„Würde Deutschland massiv schaden“: Was die Politik der AfD für die Wirtschaft bedeutet
Die AfD betont oft, für eine florierende Wirtschaft einzustehen. Welche Folgen hätten die AfD-Positionen also für den deutschen Wohlstand? Eine Expertin gibt Antworten.
Berlin – Die AfD will den deutschen Wohlstand bewahren. Das betont die Parteispitze regelmäßig und fordert einen radikalen Kurswechsel der Politik. Doch was würde passieren, wenn AfD-Positionen umgesetzt würden? Für einige Menschen könnte das durchaus ein Plus im Geldbeutel bedeuten. Insgesamt wäre der Schaden für die deutsche Wirtschaft und künftige Generationen aber massiv, warnt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Die Partei erkaufe sich bei Wählern das Recht, „Stück für Stück die Demokratie abzuschaffen.“
Neben Migration geben Menschen in Umfragen oft die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands als ausschlaggebendes Argument für ihr Kreuz bei der AfD an. Das ergab eine repräsentative Erhebung des Meinungsinstituts infratest dimap im Zuge der hessischen Landtagswahl im Herbst 2023. Bei der gleichzeitig stattfindenden Bayern-Wahl waren es besonders Wählerinnen und Wähler der AfD, die die wirtschaftliche Situation im Land für schlecht befanden. Mit ihrer Themensetzung ist die Partei im Aufwind: In aktuellen Bundestrends steht die AfD mit deutlich über 20 Prozent hinter der Union auf Platz zwei.
AfD fordert „ideologiefreie Wirtschaftspolitik“ – und setzt auf neoliberales Programm
Die AfD fordert eine „ideologiefreie Wirtschaftspolitik“. Die Partei wolle „die Wirtschaft von politisch herbeigeführten Belastungen komplett befreien“, hieß es im letzten Bundestags-Wahlprogramm. Konkret bedeutet die vermeintliche Ideologiefreiheit eine ultra-neoliberale Wirtschaftspolitik: Spitzensteuersätze senken, niedrigerer Mindestlohn und ein deutlich dünnerer Sozialstaat. Außerdem will die AfD wieder voll auf russisches Gas setzen, zudem soll EU soll in ein „Europa der Vaterländer“ umgewandelt und Migration auf ein Minimum reduziert werden. Für neue Fachkräfte fordert Parteichef Tino Chrupalla das Gebären von mehr Kindern.

Veronika Grimm hält die AfD-Forderungen nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht für untragbar. Grimm ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg, außerdem eine von fünf sogenannten Wirtschaftsweisen in Deutschland. Sie gehört dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an, der für Öffentlichkeit und Bundesregierung wirtschaftspolitische Gutachten erstellt.
Wirtschaftsweise Veronika Grimm: AfD-Denken ist „kompletter Fehlschluss“
Grimm zufolge sind es besonders zwei AfD-Positionen, derentwegen das Wohlstandsversprechen der Partei nicht aufgeht: „Die Migrations- sowie die Europapolitik der AfD würden dem Wirtschaftsstandort Deutschland und der Sicherheitsstruktur Europas massiv schaden.“ Die Partei pocht auf geschlossene deutsche Grenzen. „Damit suggeriert die AfD den Menschen, es würde ihnen besser gehen, wenn wir weniger Migration haben und das, was da ist, nur unter uns verteilen“, sagt Grimm. „Das ist aber ein kompletter Fehlschluss – wir brauchen Zuwanderung, um ausreichend Arbeitsangebot für nachhaltiges Wachstum und den daraus resultierenden Wohlstand zu haben.“
Dabei gehe es nicht mehr nur um Fachkräfte, betont die Wirtschaftsweise. In Deutschland herrsche mittlerweile ein allgemeiner Arbeitskräftemangel, der nur durch Menschen aus dem Ausland aufgefangen werden könne. Chrupallas Forderung nach mehr deutschen Kindern im Kampf gegen den Fachkräftemangel bewertet Grimm mit einem Wort: „unrealistisch“.
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Expertin: AfD-Forderungen gefährden mehr als den Wohlstand
Eine EU-Umstrukturierung nach AfD-Vorbild, die unter anderem die Abschaffung des Euros und Einführung der „neuen Deutschen Mark“ vorsieht, schätzt Grimm als Gefahr ein. „Dass es uns besser geht, wenn die EU zunehmend erodiert, halte ich für vollkommen weltfremd. In der Vergangenheit – also vor der europäischen Integration, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hat – hat man gesehen, was in einem Europa ohne stabile Allianzen passiert.“
Für die Wirtschaftsweise ist eine rein wirtschaftliche Bewertung der AfD-Positionen nicht sachgerecht, stattdessen müsse die Partei als extremistischer werdende Gesamtbewegung betrachtet werden. „Man muss sich fragen, was bedeutet es für mein eigenes Leben und das meiner Kinder, wenn ich die AfD wähle? Es geht nicht darum, ob das bei manchen ein kleines Plus im Geldbeutel bedeutet“, sagt Grimm und fügt an: „Wenn die Partei sich aber so bei Wählern das Recht erkauft, Stück für Stück die Demokratie abzuschaffen, ist das brandgefährlich für alle.“
Wer profitiert von der Wirtschaftspolitik der AfD?
Doch wer würde das fiktive Plus im Geldbeutel bekommen? In einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforderung (DIW) beklagt der Vorsitzende Ökonom Marcel Fratzscher, dass AfD-Forderungen zu einer Politik der Besserverdienenden führen würden. Menschen, die AfD wählen, sind finanziell tendenziell aber schwächer gestellt. Der Studie zufolge wählen sie die AfD trotzdem, weil die Partei entgegen den Fakten den Eindruck erweckt, durch ihre Politik würden ihre Sympathisanten sozial und politisch gewinnen.
„Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von AfD-Wähler*innen hin zu den Wähler*innen anderer Parteien“, heißt es in Fratzschers Studie. Profitieren würden also Menschen mit Geld. Besonders benachteiligen würden die Maßnahmen Menschen ohne Arbeit und mit Migrationshintergrund.
Die Wirtschaftsweise Grimm zieht mit Blick auf die Politik gegen Minderheiten abermals Lehren aus der Vergangenheit: „Auch diejenigen, die kurzfristig von der Wahl solcher extremen Parteien und Positionen profitiert haben, gehörten langfristig zu den Verlierern.“