der Commerzbank Tower im Bankenviertel von Frankfurt am Main.
Rosige Zukunft für die Commerzbank? Die Auswirkungen des Anteilskaufs der UniCredit sind offen. Experten fürchten Schaden für die deutsche Wirtschaft. © IMAGO / greatif

Pikant ist zudem ein Bericht von Bloomberg, der darauf hindeutet, dass Scholz nicht über den genauen Ablauf des Aktienverkaufs eingeweiht gewesen sei. Dieser habe deshalb eine interne Untersuchung angestoßen, um die Abfolge der Ereignisse zu rekonstruieren. Besonders im Fokus stehe dabei die Tatsache, dass die 4,5 Prozent nur an einen Investor – in dem Fall UniCredit – veräußert wurden. Ursprünglich hatte der Bund im Zuge der weiteren Privatisierung angestrebt, die Anteile auf verschiedene Interessenten zu verteilen – um einen zu starken Aktionär zu verhindern.

Christian Lindner rechtfertigt Verkauf – Robert Habeck gibt sich zurückhaltend

Dieser Schlingerkurs erklärt zumindest die nur sehr zarte Härte von Scholz. Gegensätzlich reagierte hingegen Finanzminister Christian Lindner (FDP), der das Vorgehen verteidigte: „Der Bund kann, darf, will nicht auf Dauer an einer privaten Bank beteiligt sein“, erklärte er im Zuge einer Podiumsdiskussion. Für ihn sei es der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf gewesen, zumal es nicht die Aufgabe der Regierung sei, Industriepolitik zu betreiben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) hielt sich vergangene Woche bedeckter und sprach sich lediglich für einen starken deutschen und europäischen Bankensektor aus.

Umso drastischer fällt dagegen die Reaktion aus der Opposition aus. Der designierte Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, wurde erwartungsgemäß deutlich: „Das ist handwerklich dilettantisch gemacht worden, und im Ergebnis ist es ein Desaster für den deutschen Bankenmarkt.“

Friedrich Merz wird deutlich: „Alles schiefgegangen, was schiefgehen kann.“

Besonders störte den CDU-Vorsitzenden, dass die Bundesregierung die Aktien der Commerzbank nicht etwa zu einem Preis von 26 Euro pro Stück verkauft habe, sondern jene 4,5 Prozent zu 13,20 Euro an die UniCredit verscherbelt habe. Da sei „offenbar alles schiefgegangen, was schiefgehen kann“, echauffierte sich Merz in einer E-Mail, aus der die Süddeutsche Zeitung zitiert. Tatsächlich hatte der Bund über den Verkauf des Aktienpakets rund 702 Millionen Euro eingenommen, die allerdings in den Bankenrettungsfonds Soffin fließen werden. Ursprünglich hatte Regierung im Zuge der Finanzkrise 2008 die Commerzbank mit Kapitalhilfen von 18,20 Milliarden Euro subventioniert, um eine Pleite abzuwenden. 13,15 Milliarden Euro seien davon bisher zurückgeführt worden. Die verbleibenden Anteile des Bundes von 12 Prozent dürften nun noch zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro wert sein, schätzen Experten – womit am Ende tatsächlich ein Verlustgeschäft droht.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der von Merz erwähnte Kaufpreis von 26 Euro pro Aktie wenig realistisch ist. Immerhin ist die Commerzbank ein gesundes Finanzhaus und machte im vergangenen Jahr mit 2,2 Milliarden Euro den höchsten Gewinn seit 15 Jahren – was sich auch in der Entwicklung des Aktienkurses widerspiegelt. In den vergangenen fünf Jahren hat sich dieser verfünffacht.

Boris Rhein kritisiert Bundesregierung und sieht „Ausverkauf unserer Flaggschiffe“

Dennoch forderte Merz den Kanzler auf, weitere Übernahmekäufe aus Italien zu verhindern und zog Parallelen zum Schicksal der Hypovereinsbank (HVB). Diese wurde von der UniCredit 2005 übernommen und ist seitdem völlig in der Versenkung verschwunden. Das könne auch der Commerzbank drohen, was dem Wirtschaftsstandort Deutschland schade.

Ähnlich sieht es CDU-Parteifreund Boris Rhein, Ministerpräsident von Hessen. Dieser erklärte gegenüber dem Handelsblatt, dass ein „Ausverkauf unserer Flaggschiffe“ nicht zugelassen werden dürfe: „Von einem souveränen Finanzplatz Frankfurt profitiert die gesamte deutsche Wirtschaft.“ Der Bundesregierung warf er vor, „einen zentralen Finanzierer des deutschen Mittelstands den Interessen einer ausländischen Bank ausgeliefert“ zu haben.

Insider sieht Gefahr für deutschen Mittelstand – droht gar eine Bankenfusion?

Das Management der Commerzbank warnte die Regierung vor weiteren Verkäufen oder gar einer milliardenschweren Fusion. Ein Insider verriet der Financial Times, dass dadurch in erster Linie die Finanzierung des deutschen Mittelstandes in Gefahr geraten würde. Laut eigenen Angaben finanziert die Commerzbank rund 30 Prozent der deutschen Export-Investments und sei mit Tausenden von Geschäftskunden einer der größten Kreditgeber für die KMUs hierzulande. Insgesamt hält die Commerzbank 26.000 Firmenkundenverbünde sowie knapp 11 Millionen Privat- und Unternehmenskunden in Deutschland. Münde der Ausverkauf in einer Bankenfusion, sei es sehr wahrscheinlich, dass die Orcel ganz nach amerikanischem Vorbild einen „Italien-zuerst“ Ansatz wählen würde – heißt: Die Entscheidungen würden aus der UniCredit-Zentrale in Mailand statt in Frankfurt getroffen.

Eine Verlagerung der Geschäftsinteressen und finanziellen Ressourcen in das südeuropäische Land ginge vermutlich zu Lasten der deutschen Wirtschaft und der Beschäftigten. Dazu sagte der UniCredit-Chef zuletzt vielsagend: Die Commerzbank könne innerhalb der UniCredit einen „erheblichen Mehrwert“ freisetzen, dafür seien allerdings „Maßnahmen erforderlich“. Konkreter wurde es nicht.

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