Brauerei bewirbt Bier für schwangere Frauen – und erntet Shitstorm
Alkoholfreies Bier, das sich sogar für Schwangere eignet? Die Bitburger Brauerei startet mit einer Werbekampagne ins neue Jahr – und erhält viel Gegenwind.
Bitburg – Werbung muss Aufmerksamkeit erregen. Die neue Kampagne der Bitburger Brauerei schafft genau das. Die Traditionsbrauerei wirbt mit Schwangeren für ihr alkoholfreies Bier – und erntet damit auch negative Kommentare und Kritik von Experten.
Bitburger wirbt mit Schwangeren für alkoholfreies Bier
Der Jahresbeginn ist bei vielen gespickt mit guten Vorsätzen. Einer davon: Weniger Alkohol trinken. Passend zur Gesundheitskampagne „Dry January“ (zu Deutsch: Trockener Januar), die zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol aufruft, startete Bitburger eine Werbekampagne für sein alkoholfreies Bier mit dem Slogan: „Getestet von Müttern. Gebraut für euch alle“. Man wolle ganz gezielt jene Zielgruppe zu Wort kommen lassen, die die absoluten Expertinnen für Getränke ohne jeden Alkohol sind: schwangere Frauen und junge Mütter, erklärte Marketingdirektor Christoph Weber auf Anfrage von Horizont.
Im Netz entbrannte dazu eine Diskussion. Das Bild der Biertrinkenden Schwangeren erhielt einerseits überdurchschnittlich viele Likes in den sozialen Medien, aber auch zahlreiche negative Kommentare. Viele fanden die Kampagne schlicht geschmacklos. „Provokation um jeden Preis macht noch lange keine gute Werbung“, schrieb etwa ein Nutzer auf Instagram. „Dass es zu Missverständnissen und Kritik kommt, tut uns leid und war ganz sicher nicht beabsichtigt - gerade das Thema Verantwortung hat bei allen unseren Überlegungen eine große Rolle gespielt“, kommentierte Weber die teils negativen Reaktionen.
Alkoholfreies Bier für Schwangere? Das sagen Experten

Experten für fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) schlagen Alarm. Das Kampagnenfoto sei ein „völlig falsches Signal“, sagte etwa Tobias Wolff vom FASD Fachzentrum Hamburg, dem Hamburger Abendblatt und legte Beschwerde beim Werberat ein. „Diese Kampagne sorgt doch eher dafür, dass der Genuss von Bier verharmlost wird“, so Wolff weiter. Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann die Ungeborenen schwer schädigen. „Es kann zum Beispiel zu Fehlbildungen des Skeletts und des Gesichts kommen, außerdem zu Nierenschäden, Herzfehlbildungen und anderen, vor allem neurologischen Entwicklungsverzögerungen“, erklärte Frauenärztin Judith Bildau im Gespräch mit RTL. Dazu zählen etwa geistige Behinderungen und Lern-, Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen.
Das Problem: Auch in alkoholfreiem Bier kann Restalkohol enthalten sein. „Um es herzustellen, wird zunächst Bier gebraut, das einen ganz normalen Alkoholgehalt hat. Dann erfolgt ein Prozess, der diesen entzieht. Mit der heutigen Technik ist dies allerdings nicht immer garantiert. Deshalb verbleibt häufig ein Restalkoholgehalt“, so die Expertin Bildau weiter. Solange die Grenze unter 0,5 Volumenprozent Alkohol liegt, darf ein Bier in Deutschland als alkoholfrei bezeichnet werden.
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Bitburger über alkoholfreies Bier: „Restalkohol geringer als bei Apfelsaft“
Bitburger hält dagegen: „Gerade weil während der Schwangerschaft und der Stillzeit keinerlei Alkohol getrunken werden sollte, wollten wir mit unserem komplett alkoholfreien Bitburger 0,0 Prozent eine echte Alternative aufzeigen“, so die Brauerei zu RTL. Der Restalkohol des alkoholfreien Bieres ergebe „mathematisch gesehen stets 0,0 Prozent“ und sei „sogar geringer als bei Apfelsaft und auch für werdende Mütter unbedenklich“, hieß es weiter.
Pro Jahr kommen in Deutschland rund 10.000 Kinder mit FASD auf die Welt und benötigen teilweise ein Leben lang Hilfe. „Etwa 80 Prozent der Betroffenen können nicht dauerhaft einer Arbeit nachgehen, 70 Prozent sind auf Betreuung angewiesen, 60 Prozent entwickeln eine Suchtstörung“, so die Diplompsychologin Gela Becker gegenüber Spektrum der Wissenschaft. Tragisch sei, dass FASD zu 100 Prozent vermeidbar wäre, erklärt das FASD Fachzentrum Hamburg dazu und warnt auf seiner Webseite: „Es gibt keine sichere Menge (Alkohol)“.