Russland sabotiert Flugverkehr in Europa – Experte warnt vor Putins Zermürbungstaktik

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In Europa haben GPS-Signalstörungen seit Beginn des Ukraine-Kriegs zugenommen (Symbolbild). © IMAGO/STAR-MEDIA / Michael Schöne

Im europäischen Flugverkehr häufen sich GPS-Störungen. Eine akute Bedrohung für die Navigation der Flugzeuge ist dies zwar nicht, doch es könnte Kalkül des Kreml dahinter stecken.

Moskau – Piloten im an Russland grenzenden Estland und anderswo in Europa stellen immer mehr gezielte Störungen der GPS-Satellitennavigation fest. Selbst der britische Verteidigungsminister Grant Shapps machte bei einem Flug aus Polen nahe der russischen Exklave Kaliningrad im März eine solche Erfahrung. Ein Russlandexperte vermutet Moskau hinter den Jamming-Attacken – und erklärt das Ziel dieser Taktik.

GPS-Störungen nehmen seit Beginn des Ukraine-Kriegs zu: Täglich bis zu 20 Fälle in Estland

Das Jamming, also die Störung des GPS-Signals, der Maschine von Verteidigungsminister Shapps habe die Sicherheit nicht bedroht, sagte ein Sprecher des Ministers im März. Die GPS-Störung habe etwa eine halbe Stunde angedauert, berichteten Journalisten der Zeitung Times, die während des Vorfalls an Bord waren. Mobiltelefone konnten sich dem Bericht zufolge nicht länger mit dem Internet verbinden, das Flugzeug musste zudem andere Methoden zur Bestimmung seiner Position nutzen. Nahe dem russischen Kaliningrad seien GPS-Störungen nicht ungewöhnlich, hieß es aus London weiter.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wurden die Störungen auch in Estland häufiger, wie die dortige Behörde für Verbraucherschutz TTJA berichtete. „Jeden Tag erhalten wir 10 bis 20 Berichte von Piloten, dass es in einigen Gebieten, in denen sie Estland durchqueren, GPS-Störungen gibt“, hieß es dazu laut dpa jüngst von Ivar Värk, dem Leiter der estnischen Flugsicherung. Seit Anfang 2024 habe sich der Störbereich teils auch auf den Finnischen Meerbusen und Mittelestland ausgeweitet, sagte ein TTJA-Sprecher dem estnischen Rundfunk. Im April 2023 war Finnland nach jahrzehntelanger Bündnis-Neutralität der Nato beigetreten.

Jamming als Taktik? 46.000 GPS-Störungen in Flugzeugen seit vergangenem August

Im militärischen Bereich dient das Jamming beispielsweise der Abwehr von Drohnen. Doch vermehrt ist auch die private Luftfahrt betroffen. Die Störungen in Europa seien „zu einem wachsenden Problem für den zivilen Flugverkehr geworden, nicht nur in der Ostsee, sondern auch im Schwarzen Meer und im östlichen Mittelmeer“, schrieb der Russlandexperte Mark Galeotti in einem Gastbeitrag für den Spectator am Montag(22. April) und ergänzte, es sei klar, „dass Russland dahinter steckt.“ Laut einem Bericht der Sun basierend auf Daten der Monitoring-Seite GPSJAM.org hatten seit August vergangenen Jahres allein über der Ostsee 46.000 Flugzeuge Probleme mit dem GPS gemeldet.

Die EU-Agentur für Flugsicherheit Easa und der Dachverband der Fluggesellschaften International Air Transport Association kamen im Januar zu einem Gipfel zusammen, um das Problem zu diskutieren. Während die Easa die Bekämpfung dieser Bedrohung als vorrangig bezeichnete, äußerte man sich bei der britischen Luftfahrbehörde CAA vorsichtig. „GPS-Störungen wirken sich nicht direkt auf die Navigation eines Flugzeugs aus, und obwohl es sich um ein bekanntes Problem handelt, bedeutet dies nicht, dass ein Flugzeug absichtlich gestört worden ist“, sagte Glenn Bradley von der CAA laut Guardian.

GPS-Störungen als Teil des hybriden Kriegs Russlands?

Russland stellte seine Fähigkeiten zur elektronischen Kriegsführung im Ukraine-Krieg immer wieder unter Beweis. Moskau schaffte es etwa, die militärische Kommunikation der Ukraine zu zerstören, wie der stellvertretende Minister für digitale Transformation der Ukraine, Alex Bornyakov, betonte. Nur durch Starlink konnte sie wiederhergestellt werden. Eine Gefahr für Flugzeuge sei das Jamming oder Spoofing – also das Vorgeben eines falschen Standorts – nicht, meint Galeotti.

Der Experte sieht das Vorgehen aber offenbar als einen von vielen Nadelstichen in der Kriegsführung Russlands. Moskau hat eine Vielzahl an Konfliktmitteln im Ärmel: Hackerangriffe, großangelegte Cyberattacken sowie Desinformation etwa. Ebenso die Erhöhung des Migrationsdrucks an EU-Außengrenzen sowie die Drosselung russischer Erdgas-Exporte, die Deutschland 2022 in eine Energiekrise stürzten. Diese offenen oder verdeckten Maßnahmen unterhalb der Schwelle der direkten militärischen Auseinandersetzung werden auch als hybrider Krieg bezeichnet.

Diese Taktik soll den Rückhalt in der europäischen Öffentlichkeit schwächen und so Moskau in die Hände spielen, meint Galeotti. „Eines Tages, wenn ihr Flug wieder verspätet ist, wenn ihre Gasrechnung wieder steigt, wenn sie nicht zum Arzt gehen können, weil Geld, das für die Gesundheitsversorgung hätte ausgegeben werden können, stattdessen in die Ukraine geflossen ist, dann werden die europäischen Wähler vielleicht anfangen, die [offizielle Linie] infrage zu stellen“, heißt es in seinem Gastbeitrag weiter.

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