Wappnen für den Kriegsfall: Ex-Nato-Admiral äußert konkreten Plan – „Kaliningrad neutralisieren“
Im Ukraine-Krieg wächst die Sorge vor einem Angriff Russlands auf das Baltikum. Die Nato hat für diesen Fall ein empfindliches Ziel im Visier: Kaliningrad.
New York/Kaliningrad – Schon seit mehr als zwei Jahren tobt der Ukraine-Krieg; inzwischen geht die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts in ganz Europa herum. Eine Befürchtung: Sollte Russland im Nachbarland triumphieren, könnte Wladimir Putin in naher Zukunft den Angriff auf das Baltikum befehlen. Dabei könnte die russische Exklave Kaliningrad – einst Hauptstadt Ostpreußens – eine entscheidende Rolle spielen. Sollte es zum Äußersten kommen, müsse die Nato genau hier angreifen, glaubt der frühere Nato-Oberbefehlshaber James Stavridis.
Bei Angriff Putins auf das Baltikum: Nato muss dann „Kaliningrad neutralisieren“
„Die Nato wird die Ostsee nutzen, um Druck auf Kaliningrad auszuüben, das als geografische Trennlinie zwischen den baltischen Nato-Ländern – Estland, Lettland und Litauen – und dem Rest des Bündnisses fungiert“, schreibt Stavridis in einem Artikel für das US-Portal Bloomberg. Dem ehemaligen Marineadmiral ist die strategische und militärische Bedeutung der Exklave bewusst, daher müsse Kaliningrad „im Falle eines Krieges neutralisiert werden“.
Russischen Bodentruppen soll damit verhindert werden, „die Kontrolle über den kritischen Suwalki-Korridor zu übernehmen“. Litauen grenzt an das mit Russland verbündete Belarus sowie an das russische Kaliningrad. Zwischen beiden Ländern verläuft von Litauen ein schmaler Landkorridor westlich nach Polen – die sogenannte Suwalki-Lücke. Die Exklave selbst liegt direkt an der Ostsee und hat keine direkte Landverbindung nach Russland.

„Nato-See“: Ostsee könnte im Kriegsfall zu Putins Achillesferse werden
Ohnehin befindet sich die Ostsee mehr oder weniger gänzlich in den Händen der Allianz, weshalb Analystinnen und Analysten seit dem Beitritt Schwedens und Finnlands auch vom „Nato-See“ sprechen. Putin reagiert derweil nach wie vor die baltischen Zufahrten nach St. Petersburg – ironischerweise von russischen Zaren einst als „Fenster zur westlichen Welt“ angepriesen, wie Stavridis betont. Ein Fenster, welches Russland im Falle eines Krieges zum Verhängnis werden könnte.
Bei einer Eskalation müsse „die Nato ihre Ostsee nutzen, um Druck auf das winzige Kaliningrad auszuüben“. Dort befinde sich schließlich nicht nur Russlands Ostseeflotte, sondern auch „bedeutende Luft- und Raketentruppen“.
Nato probt für den Ernstfall: Großes Militär-Manöver vor den Toren Russlands
In wenigen Wochen, vom 2. bis zum 16. Juni, wird die Nato ihre jährliche „Baltops“-Übung abhalten. Dabei soll laut Nato-Angaben zufolge erprobt werden, in der Ostsee „regionale Aggressionen abzuwehren und strategische Beziehungen zu stärken“. Auch die deutsche Marine wird mit von der Partie sein. Dabei wird das 1971 stattfindende Manöver beinahe jährlich größer: im letzten Jahr umfasste die Übung fast 50 Schiffe, 45 Flugzeuge sowie rund 6000 Seeleute.
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Aus Moskau werden immer wieder Stimmen laut, die das Nato-Aufgebot im Baltischen Meer als Provokation bezeichnen. Die Gegenseite wirft Russland vor, ohnehin schon elektronische Kriegsführung zu betreiben. So kam es jüngst zu GPS-Ausfällen im Zivilflugverkehr über dem Baltikum, was mehrere Störungen zur Folge hatte. Auch James Stavridis geht davon aus, dass Russland hinter den Attacken steckt. Entsprechende „cyber- und elektronische Kriegsführung“ könnte Putin im kommenden Monat laut dem Ex-Nato-Admiral sogar noch verstärken.
Stavridis warnt davor, Putins Drohungen nicht ernstzunehmen. „Vor drei Jahren schien die Vorstellung, dass er einen Angriff auf die Ukraine starten würde, ebenfalls unwahrscheinlich“, so die Argumentation des früheren Nato-Oberbefehlshabers. „Versuchen Sie nicht, die Handlungen des Mannes im Kremls vorauszusagen.“
Scholz sichert militärische Unterstützung im Ostsee-Raum zu: „Jeden Zentimeter verteidigen“
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will Russlands Machthaber nicht unterschätzen. Bei einem Besuch am vergangenen Montag in Litauen sicherte er dem Baltikum verlässliche militärische Unterstützung zu. „Deutschland steht unverrückbar an der Seite der baltischen Staaten“, so Scholz im litauischen Pabrade, wo er deutsche Soldatinnen und Soldaten besuchte. „Und das bedeutet, dass wir einander Schutz gewähren und dass sich alle Staaten darauf verlassen können, dass wir jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen werden.“
Seit der russischen Invasion der Ukraine war der Kanzler bereits mehrmals im Baltikum, um der Ostsee-Region öffentlich Solidarität zu versichern. Die Regierungen in Litauen, Estland und Lettland warnen immer wieder davor, dass Russland nach dem Krieg im Nachbarland auch den Verteidigungswillen der Nato testen und binnen weniger Jahre dafür militärische Voraussetzungen schaffen könne. (nak)