Genaue Prüfung nötig: Fast die Hälfte der Rentner bekommt zu wenig Rente? Versicherung gibt Tipps
Fast die Hälfte der Rentenbescheide seien fehlerhaft, erklärt ein Berater. Die Betroffenen bekommen häufig zu wenig Rente. Die Versicherung ordnet ein – und gibt Hinweise.
Berlin – Wer Jahrzehnte lang arbeitet und Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, kann erwarten, dass die Rente korrekt berechnet ist. Christian Lindner, nicht der FDP-Politiker und ehemalige Bundesfinanzminister, sondern ein 62-jähriger Rentenberater, hat nun Rentner jedoch zur Vorsicht gemahnt. „Man kann sich nicht darauf verlassen, dass der Rentenbescheid richtig ist“, sagte er im Interview mit dem Tagesspiegel.
40 Prozent der Bescheide sind falsch und führen zu geringer Rente? DRV ordnet Behauptung ein
„Von den Bescheiden, die wir kontrollieren, sind rund 40 Prozent falsch“, sagte Lindner. „Die Fehler gehen fast immer zu Lasten der Rentner.“ Durch die Fehler bekommen viele Betroffene weniger Rente als ihnen eigentlich zusteht, so der Tenor des Interviews. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) widerspricht jedoch.
Die DRV verweist auf die eigenen Widerspruchsstatistiken. Im Jahr 2023 seien rund zwei Millionen Rentenbescheide erlassen worden. In rund 154.000 Fällen sei ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Das entspricht weniger als einem Prozent der Bescheide. „Bei lediglich 0,6 Prozent dieser Widersprüche (also rund 1000 Fälle) waren tatsächlich Fehler aufgetreten“, erklärt die DRV. In 25,8 Prozent der Widersprüche, was 39.700 Fällen entspreche, habe die DRV von sich aus Bescheide im Abhilfeverfahren korrigiert. Grund sei, dass Unterlagen nachgereicht wurden, die bei Erteilung des Bescheids nicht vorgelegen hätten. „Solche pauschalen Aussagen sind daher falsch“, heißt es in der DRV-Mitteilung.
Rentenversicherung: „Risiko für Fehler sehr gering“ – Ursachen sind häufig fehlende Informationen
„Durch umfassende Kontroll- und Qualitätssicherungsmechanismen und eine fortschreitende Automatisierung von Abläufen ist das Risiko für mögliche Fehler sehr gering“, erklärt die Versicherung weiter. Sollten Fehler bei der Rentenberechnung festgestellt werden oder seien weitere Unterlagen eingegangen, erfolge die Korrektur von Amts wegen. Ein Antrag sei daher nicht nötig.
Als Ursachen für Fehler in Rentenbescheiden nennt die DRV fehlende Informationen der Rentenversicherung. „Versicherte sollten daher grundsätzlich darauf achten, dass keine Lücken in ihrem Versicherungsverlauf enthalten sind“, lautet die DRV-Empfehlung. Im Rentenantrag sollten alle Fragen vollständig beantwortet werden, Änderungen der persönlichen Verhältnisse sollte man der Rentenversicherung zeitnah mitteilen, lauten die Tipps. „Denn nicht alles, was wichtig für die Rente ist, wird der Rentenversicherung automatisch gemeldet“, heißt es weiter. „So müssen beispielsweise Schulzeiten, Studienzeiten und Kindererziehungszeiten individuell beantragt werden.“
Rentner sollten Bescheide prüfen – doch nicht alles können sie selbst entdecken
Laut Rentenberater Christian Lindner können Rentner jedoch nur „teilweise“ selbst kontrollieren, ob der Bescheid fehlerhaft ist. Diese könnten etwa vergleichen, ob die Meldungen der Arbeitgeber und der Versicherungsverlauf übereinstimmen. „Aber schwierig wird es bei fehlerhafter Rechtsanwendung“, sagte Lindner im Tagesspiegel-Interview. „Solche Fehler entdecken Laien nicht. Da ist es schon ratsam, einen Rentenberater hinzuzuziehen“, sagte der Rentenberater.
Wenn sie Fehler im Rentenbescheid entdecken, können Betroffene innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich Widerspruch einlegen. Danach gibt es zudem die Option, einen Überprüfungsantrag zu stellen. „In beiden Fällen sind eine Begründung und gegebenenfalls Nachweise beizufügen“, erklärt die DRV.
Rentenbescheide lassen sich noch Jahre später prüfen – Versicherung empfiehlt jedoch früh anzufangen
Eine Überprüfung sei laut Lindner auch noch „nach zehn oder 15 Jahren“ möglich. „Wenn sich herausstellt, dass man zu wenig Rente bekommt, erhält man eine Nachzahlung für vier Jahre“, erklärte der Experte. Man solle jedoch nicht zu lange warten. „Wenn sich nach 15 Jahren herausstellt, dass Ihre Rente zu niedrig ist, haben Sie elf Jahre verschenkt“, sagte Lindner.
Auch die DRV empfiehlt, bereits vor dem eigentlichen Rentenbescheid zu prüfen, ob Angaben fehlen. Bereits mit der ersten Renteninformation erhalten Beitragszahler ihren Versicherungsverlauf, wenn sie 27 Jahre oder älter sind und mindestens fünf Jahre Beiträge in die Rente eingezahlt haben. „Der Versicherungsverlauf sollte bereits zu diesem Zeitpunkt auf Lücken überprüft werden, da erforderliche Nachweise später eventuell nicht mehr vorliegen oder nur noch schwer zu beschaffen sind“, erklärt die DRV. „Im Rahmen einer Kontenklärung kann die Ergänzung fehlender Zeiten beantragt werden.“