Alles wegen Trump: Nato-Gipfel plant „Historisches“ – und klammert Iran und Putin lieber aus
In Den Haag kommen die Nato-Staaten zu einem wichtigen Treffen zusammen. Skurril mutet an, dass das Hauptthema dieser Tage gar nicht erst auf den Tisch kommen soll.
Ein Gipfel mit Beteiligung Donald Trumps – da schrillen im globalen „Westen“ die Alarmglocken. Nach den G7 ist nun die Nato dran: In Den Haag nimmt Trump ab Dienstag zum ersten Mal seit 2019 wieder an einem Gipfeltreffen des Bündnisses teil. Und man ist gewarnt. Seinerzeit, im britischen Watford, schien Trump Frankreich einen Nato-Austritt nahezulegen und nannte Kanadas damaligen Premier Justin Trudeau „heuchlerisch“. Bei der Ausgabe ein Jahr zuvor hatte er gar laut über einen Abgang der USA nachgedacht.
Aber der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte gilt als „Trump-Flüsterer“. Er hat nun offenbar alles für ein möglichst reibungsloses Treffen vorbereitet. Die Inhalte sollten Trump gefallen: Mehr oder minder alle Nato-Staaten haben sich nach jahrelangem Unmut der USA auf höhere nationale Verteidigungsbudgets geeinigt. Nominell sogar auf jene fünf Prozent, die Trump (womöglich aus einer Laune heraus) als Ziel ausgerufen hatte.
Trump kehrt zum Nato-Gipfel zurück: „Historischer“ Plan – ganz nach Donald Trumps Geschmack
Als „historisch“ ordnet deshalb die US-Nachrichtenagentur AP den Nato-Termin in Den Haag ein. Sie sieht allerdings auch Risiken: Der Gipfel könne die Nato „einen“ – oder aber „Spaltungen zwischen 32 Alliierten vertiefen“. Als einendes Element gerade für die USA hat Rutte höhere Militärausgaben ausgemacht. Deutschland hatte früh die fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Aussicht gestellt, aufgeteilt auf 3,5 Prozent für Rüstung und 1,5 Prozent für militärisch nutzbare (Verkehrs-)Infrastruktur. Fast alle anderen Länder zogen nach.

Diese Geschlossenheit könnte der „historische“ Punkt des Treffens werden. Europa wolle Trump „bei Laune halten“, etwa um einen Abzug von US-Truppen aus Europa zu vermeiden, sagte Expertin Minna Ålander unserer Redaktion zuletzt. Spanien allerdings schert aus der Riege der Trump-Besänftiger aus. Premier Pedro Sánchez verkündete einen Sondertarif von 2,1 Prozent. Rutte tänzelte um diese Frage herum: Es gebe kein „opt-out“ – die Nato gehe fest davon aus, dass Spanien 3,5 Prozent investieren werden müsse, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Das Hintertürchen: Die Erreichung der Ziele solle 2029 überprüft werden.
Eine neue Umfrage in zwölf europäischen Ländern zeigt indes: Die Menschen in Europa scheinen größere Verteidigungsausgaben mehrheitlich zu begrüßen. In der Erhebung der Institute YouGov, Datapraxis und Norstat für die Denkfabrik European Council On Foreign Relations gab es in elf der zwölf Staaten – darunter Deutschland, Frankreich, Polen und Ungarn – zumindest eine relative Mehrheit für höhere Militärausgaben. Ein klares Nein gab es nur aus Italien. Auch in Spanien sprachen sich 46 Prozent der Befragten für ein größeres Verteidigungsbudget aus, 32 dagegen.
Alles für Trump: Ruttes Nato-Gipfel für „Leader mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne“ – ohne Thema Iran
Möglich scheint trotz der Misstöne aus Madrid, dass Trump bester Dinge beim Nato-Gipfel in den Niederlanden ankommt. Nach den US-Schlägen gegen Irans Atomprogramm samt folgendem Waffenstillstand im Israel-Iran-Krieg dürfte sich der US-Präsident als Sieger fühlen. Die Strategie der Europäer könnte lauten: gratulieren und schweigen. Denn das US-Eingreifen im Iran war zuvor in Europa durchaus kontrovers diskutiert worden. „Die Sorge vor Vergeltung und einer Eskalation dieses Krieges ist riesig“, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas noch am Montagvormittag. Besonders eine Schließung der Straße von Hormus sei eine große Gefahr. Und Emmanuel Macron zweifelte öffentlich an der Rechtmäßigkeit der US-Schläge.

Nach dem (brüchigen) Waffenstillstand könnte die Welt zumindest etwas freundlicher aussehen. Trumps Hochstimmung jedenfalls werde wohl kaum einer der anderen Nato-Leader stören wollen, mutmaßte der britische Guardian. Laut Rutte wird die Iran-Krise kein offizielles Thema sein – „Kernthema“ bleibe die gemeinsame Verteidigung. Der Guardian schrieb mit scharfer Feder von einem „zusammengekürzten“ Treffen, „designt für Anführer mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne“. Tatsächlich steht am Dienstagabend „nur“ ein Dinner auf dem Programm. Der inhaltliche Teil des Treffens soll am Mittwoch innerhalb weniger Stunden über die Bühne gehen.
Nato-Gipfel in Den Haag: Trump trifft Selenskyj – doch über Russland spricht die Nato lieber nicht
Dann wird ein wichtiger Protagonist nicht mehr dabei sein: Wolodymyr Selenskyj ist nur vor und beim Abendessen am Dienstag willkommen. Für den ukrainischen Präsidenten ist es immerhin eine Gelegenheit, Trump wieder einmal von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Eigentlich hätten sich die beiden unlängst beim G7-Gipfel in Kanada begegnen sollen – doch Trump reiste vorzeitig ab. Und ließ seine Vertreter auch eine im Tonfall scharfe Resolution zum Ukraine-Krieg blockieren.
Solch ein Szenario wird die Nato tunlichst vermeiden wollen, schon um neuerliche Häme und Überlegenheitsgefühle im Kreml gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Risiken hat Rutte – wo immer möglich – minimiert. Dass Trump schon vor dem Eröffnungsabendessen unter Theaterdonner den Gipfel verlässt, scheint zumindest unwahrscheinlich. Und ein gewagtes Kommuniqué im Ukraine-Krieg in Richtung Russland ist gar nicht erst eingeplant.
Dafür versicherten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Macron der Ukraine vorab in der Financial Times unverbrüchliche Solidarität. Das sei für Europas Stabilität entscheidend, schrieben sie. „Wir werden sicherstellen, dass die Ukraine aus diesem Krieg florierend, robust und sicher hervorgeht“, heißt es im Absatz zum Nato-Gipfel. Das „Wir“ bezog sich offenbar auf Deutschland und Frankreich. Rutte stellte aber am Montag auch noch klar: „Unsere Unterstützung für die Ukraine ist standhaft und wird fortdauern.“ Sein „Uns“ meinte die Nato. Trumps Haltung dazu ist nicht offiziell überliefert. (fn)