Streit um Strafzölle auf Chinas E-Autos: Scholz greift zum Machtwort – und kanzelt wohl Baerbock
Stimmt Deutschland für die Strafzölle der EU zu E-Autos aus China? Kanzler Scholz spricht wohl ein Machtwort. Habeck und Baerbock dürfte das nicht gefallen.
Berlin – Es ist ein wichtiger Knackpunkt, der am Freitag in der EU zur Debatte steht. Dann soll nämlich eine Abstimmung unter Vertretern der EU-Staaten zu Strafzöllen auf E-Autos aus China stattfinden. Ein Ergebnis wird am Vormittag erwartet. Kernfrage ist: Werden Hersteller, die in China produzieren und von dort in die EU exportieren, ab Anfang November mit Zusatzzöllen bestraft? Konkret geht es um Zölle von 7,8 Prozent für Tesla und 35,3 Prozent für Unternehmen, die nicht mit der EU-Kommission bei der Untersuchung kooperiert haben.
Es ist ein Konflikt, der schon lange zwischen China und der EU schwelt – und der jetzt auch für Ärger in Deutschland und dort speziell innerhalb der Ampel-Koalition sorgt. Wie die Deutsche Presse-Agentur nun berichtet, will die Bundesregierung am Freitag in Brüssel nämlich gegen die Strafzölle der EU auf chinesische Elektroautos stimmen. Um das durchzusetzen, wolle Kanzler Olaf Scholz (SPD) gar von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, hieß es. Das ist nicht ganz unbrisant.
Abstimmung zu EU-Strafzöllen auf Chinas E-Autos: Scholz macht von Richtlinienkompetenz Gebrauch
Kurz gesagt bedeutet die Richtlinienkompetenz: Scholz spricht ein Machtwort. Er würde damit als Kanzler das letzte Wort in Anspruch nehmen. Notwendig wurde dies offenbar, da es hinter den Regierungs-Kulissen durchaus Ärger um die Abstimmung gegeben haben soll. SPD und FDP sollen sich mit ihrem Nein zu den Strafzöllen gegen die Grünen gestellt haben. Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil sollen dabei auch mit Außenministerin Annalena Baerbock aneinander geraten sein, berichtet die Bild unter Berufung auf Regierungskreise.
Baerbock sei dafür gewesen, für die Strafzölle zu stimmen, um ein Zeichen gegen das chinesische Regime zu setzen und mehr Härte gegen das Land zu zeigen. Lindner soll demnach mit den Interessen der Industrie dagegen argumentiert haben. Ein Argument, das auch Kanzler Scholz stützt. Der Kanzler habe in den letzten Monaten mit deutschen Autobauern gesprochen, die allesamt die geplanten Strafzölle abgelehnt haben sollen. Die Befürchtung, Chinas Gegenmaßnahmen könnten sich vor allem gegen deutsche Luxusautos wenden, sei zu groß gewesen.
Scholz spricht in Streit um Strafzölle auf Chinas E-Autos Machtwort – und stellt sich gegen Baerbock
Mit seinem offenbar angestrebten Machtwort stellt sich Scholz somit auf die Seite Lindners und gegen Baerbock, die ein klares Ja bei der Strafzoll-Abstimmung gefordert hatte. Vom Einsatz der Richtlinienkompetenz ist außerdem offenbar auch Wirtschaftsminister Robert Habeck, der kürzlich über das Lieferkettengesetz wetterte, betroffen. Wie es im Bericht heißt, habe Habeck dafür plädiert, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Seine Begründung: Da mindestens 15 Mitgliedsstaaten dagegen stimmen müssten, würde auch ein Nein aus Deutschland die Strafzölle nicht verhindern. Bei einem Querschuss könnte Deutschland isoliert dastehen. Allerdings sollen die Grünen-Ministerien Scholz‘ Schritt akzeptieren, berichtet die dpa.
Aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums hieß es zudem, man wolle einen fairen Wettbewerb, aber keinen Handelskrieg mit Zöllen. Dafür müsse Europa seine Verhandlungsmacht voll nutzen können. „China agiert mit voller Kraft, Europa muss es auch tun, da ist keine Naivität gegenüber China angezeigt. Deshalb hätten wir einen anderen Weg als „Nein“ für besser gehalten.“ Dies sei aber keine Glaubensfrage, sondern eine Frage der politischen Taktik. Ziel müsse eine Verhandlungslösung sein, die die eigenen Interessen wahre.
Die EU-Kommission wirft China vor, die gesamte Wertschöpfungskette für Elektroautos stark zu subventionieren und den Markt so zu verzerren. Deshalb will die Behörde Zusatzzölle einführen, die in manchen Fällen voraussichtlich mehr als 35 Prozent betragen. Bei der Entscheidung darüber haben jedoch die 27 EU-Staaten ein Wort mitzureden. Eine ausreichende Mehrheit der Länder kann die Maßnahme verhindern, was sich zuletzt aber nicht abzeichnete. Nach Angaben der EU-Kommission sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle. (han/dpa)