Null-Wachstum! Wirtschaftsweise mit Prognose-Knall – Schulden-Streit unter Experten entfacht

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Schon wieder konnten sich die Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Gutachten nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Veronika Grimm geht in drei von vier Kapiteln nicht mit der Mehrheit mit.

Berlin – Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – kurz, die „Wirtschaftsweisen“ – stellten am Mittwoch (21. Mai) ihr Frühjahresgutachten zur Lage der Wirtschaft vor. Darin malen sie ein eher düsteres Bild: 2025 erwarten sie eine Stagnation der Wirtschaft (0,0 Prozent Wachstum), 2026 dann nur ein leichtes Plus von 1,0 Prozent. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter in einer ausgeprägten Schwächephase“, heißt in dem Bericht.

Wie es künftig weitergehen wird, wird nach Ansicht der Wirtschaftsweisen davon abhängen, wie das Schuldenpaket der neuen Bundesregierung genutzt werden wird – und was Donald Trump mit seinen Zöllen in den USA noch so vorhat.

Wirtschaftsweisen im Zwist: Grimm kritisiert das Schuldenpaket der Regierung scharf

Allerdings zieht sich – erneut – ein Riss durch das fünfköpfige Gremium. Während die Vorsitzende Monika Schnitzer sowie die drei Mitglieder Martin Werding, Ulrike Malmendier und Achim Truger eine Mehrheitsmeinung bilden, geht Veronika Grimm in drei von vier Kapiteln nicht mit und schreibt ein Minderheitsvotum. Insbesondere kritisiert sie dabei das Schuldenpaket, das im März noch im alten Bundestag verabschiedet wurde.

Die fünf Wirtschaftsweisen

Monika Schnitzer, Vorsitzende: Seit 2020 Mitglied, Scherpunkt Innovation und Wettbewerbsökonomie

Veronika Grimm: Seit 2020 Mitglied, Schwerpunkt Energie und Technologie

Achim Truger: Seit 2019 Mitglied, Schwerpunkt Steuer- und Finanzpolitik. Forscht insbesondere zum Thema Schuldenbremsen

Ulrike Malmendier: Seit 2022 Mitglied, Schwerpunkt Verhaltensökonomie und Wirtschaftspsychologie

Martin Werding: Seit 2022 Mitglied, Schwerpunkt Soziales und Arbeitsmarkt

Die Mehrheit der Wirtschaftsweisen sieht in der Aufnahme der Schulden eine Chance für Deutschland, wieder zu mehr Wirtschaftswachstum zu kommen. Dabei mahnen sie, das Geld für zusätzliche Investitionen zu verwenden und keine Aufgaben aus dem Kernhaushalt dorthin zu schieben. Bisher gebe es jedoch Andeutungen, dass dies nicht vollumfänglich geschehe, so die Warnung.

Die Mehrheit der Wirtschaftsweisen empfiehlt die Errichtung eines Infrastruktur- und eines Bildungsfonds, das auch über die Laufzeit des Sondervermögens (12 Jahre) hinaus diese Bereiche finanziell ausstatten solle. Damit würde verhindert, dass, wenn das Geld aus dem Schuldenpaket alle ist, wieder über viele Jahre nicht in diese Bereiche investiert werden.

Grimm warnt vor zu vielen Schulden – nicht vereinbar mit der EU

Veronika Grimm ist anderer Meinung. Sie kritisiert, dass ihre Kollegen das Finanzpaket ausschließlich aus deutscher Sicht betrachtet und nicht mit Blick auf die EU und die europäischen Schuldenregeln. Sie glaubt, dass die Sondervermögen nicht mit den EU-Regeln kompatibel seien und geht auch davon aus, dass die Verteidigungsausgaben weit höher ausfallen werden als das, was die Ratsmehrheit denkt.

Die Wirtschaftsweisen: Ulrike Malmendier (l-r), Martin Werding, Monika Schnitzer, Achim Truger und Veronika Grimm.
Die Wirtschaftsweisen: Ulrike Malmendier (l-r), Martin Werding, Monika Schnitzer, Achim Truger und Veronika Grimm. © IMAGO

Die anderen Wirtschaftsweisen sind der Ansicht, dass die Verteidigungsausgaben in den 2030er Jahren wieder aus dem Kernhaushalt finanziert werden würden – Grimm glaubt jedoch, dass auch künftige Bundesregierungen die Ausnahme von der Schuldenbremse weiter ausschöpfen werden. Dadurch würde die Mehrheit die Schuldenaufnahme in den 30er Jahren unterschätzen, so Grimm weiter.

Auch in den Kapiteln Bürokratieabbau und Strukturwandel vertritt Veronika Grimm eine andere Meinung als ihre Kollegen. Sie fordert im Grunde mehr Mut zu Reformen, die viel tiefer greifen müssten als von der Mehrheit diskutiert.

Wirtschaftsweisen schon länger im Streit: Grimm klagt gegen die Kollegen

Dass sich der Sachverständigenrat nicht immer einig ist, ist nicht so ungewöhnlich – allerdings kommt es seltener vor, dass ein Mitglied gleich so viele Minderheitsvoten abgibt. Veronika Grimm hatte bereits beim Jahresgutachten 2024/25 in drei Kapiteln eine Gegenmeinung vertreten.

Im aktuellen Gremium gibt es allerdings immer wieder Streit unter den Mitgliedern – der sogar dazu geführt hat, dass Veronika Grimm gegen ihre Kollegen Klage eingereicht hat. Grund für den (Rechts-)Streit war die Berufung von Grimm als Aufsichtsrätin bei Siemens Energy. Die anderen Mitglieder sehen dies als Interessenskonflikt in ihrer Rolle als Wirtschaftsweise. Sie stützen sich dabei auf den Compliance-Kodex des Sachverständigenrats. Gegen diesen hat Grimm Klage eingereicht.

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