Mord und drei Mordversuche: Landgericht Regensburg verurteilt Krankenschwester zu lebenslanger Haft

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Die nun verurteilte Krankenschwester auf dem Weg in den Gerichtssaal. © Stefan Aigner

Sie betäubte mindestens vier Patientinnen und Patienten, um an deren Schmuck zu kommen. Eine 65-Jährige starb. Nun fielt das Urteil gegen die Krankenschwester.

Regensburg - Mit „Heimtücke“ und aus „Habgier“ habe sie eine 65-jährige Frau ermordet und drei weitere ältere Patienten – zwei Frauen und ein Mann – betäubt, um ihnen persönliche Schmuckstücke zu stehlen. Weil das Landgericht Regensburg davon überzeugt ist, verurteilte die Kammer eine 37-jährige Krankenschwester zu einer lebenslangen Haftstrafe.

Die Frau, die am Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg arbeitete, hatte bis zuletzt bestritten, für die Taten verantwortlich zu sein. Ihre Verteidiger haben angekündigt, in Revision zu gehen, wo die Entscheidung allerdings nur noch im Hinblick auf Rechtsfehler überprüft wird.

65-Jährige ermordet: wegen 150 Euro

Ein Opfer der nun Verurteilten starb am 28. Oktober dieses Jahres. Der 65-jährigen Maria Kern (Name geändert) wurden ihr Ehering und eine Halskette mit Kreuzanhänger zum Verhängnis, auf die die Täterin es abgesehen hatte. Materialwert etwa 150 Euro.

Folgt man der Entscheidung des Landgerichts, dann betäubte die Krankenschwester unter dem Vorwand, die Kanüle mit einer Kochsalzlösung zu reinigen, die krebskranke Frau über ihren Venenzugang mit dem Medikament Midazolam. Das starke Sedativum wird in der Regel im Vorfeld von Narkosen angewendet, laut Empfehlung soll es nur durch Anästhesisten und nur unter Aufsicht gegeben werden. Davor, es venös zu geben, wird ausdrücklich gewarnt.

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Täterin durch verräterische Bargeldeinzahlungen, Google-Suchen und Schmuckverkäufe überführt

In Kombination mit dem Mittel, das ihr dieselbe Krankenschwester zuvor wegen starker Magenschmerzen verabreicht hatte, wurde Maria Kern sofort ohnmächtig, erlitt einen Herzstillstand und starb drei Tage später auf der Intensivstation. Sie war das zweite Opfer der Frau, die sich auch durch diesen Vorfall nicht davon abbringen ließ, weiter Patientinnen zu betäuben, um ihnen ihre Schmuckstücke, meiste Eheringe, abzunehmen, deren ideellen Wert man gar nicht bemessen könne, so der Kammervorsitzende Richter Thomas Polnik.

Es waren die zahlreichen Indizien, die das Gericht von der Schuld der 37-Jährigen überzeugen. Schmuck- und Goldverkäufe, welche die Ermittler ihr um den Tatzeitraum zwischen Januar und Februar nachweisen konnten. Mal waren es 1.000 Euro, mal knapp 500. Bemerkenswert: Die ankaufenden Goldhändler dokumentierten nie, welche Schmuckstücke sie ankauften.

Es gab immer wieder Bargeldeinzahlungen auf das Konto der Krankenschwester, die sich nicht erklären ließen. Auf ihrem Computer suchte sie, das wiesen IT-Experten nach, nach dem Medikament Midazolam und möglichen Nebenwirkungen für ältere Menschen.

Betroffene konnte die Frau identifizieren

Im Januar und Februar stieg der Verbrauch dieses Medikaments auf der Station, wo die Pflegekraft eingesetzt war, in ungewöhnlichem Maße an. Waren es normalerweise 10 oder 20 Ampullen, sind für Januar 80, im Februar 30 Ampullen dokumentiert, die aus dem für die Pflegekräfte frei zugänglichem Medikamentenvorrat verschwanden. Zwischenzeitlich hat das Krankenhaus den Zugang zu Midazolam streng beschränkt.

Was die Kammer zusätzlich von der Schuld der Angeklagten überzeugte, war, dass eine Betroffene sie als diejenige identifiziert, die ihr einen Venenzugang gelegt und vorgegeben hatte, diesen nur mit einer Kochsalzlösung zu reinigen, bevor ihr Opfer unmittelbar in tiefe Bewusstlosigkeit fiel. Andere haben sie zwar nicht direkt identifiziert, aber doch von einer kleinen Frau mit asiatischem Aussehen gesprochen. Diese Beschreibung passt auf die 37-Jährige.

Krankenschwester betäubt und beraubt Patientinnen - „aus Habgier“

Die Krankenschwester war bei den Patienten und Kolleginnen sehr beliebt. Sie galt als hilfsbereit, freundlich und kompetent. 2008 hatte sie in Manila ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, sich zielstrebig weiterqualifiziert und kam 2018 als ausgebildete OP-Schwester nach Deutschland.

Zurück blieben ihre Eltern und ein heute zwölf Jahre alter Sohn, der bei der Schwägerin lebt. Seit August 2020 arbeitete die Frau in Regensburg bei St. Josef. Wenn sie Urlaub hatte, flog sie auf die Philippinen zu ihrer Familie.

Ihre finanziellen Verhältnisse beschreibt das Gericht als „geordnet“. Sie habe zwischen 2.200 und 2.500 Euro verdient. Allerdings hatte sie erhebliche Kosten zu schultern. 1.000 Euro im Monat für ihre letzte, eine größere Wohnung, die sie anmietete, weil sie ihren Sohn zu sich nach Deutschland holen wollte. 300 Euro für dessen Unterhalt, weitere 150 Euro für sein Schulgeld. Mal half sie der Familie nach einem Brand mit 500 Euro aus, mal mit 1.500. Zu viel, um auch noch ihr Kind hierher holen zu können?

Patientinnen betäubt: 77-Jährige erlitt Ohnmacht mitten im Telefonat

Als sie im August 2023 von einem Aufenthalt in Manila zurück zur Arbeit gekommen sei, habe sie ungewohnt verschlossen gewirkt, nicht mehr so fröhlich, sagten Zeuginnen vor Gericht. Doch sie habe weiter gute Arbeit geleistet. Wie ein Sachverständiger feststellte, stand sie ab dieser Zeit unter dem Einfluss von zum Teil starken Beruhigungs- und Schlafmitteln – Lorazepam, Zolpidem, Zopiclon.

Im Januar begannen dann die zunächst unerklärlichen Fälle von Bewusstlosigkeit auf ihrer Station. Eine Betroffene, Maria Kern, starb, zwei weitere mussten reanimiert werden. Ihr Ende fand die Serie am 20./21. Februar 2024.

An diesem Tag betäubte die Krankenschwester „mit demselben Modus Operandi“ wie in den drei weiteren angeklagten Fällen eine 77-Jährige, die mitten während eines Telefonats ohnmächtig wurde. Ihr Gesprächspartner informierte das Krankenhaus, wo man die Frau zunächst nicht wecken konnte – sie erwachte erst am Morgen des nächsten Tages.

Klinik stellte Krankenschwester vom Dienst frei, Kripo ermittelte

Ihr fehlten zwei Ringe. Auf ihrer Hand wurde ein Pflaster festgestellt – die Stelle, wo ihr der intravenöse Zugang gelegt worden war. Ein Schädel-CT brachte kein Ergebnis, aber im Blut wurde Midazolam festgestellt.

Noch am selben Tag konfrontierte die Klinik die Krankenschwester mit den Vorwürfen, stellte sie vom Dienst frei. Die 37-Jährige reichte tags darauf ihre Kündigung ein, weil sie an einem Ort, wo ihr solche Vorwürfe gemacht würden, nicht arbeiten wolle, so ihre Begründung. Am 23. Februar wurde ein Aufhebungsvertrag unterschrieben. Mit der Entlassung der Frau brachen auch die Fälle unerklärlicher Ohnmacht ab.

Die Kripo ermittelte. Über ihre Vermieterin erfuhr die damals Tatverdächtige von einer bevorstehenden Hausdurchsuchung. In einem Chat mit einem Bekannten schreibt sie diesem, dass sie ihre Wohnung „säubern“ müsse, will bei ihm 890 Euro und vier Uhren deponieren. Dort stellte die Polizei das mutmaßliche Diebesgut auch sicher. Am 28. Februar wurde die Frau festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Tod als „Nebenfolge“: Gericht geht von bedingtem Vorsatz aus

In seiner rechtlichen Würdigung der Taten geht das Gericht von Mord, drei Mordversuchen und Raub bzw. versuchten Raub mit Todesfolge sowie gefährlicher Körperverletzung aus. Die Angeklagte habe zwar nicht die Absicht gehabt, ihre Opfer umzubringen, habe aber deren Tod billigend in Kauf genommen. Dies sei bedingter Vorsatz.

Den arglosen Patientinnen ohne ärztliche Verordnung Midazolam zu verabreichen sei „hinterlistig“ gewesen, so Polnik. Selbst der Tod von Maria Kern, ihr zweites Opfer unter den Fällen, die vor Gericht verhandelt wurden, habe sie nicht davon abgehalten, weiterzumachen. Zwar könne man nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob sie von deren Tod erfahren habe, weil die Frau auf einer anderen Station starb, aber sie habe mitbekommen, dass ihr Opfer zunächst reanimiert werden musste und sich zu diesem Zeitpunkt in einem lebensbedrohlichen Zustand befand.

Gericht sieht von Berufsverbot ab

„Es gab dennoch keine Gesinnungsumkehr.“ Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte ausgesagt, dass die Verurteilte unangenehme Erfahrungen „gut abspalten“ könne. „Allerdings waren dies hier die unangenehmen Erfahrungen von anderen“, so Polnik.

Bei Mord ist eine lebenslange Haftstrafe unausweichlich – eine vorzeitige Entlassung kommt damit frühestens nach 15 Jahren in Betracht. Von der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die diese Frist verlängern würde, sieht das Gericht ab. Ebenso von einem generellen Berufsverbot für die Krankenschwester.

Sie habe Maria Kern nicht bewusst getötet. Ihr Tod sei „eine Nebenfolge“ der eigentlichen Tat gewesen. Das müsse man bei dieser Frage berücksichtigen. Ebenso, dass die Frau zumindest in Deutschland so oder so nie wieder in ihrem Beruf arbeiten werde und sie die Haftstrafe besonders empfindlich treffe, weil ihre Familie auf den Philippinen lebe. Und insofern müsse man in Betracht ziehen, dass durch den Strafvollzug doch noch ein Gesinnungswandel eintreten könne.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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