Die Bundesregierung will die Bundeswehr-Abhöraffäre herunterkochen – doch aus Russland kommen neue Angriffe. Zumindest ein Versuch ging schief.
Berlin – Deutsche Generäle fachsimpeln über Taurus-Raketen auf die Krim-Brücke – das mitgeschnittene Telefonat bei der Bundeswehr-Luftwaffe ist ein gefundenes Treffen für Russlands Propaganda. Seit der Veröffentlichung schlachtet der Kreml das vertrauliche Gespräch aus – und unterstellt der Bundesregierung weiterhin einen Angriffswillen auf Russland.
Doch dabei unterlief einem Reporter im russischen Staats-TV jetzt ein peinlicher Patzer. Indirekt lieferte er der Ampel-Koalition damit auch eine Steilvorlage in dem von Russland angezettelten Informationskrieg.
Bundeswehr-Abhöraffäre: Propaganda-TV stellt Botschafter Graf von Lambsdorff neue Falle
Der Propaganda-Flop flankierte einen geplanten Besuch des deutschen Botschafters Alexander Graf Lambsdorff im russischen Außenministerium. Ein Reporter des staatlichen Senders RT lauerte dem deutschen Diplomaten am Montag (4. April) vor der Tür auf und versperrte ihm den Weg. „Warum greifen Sie deutsche Ziele an?“, fragte der Korrespondent zweimal, wie die Bild berichtete. Erst dann fiel ihm offenbar auf, dass das wenig Sinn ergibt – und er korrigierte sich. Warum, so wollte er dann in seiner dritten Nachfrage wissen, wolle Deutschland russisches Territorium attackieren?
Der Abhörskandal sorgte auch an Tag drei für großen Wirbel. Am Freitag (1. März) hatte Russland ein mitgeschnittenes Gespräch ranghoher Luftwaffen-Offiziere veröffentlicht, in der diese Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörterten – falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. Diskutiert wird auch über die mögliche Zerstörung der von Russland gebauten Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bestätigte am Sonntag die Echtheit der Aufnahme.
Russland-Botschafter Lambsdorff wehrt sich: keine Einberufung wegen Taurus-Leak
Vor diesem Hintergrund erhielt auch der Termin deutschen Botschafters im russischen Außenministerium in Moskau viel Aufmerksamkeit. Dabei soll es sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes um einen schon lange verabredeten Termin gehandelt haben. „Es gab eine Einladung zum Gespräch über verschiedene bilaterale Themen“, sagte Lambsdorff der Nachrichtenagentur dpa in Moskau. Es habe sich aber nicht um eine Einbestellung gehandelt, betonte er.
Lambsdorff widersprach damit der Darstellung russischer Medien. So hatte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf eine anonyme Quelle gemeldet, es handele sich um eine Einbestellung wegen der jüngst veröffentlichten Mitschnitte.
Die Episode zeigt, mit welch harten Bandagen um die Deutungshoheit in der Affäre gekämpft wird. Die Bundesregierung selber wähnt sich jedenfalls einer hybriden Kriegsführung des Kreml ausgesetzt. Bei den Taurus-Leaks handele es sich um eine „absurde und infame Propaganda“, stellte der Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag bei der Bundespressekonferenz noch einmal klar. Dahinter stecke der Versuch, die Gesellschaft in Deutschland und in Europa zu spalten. „Doch niemand sollte Wladimir Putin auf den Leim gehen“, warnte er.
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Angriff auf Russland geplant? Putin verlangt Aufklärung
Doch ungeachtet der russischen Erzählungsweise in der Affäre: Das abgehörte Telefonat wirft weiterhin viele Fragen auf. Wie konnte Russland überhaupt an den Mitschnitt gelangen? Haben die vier Luftwaffen-Offiziere die Sicherheitsvorschriften missachtet? Oder gibt es in Deutschland ein grundsätzliches Problem mit hybriden Angriffen auf die Kommunikationstechnologien? Zwar hat Verteidigungsminister Pistorius eine umfassende Aufklärung der Hintergründe zugesagt. Doch der Opposition reicht das nicht. So forderte die Union bereits die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses.
Russland ist jedenfalls nicht um Deeskalation bemüht. So legte Kremlsprecher Dimitri Peskow am Montag nach und verlangte von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine umfassende Aufklärung der Affäre. „Wir hoffen, dass wir irgendwie erfahren, meinetwegen sogar durch die Medien, zu welchem Schluss die Untersuchung gekommen ist“, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax und nannte die Affäre erneut einen Beleg für die direkte Beteiligung westlicher Staaten an dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Der Mitschnitt zeige, dass die Bundeswehr konkrete Schläge gegen russisches Gebiet plane. Nun sei wichtig, herauszufinden, ob die Bundeswehr auf eigene Initiative solche Planspiele veranstalte, oder ob dies Teil der staatlichen deutschen Politik sei.
Machtwort vom Kanzler: Olaf Scholz lehnt Taurus-Lieferung weiterhin ab
Scholz hatte jedoch eine Lieferung der von der Ukraine geforderten Taurus-Raketen mehrfach abgelehnt und mit der Sorge begründet, dass dies in Russland falsch verstanden werden könnte. Am Montag stellte er noch einmal klar, dass er dem Drängen der ukrainischen Regierung, der Opposition und aus Teilen seiner Koalition nicht nachgeben wolle. „Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das“, bekräftigte er sein Nein mit einer Art Machtwort. (jkf)