In der Marktgemeinde sitzt der Schock tief über die Bluttat am Tengelmann-Center

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Zusammenstehen in einer schwierigen Zeit: Am Tatort beim Tengelmann-Einkaufsmarkt in Murnau wurden deutsche und ukrainische Fahnen aufgestellt. © Bartl

Zwei junge Ukrainer werden während eines Reha-Aufenthalts in Murnau erstochen. Dringend tatverdächtig ist ein 57-jähriger Russe. Diese schreckliche Bluttat geht durch Mark und Bein der Marktgemeinde.

Murnau – Zwei junge Ukrainer haben den Einsatz an der Front überlebt. In Murnau werden sie während eines Reha-Aufenthalts erstochen. Dringend tatverdächtig ist ein 57-jähriger Russe, der bereits in Untersuchungshaft sitzt (Bericht Seite 6). Diese schreckliche Bluttat, die sich am Samstag unweit des Tengelmann-Einkaufscenters ereignete, geht Bürgern, Urlaubern und den Landsleuten der getöteten Männer (23, 36) durch Mark und Bein.

Der Anblick der am Tatort errichteten provisorischen Gedenkstätte ist für viele schwer zu ertragen. Bürger kommen, Geflüchtete und auch Urlauber, die das schöne Wetter in der Staffelsee-Gemeinde genießen wollten. Sie legen Blumen ab, zünden Kerzen an und stehen meist wortlos vor den aufgestellten Bildern der ermordeten Männer. „Nein Terrorismus! Nein Krieg! Nein Morde! Nein Tod!“ ist auf einem Plakat zu lesen. Unfassbar scheint die Tat, die sich an dem sonnigen Frühlingstag mitten in Murnau ereignet hat.

Eine der sichersten Regionen Bayerns

Der Sicherheitsbericht der Polizeiinspektion Murnau attestierte der Region erst vor wenigen Tagen, „eine der sichersten in Bayern“ zu sein. Dann diese Gräueltat. Sicher fühlen dürften sich Geflüchtete wie Bürger nach wie vor in Murnau, sagt Bürgermeister Rolf Beuting (ödp/Bürgerforum) nach der Tat: „Es gibt für niemanden Grund zur Besorgnis, dass das jetzt tägliche Routine werden könnte.“ Man verfüge über eine effektive Polizei und ein effizientes Sicherheitssystem, das habe der Fall gezeigt.

Am Tag nach der Tat besuchte Beuting die Mitbewohner der Ermordeten in der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Hotel Ludwig. Im Gespräch sollte die Trauer aufgefangen werden. Beuting wollte den Landsleuten der Getöteten damit zudem zeigen, „dass ihre Trauer auch unsere Trauer ist“, dass auch die Deutschen bestürzt seien über den schrecklichen Vorfall. Die Stimmung bei der Zusammenkunft sei von besonderer Betroffenheit geprägt gewesen, was Beuting darauf zurückführt, dass die Geflüchteten die Opfer kannten. Zudem sei gefragt worden, wie es nun weitergehe.

Beuting sagte einen Trauergottesdienst zu, weil er es für wichtig hält, „dass Gefühle einen Raum finden“. Und er bot ganz pragmatisch Hilfe an, etwa bei der Rückführung der Leichname in die Heimat, wo es Verwandte gebe. Beuting will wegen fehlender Erfahrungswerte im engen Kontakt mit Polizei und Landratsamt bleiben und lobt in dem Zusammenhang auch den Einsatz des Rathaus-Teams.

Russe lebte seit 2015 in Gemeindewohnung

Der Bürgermeister bedauerte, nicht informiert gewesen zu sein über nächtliche Ruhestörungen und übermäßigen Alkoholkonsum des dringend tatverdächtigen Russen. „Ich weiß nicht, warum Menschen sich nicht melden“, sagt er. Denn möglicherweise hätte die Kommune dann Abhilfe schaffen können. So wie sie es bei zurückliegenden Fällen bereits praktiziert habe. Man suche erst den Dialog, spreche dann Ermahnungen aus und ziehe im Falle auch Konsequenzen. Erst nach dem Mord sei er von Nachbarn des seit 2015 in einer Gemeindewohnung lebenden Tatverdächtigen über die „ungute Situation“ in Kenntnis gesetzt worden.

Den Ukrainern empfahl der Bürgermeister beim Gespräch am Sonntag eigenen Angaben nach, Vorsicht walten zu lassen beim Alkoholkonsum und sich im Falle nicht auf Diskussionen einzulassen. Übermäßiger Konsum sei in vielen Kommunen Thema, unabhängig von der Nationalität des Konsumenten. Daraus entwickle sich schnell eine „riskante, unkalkulierbare Situation“. Beuting glaubt, dass der Alkohol eine wesentliche Rolle gespielt hat bei dem Vorfall vergangenen Samstag. Von politisch motivierten Morden geht er nicht aus. Deshalb warnt er vor Spekulationen, davor, in die Tat „einen politischen Konflikt hineinzuinterpretieren“.

Murnau geprägt vom Goethe-Institut

Geschockt ist auch der stellvertretende Landrat des Landkreises Garmisch-Partenkirchen, Dr. Michael Rapp, über die Tat in seinem Wohnort: „Es ist etwas ganz Schreckliches passiert“, sagt er, „das trifft Murnau ins Mark in besonderer Weise“. Mit dem Fall werde vor Augen geführt, dass so etwas überall passieren könne. Auch in Murnau, das geprägt sei von jahrzehntelanger Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und internationalen Gästen, die für soziale Bindung weit über die Landesgrenze hinaus gesorgt hätten und stets wunderbar miteinander ausgekommen seien. Nun habe die heile Welt Risse bekommen, so Dr. Rapp, der zur Zeit der Auflösung des Instituts 2005 Bürgermeister der Marktgemeinde war. Rapp wohnt in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft und pflegt eigenen Angaben nach regelmäßig Kontakt zu den Geflüchteten in den Einrichtungen in der Region, unterstützt bei Problemen, sei‘s mit dem Internet oder bei der Mülltrennung.

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