118 Tage vor der Bürgermeisterwahl hat die UWW zur Podiumsdiskussion mit den sechs Kandidaten in die Wolfratshauser Loisachhalle eingeladen. Mehr als 500 Bürger nutzten die Gelegenheit.
Wolfratshausen – Den sechs Bürgermeisterkandidaten war eine große Bühne bereitet: Über 500 Zuhörer und fast 20 Fragen boten am Montagabend Raum für die Bewerber, ihr politisches Profil zu schärfen. Große Überraschungen blieben in der Loisachhalle überwiegend aus. Umso wichtiger war der persönliche Eindruck, den die Kandidaten in der Podiumsdiskussion der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW) hinterließen. So einig wie sich die Bewerber in vielen inhaltlichen Fragen waren, so unterschiedliche Herangehensweisen arbeitete Moderator und Merkur-Redaktionsleiter Carl-Christian Eick heraus.
Begonnenes beenden
Da war einmal der seit 2014 amtierende Rathauschef Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung Wolfratshausen/BVW), der mit steter Sachpolitik punkten wollte: begonnene Projekte fertigstellen, Potenzial vernünftig umsetzen und sich den großen Herausforderungen stellen. Neben der laufenden Sanierung und Erweiterung der Grund- und Mittelschule am Hammerschmiedweg nannte der 58-Jährige die Aufwertung der Innenstadt und des Loisach-Westufers als Herzensprojekte. Ansonsten habe er „keine großartigen Wünsche“. In den Griff bekommen will Heilinglechner die Verkehrsproblematik, außerdem sollen Entwicklungsflächen überplant und Bürger die beteiligt werden.
Miteinander stärken
Die Verrohung der Gesellschaft anpacken will René Beysel (Bündnis 90/Die Grünen). Der 55-jährige Bauingenieur plant die maximale Einbindung von Vereinen und Kirchen, um das Miteinander zu stärken und Wolfratshausen gegen Extreme zu wappnen. Inhaltlich heißt das: Grundfragen beantworten, Leerstand durch genossenschaftliche Wohnformen managen und vor allem eine Frage in den Mittelpunkt zu rücken: „Was braucht Wolfratshausen?“
Bürger einbeziehen
Eine Antwort darauf hat Dr. Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste) schon gefunden: „Wolfratshausen ist schon recht schön und lebenswert“, meinte der 71-Jährige. Statt große Projekte – aus Fleischers Sicht oft nur „Sprechblasen“ – zu versprechen, wolle er Bürger einbeziehen, ein Jugendparlament schaffen, bis zu 100 Wohnungen bauen und „die Standards, die wir haben, verteidigen“. Wenn dann noch die S-Bahn pünktlich ist und die Kreisklinik bleibt, ist der Liste-Kandidat zufrieden.
Arbeitsplätze schaffen
Visionärer gab sich Dr. Patrick Lechner (FDP): Mit mehr Zusammenhalt und Innovation wolle er die Stadt voranbringen und ein modernes, liberales, weltoffenes Wolfratshausen schaffen. Um die Bürger an einen Tisch zu bringen und Spaltung zu vermeiden, schwebt dem 48-jährigen Mathematiker ein Bürgerbudget vor. Nicht weniger als 1000 neue Arbeitsplätze in den nächsten sechs Jahren hat sich Lechner vorgenommen – eine Forderung, der Günther Eibl (CSU) eine Absage erteilte. Zu klein seien die Gewerbeflächen, zu groß die Anforderungen an Wohnraum und Infrastruktur.
Fahrplan erstellen
Der 60-jährige Vize-Bürgermeister will stattdessen eine „Roadmap“ – eine Art Fahrplan für zehn bis 20 Jahre – mit den großen Meilensteinen Schulzentrum, Parkdeck auf dem Hatzplatz und am Märchenwald mit zweiter B11-Zufahrt, Fernwärme und Katastrophenschutz.
Parteigrenzen besiegen
Als basisnaher Genosse gab sich indes Renato Wittstadt (SPD), der auf gute, konstruktive Zusammenarbeit im Stadtrat als Zukunftsstrategie setzt. Überraschend: Als einziger Kandidat schloss der 68-Jährige eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus, die möglicherweise eine Stadtratsliste aufstellen wird. Sie sei als gesamte Partei problematisch, aber nicht jedes Mitglied per se rechtsradikal. „Ich würde mir die Leute anschauen“, kündigte Wittstadt an.
Parkhaus am Hatzplatz
Noch vor der Publikumsfrage zur AfD hatte Eick erste Unterschiede herausgearbeitet. Zu den strittigen Themen zählte etwa das Parkhaus auf dem Hatzplatz. „Das wird auch alle sechs Jahre gebaut“, feixte der Moderator unter Lachern des Publikums. Alle Kandidaten außer Wittstadt wollen das Projekt in der neuen Legislaturperiode in die Tat umsetzen. Der SPD-Bewerber verlässt sich hingegen auf fachkundige Parteifreunde: „Ich muss nicht vor dem ersten Tag Musterlösungen bringen.“
S-Bahn-Verlängerung
Profilieren konnte sich Lechner in der Frage zur S-Bahn-Verlängerung. Der FDP-Kandidat forderte eine ökologisch und ökonomisch sinnvollere Lösung, um Geretsried besser anzubinden – etwa durch Expressbusse oder die Ottobahn (wir berichteten). Zumindest einen Teil des Publikums hatte Lechner damit auf seiner Seite: Beim Argument Beysels, die Unpünktlichkeit der S7 sei ein „temporäres Problem“, brach lautes Gelächter aus.
Blick zu den Nachbarn
Fleischer versuchte derweil, mit Seitenhieben auf Dritte zu punkten. „Der gute Landrat hat fröhlich neue Leute eingestellt und wir haben‘s bezahlt“, meinte der Liste-Kandidat zur Kreisumlage, während andere die Finanzen durch Einsparungen, mehr Einnahmen und guter Planung in den Griff bekommen wollen. Bei der Frage nach der interkommunalen Zusammenarbeit kritisierte Fleischer, zu viele wichtige Projekte seien nach Tölz gewandert. Und Wohnungen dürften nur für Einheimische gebaut werden: „Wir können das Wohnungsproblem von München nicht lösen.“
Klimawandel
Beim Grünen-Kernthema Klimawandel und Energiewende stach Beysel mit dem Wunsch nach der Nutzung von Gewässerwärme heraus, während Eibl erneut auf einen langfristigen Plan verwies – diesmal zur Geothermie. In der Frage nach den Finanzen war es erneut Heilinglechner, der den sachlichen Realisten gab. Während fast alle anderen Kandidaten auf die Fülle an Aufgaben verwiesen, die durch Bund und Freistaat besser finanziert werden müssten, meinte der amtierende Bürgermeister: „Sollen wir einen Bürgermeisterstreik vor dem Bundestag machen? Das interessiert leider niemanden.“
Große Einigkeit
In allen weiteren Themenblöcken waren sich die Kandidaten meist einig: Die Kreisklinik soll erhalten, die Fahrradfreundlichkeit verbessert, mehr Zebrasteifen (Publikumsfrage) geschaffen und die Bürgerbeteiligung gestärkt werden. Angekratzt wurde das fast schon einvernehmliche Verhältnis zwischen Heilinglechner und seinem Vize Eibl nur in der Frage um die zweite B11-Zufahrt in Farchet. Während Eibl von dieser oder der nächsten Wahlperiode sprach, meinte der amtierende Bürgermeister: „Da ist konkret noch nichts gesprochen.“
Dem viel beklatschten Wunsch des Gastgebers Christian von Stülpnagel, die Parteipolitik „endlich mal hinten anzustellen“, kamen alle Kandidaten in den insgesamt zweieinhalb Stunden nach. Einfacher macht das die Entscheidungsfindung nicht. Glücklicherweise hat der zweite Wunsch des UWW-Vorsitzenden noch bis zum 8. März Zeit: „Gehen Sie wählen!“ nap
Die Zitate des Abends
Ich hätte gerne auch eine Kandidatin vorgestellt.
Christian von Stülpnagel (UWW) zur reinen Männerrunde.
Sie sind auch Radfahrer. Ein begeisterter und manchmal auch ein verunfallter.
Moderator Carl-Christian Eick zu Klaus Heilinglechner (BVW).
Wir haben viele hochbegabte, clevere Leute in Wolfratshausen.
Dr. Patrick Lechner (FDP) fordert einen Hochschulstandort.
Behördenwiderstände sind da, um sie zu überwinden.
Dr. Manfred Fleischer (Liste WOR) zum Thema Zebrastreifen.
Der Rathaus-Sitzungssaal ist ein bisschen ein Elfenbeinturm. Man geht dort gerne rauf, aber nicht ohne Grund.
René Beysel (Bündnis 90/Die Grünen) zur Bürgerbeteiligung.
Das ist ärgerlich, aber das sind Aufgaben, die sich stellen.
Klaus Heilinglechner (BVW) zu den Pflichten, die Bund und Freistaat auf Kommunen übertragen.
Einmal im Monat stehe ich mit einem Sonnenschirm in einem Stadtteil.
Günther Eibl (CSU) zur Bürgerbeteiligung.
Ich bin zu alt für soziale Medien.
Renato Wittstadt (SPD).