Vor der Haustür der USA: China baut offenbar Abhörstationen in Kuba aus
Einem neuen Bericht zufolge baut China seine Spionageeinrichtungen in Kuba massiv aus. Wichtige Einrichtungen des US-Militärs liegen in unmittelbarer Nähe.
Vor einem Jahr ließ das Wall Street Journal die Bombe platzen: China wolle in Kuba eine Abhörstation bauen, mit dem Ziel, die USA auszuspionieren. Die Spionageeinrichtung könne Kommunikation aus dem Südosten der USA abfangen; Peking zahle Kuba für das Recht, von der Insel aus zu operieren, „mehrere Milliarden Dollar“, schrieb die Zeitung im Juni 2023. Wenige Tage später bestätigte US-Außenminister Antony Blinken den Bericht weitgehend und erklärte, China habe bereits „im Jahr 2019 seine nachrichtendienstlichen Erfassungseinrichtungen in Kuba aufgerüstet“. Peking wies die Anschuldigungen seinerzeit zurück.
Jetzt liefert ein Bericht der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) neue Hinweise zu chinesischen Aktivitäten in dem Inselstaat, der nur rund 160 Kilometer von Florida entfernt liegt. „Chinas Bestreben, seine weltweiten nachrichtendienstlichen Fähigkeiten zu erweitern, hat es bis vor die Haustür der Vereinigten Staaten geführt“, schreiben die Autoren. Ziele für chinesische Spionage gäbe es viele in der Region: Die USA betreiben in Florida mehrere Militärbasen, auch die Weltraumbahnhöfe am Cape Canaveral liegen dort.
Bericht: China nutzt vier Standorte auf Kuba, um die USA auszuspionieren
In Kuba nimmt der CSIS-Bericht vier Standorte unter die Lupe, an denen China „wahrscheinlich“ Spionageoperationen durchführe. Drei der Standorte liegen unmittelbar südlich der Hauptstadt Havanna; ein vierter im äußersten Südosten der Insel, in der Nähe der Stadt Santiago de Cuba, sei bislang nicht als Abhörstation bekannt gewesen.
Kuba sei der perfekte Standort, „um sensible Kommunikation und Aktivitäten in der Region zu überwachen, einschließlich derjenigen des US-Militärs“, heißt es in dem CSIS-Bericht. Um Kommunikationssignale wie Radiowellen verlässlich abzufangen, brauche es eine direkte „Sichtachse“ zwischen Sender und Empfänger. Physische Hindernisse sowie die Erdkrümmung würden die Überwachung aus großer Entfernung schwierig bis unmöglich machen – ein Hindernis für China, sollte es tatsächlich Einrichtungen im Südosten der USA ausspionieren wollen. Deswegen seien die Basen auf Kuba für Peking so wichtig. Die beiden sozialistischen Diktaturen China und Kuba unterhalten seit Jahrzehnten enge Beziehungen.
Satellitenbilder, die die CSIS-Autoren ausgewertet haben, legten nahe, dass Kuba die vier beobachteten Standorte in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut habe. So seien an den beiden Standorten Bejucal und Calabazar nahe Havanna Einrichtungen zur Überwachung des Weltraums vergrößert worden – obwohl Kuba kein eigenes Satelliten- oder Weltraumprogramm betreibe. China könnte die Abhörstationen nutzen, um beispielsweise Daten abzufangen, die von US-Satelliten an Einrichtungen der Militärs gesendet werden. Auch könnte China von dort aus Raketenstarts in Cape Canaveral überwachen. „Dies dürfte für China von großem Interesse sein, da das Land versucht, die führende Rolle der USA in der Raumfahrttechnologie zu übernehmen.“
„Würde es China ermöglichen, sich ein genaueres Bild von den militärischen Praktiken der USA zu machen“
„Das Sammeln von Daten über Aktivitäten wie Militärübungen, Raketentests, Raketenstarts und U-Boot-Manöver würde es China ermöglichen, sich ein genaueres Bild von den militärischen Praktiken der USA zu machen“, schreiben die CSIS-Analysten. Selbst verschlüsselte Daten seien von Nutzen: „Informationen über die Häufigkeit, den Ursprung, die Richtung und das Tempo des Kommunikationsverkehrs können einen erheblichen nachrichtendienstlichen Wert haben.“
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Beweise, dass China die kubanischen Abhörstationen wirklich nutzt, liefert der CSIS-Bericht nicht. Die chinesische Botschaft in Washington wies die Anschuldigungen bereits zurück. „Die USA sind zweifellos die führende Abhörmacht und verschonen nicht einmal ihre Verbündeten“, teilte ein Sprecher dem Wall Street Journal mit. „Die US-Seite hat wiederholt die Einrichtung von Spionagebasen durch China oder die Durchführung von Überwachungsaktivitäten in Kuba hochgespielt.“
Beziehungen zwischen China und USA stark belastet
Bereits vor den Enthüllungen vom vergangenen Juni gerieten Chinas weltweite Spionageaktivitäten in den Fokus der Weltöffentlichkeit: Anfang 2023 entdeckten die USA über ihrem Staatsgebiet einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon und schossen ihn wenig später ab. Peking sprach damals von einem Wetterballon, der vom Kurs abgekommen sei. Der Vorfall belastete das Verhältnis zwischen den beiden Atommächten massiv, US-Außenminister Blinken sagte einen geplanten China-Besuch kurzfristig ab.
Erst ein Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im November in Kalifornien brachte Entspannung in die Beziehungen. Neben den Spionagevorwürfen belastet vor allem Chinas Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der weiter eskalierende Handelskonflikt das Verhältnis zwischen Peking und Washington.