Bewegtes Leben in Kalifornien - Julian-Michel zog aus schwäbischer Provinz in USA - und sagt, wieso er nun Trump wählt
Julian-Michel Schmidt ist erst Mitte 30, er hat aber schon ein bewegtes Leben hinter sich. In Bönnigheim aufgewachsen, zog er mit 16 Jahren bei den Eltern aus, lebte in Stuttgart, machte sich selbstständig, verdiente Hunderttausende – und ging pleite.
Seine Verlobte verließ ihn, und Depressionen machten ihm zu schaffen. Vor vier Jahren entschied er sich dann, nach Amerika auszuwandern. „Meine Mutter ist Amerikanerin, und ich habe einen amerikanischen Pass“, erklärt der 35-Jährige, der mittlerweile in Venice Beach, Kalifornien, lebt.
Die Anfangszeit in den USA war psychisch nicht einfach für Julian-Michel
Dort fing er bei Null an, wie er sagt, und lebte zunächst bei Bekannten in einem kleinen Ort in Kalifornien. „Nach vier Tagen machte ich meinen Führerschein, nach acht Tagen kaufte ich mir ein Auto und nach zehn Tagen fing ich bei Uber Eats an“, sagt Schmidt.
Mit dem Ausliefern von Essen hielt er sich zunächst finanziell über Wasser. Es war nicht der einzige Job, den er am Anfang hatte. „Teilweise kam ich nach einer Acht-Stunden-Schicht nach Hause, machte 30 Minuten Pause und ging dann zum nächsten Acht-Stunden-Job“, erinnert sich Schmidt. Demotiviert habe ihn diese Zeit nicht, denn „ich bin mit nichts gekommen, dann kannst du nicht erwarten, dass dir hier alles zufliegt“.
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Nach kurzer Zeit schon zog er bei den Bekannten aus, weil er in die große Stadt wollte. Los Angeles war sein Ziel, die Mieten dort aber selbst in einer WG so hoch, dass er eben mehrere Jobs zum Überleben brauchte.
Die Anfangszeit sei psychisch nicht einfach gewesen für den Mann, der es gewohnt ist, offen auf Menschen zuzugehen. „Wegen Covid war hier alles geschlossen. Es gab keine Möglichkeit Leute kennenzulernen“, sagt er.
Italienisches Café an der Strandpromenade von Venice Beach eröffnet
Nach einer Schicht habe er sich so einsam gefühlt, dass er im Auto in der Garage geweint habe. An eine Rückkehr nach Deutschland habe er damals erst einmal nicht gedacht.
„Ich habe mir immer gesagt, dass ich es mindestens ein Jahr lang versuchen werde. In Deutschland erwartete mich außer meinen Freunden auch nicht viel, nachdem mich meine Verlobte verlassen hatte und ich pleite gegangen war“, sagt Schmidt.
Weil Stillstand für den früheren Bönnigheimer eher nicht zum Repertoire gehört, endet seine Geschichte aber nicht mit dem Job im Fitnessstudio. Er kündigte ihn dieses Jahr und eröffnete mit einem Freund aus Deutschland ein italienisches Café an der Strandpromenade von Venice Beach. Das läuft mittlerweile so gut, dass eine weitere Filiale in Hollywood eröffnet werden soll.
Kokain-Problem entwickelt
Nach einigen entbehrungsreichen Jahren gehe es spätestens seit dem Aufstieg im Fitnessstudio auch wieder finanziell aufwärts für ihn. „Mir macht es nichts aus, viel zu arbeiten. Das bin ich mein ganzes Leben gewohnt. Ich habe schon als Jugendlicher Zeitungen in Bönnigheim und Bietigheim ausgetragen“, erinnert sich der 35-Jährige.
Heute kann er sich ein eigenes Apartment am Strand leisten und hat Zeit für Hobbys wie beispielsweise Surfen.
"Venice fühlt sich an wie Bönnigheim"
Seinen Schritt in die USA bereut er nicht, verklärt die Zeit dort aber ebenso wenig. „Ich habe hier auch schwere Zeiten gehabt, habe ein Kokain-Problem entwickelt, aber auch wieder in den Griff bekommen“, sagt Schmidt, der sich zu Beginn in Kalifornien keine Krankenversicherung leisten konnte.
Eine Rückkehr nach Deutschland kann er sich nicht vorstellen: „Ich habe hier in Venice alles, was ich brauche. Die Nachbarn kennen sich untereinander, und man hilft sich. Es ist wie ein Dorf in der Großstadt. Venice fühlt sich an wie Bönnigheim.“
Wahl für Trump: „Möchte sehen, was dann im Weißen Haus passiert“
Neben einigen Freunden – tiefe Bindungen einzugehen sei bei der Oberflächlichkeit in Los Angeles nicht einfach – vermisst er das deutsche Essen und da „besonders Linsen und Spätzle“. Als er vor einigen Wochen zu Besuch in Stuttgart war, sei ihm alles zu grau und die Mienen der Menschen zu negativ gewesen. „Da saß ich in der S-Bahn und musste aussteigen, weil niemand einen anlächelt. Ich hatte Angst, eine Depression zu bekommen“, sagt Schmidt.
Das heiße Thema in den USA geht auch an dem Ex-Bönnigheimer nicht vorbei. Den Wahlkampf zwischen Trump und Harris verfolgt er, darf er doch diesmal mitwählen.
„Für mich ist das in erster Linien Entertainment. Ich bin selbst eher unpolitisch, werde aber auf jeden Fall wählen gehen.“
Der Unterhaltungsfaktor ist auch entscheidend bei seiner Entscheidung für Trump. „Ich möchte einfach sehen, was da dann im Weißen Haus passiert“, sagt der Auswanderer.
Von Frank Ruppert
Das Original zu diesem Beitrag "Vom Billigjob zum erfolgreichen Unternehmer - „Venice Beach fühlt sich an wie Bönnigheim“" stammt von Stuttgarter Zeitung.