Polen wirft Orbán Kuschelkurs mit Putin vor – Ungarn attackiert LGBTQIA+-Szene

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Polens Außenminister Sikorski wirft Ungarn eine Nähe zu Russland vor. Derweil baut die Regierung in Budapest die Rechte der LGBTQIA+-Szene ab.

Luxemburg/Budapest – Der polnische Außenminister Radosław Sikorski hat Ungarn einen Mangel an „moralischer Klarheit“ in Bezug auf Russlands Krieg in der Ukraine und den russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen. Das berichtet Kyiv Independent. Nach einem Treffen des EU-Außenministerrates in Luxemburg sagte Sikorski: Viele Außenminister der europäischen Mitgliedsstaaten hätten nach den jüngsten russischen Angriffen auf die ukrainischen Städte Sumy und Krywyj Rih härtere Sanktionen gegen Russland gefordert.

„Aber wir wissen, dass es ein Land – Ungarn – gibt, dem die moralische Klarheit fehlt, die wir angesichts der Angriffe Putins haben“, sagte Sikorski. Putin rede vom Frieden im Ukraine-Krieg, „während er Zivilisten bombardiert und Kinder tötet.“

Polen kritisiert Ungarns Blockade gegen ukrainische Militärhilfe

Sikorski verurteilte Ungarns anhaltende Blockade der Militärhilfe für die Ukraine und die Verzögerung der EU-Beitrittsgespräche. Verhandlungen mit ungarischen Vertretern von Ministerpräsident Viktor Orbán seien „wie ein Gespräch gegen eine Wand.“ Vor wenigen Tagen hatte Estland gefordert, Ungarn vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen.

Derweil geht die ungarische Regierung innenpolitisch stärker gegen Minderheiten vor. Am Wochenende hat die regierende Fidesz-KNDP-Koalition eine weitreichende Verfassungsänderung beschlossen: Mit Zusatz Nummer 15 der Verfassung kann die Regierung nun Pride-Paraden und ähnliche Veranstaltungen verbieten, berichtet die Tagesschau. Das bereits vor einem Monat im Eilverfahren verabschiedete Gesetz hat nun eine Grundlage.

Gegen das neue Gesetz demonstrierten Hunderte Menschen. Die proeuropäische Partei Momentum rief zum Protest auf, die ebenfalls oppositionelle DK bekundete ihre Solidarität. Die Verfassungsänderung bewerten zahlreiche Kritikerinnen und Kritiker als Angriff auf die Demokratie. Es ist ein weiteres Beispiel für die repressive Politik der rechtspopulistischen Fidesz-Partei unter Orbán.

Ungarische Orbán-Regierung greift LGBTQIA+-Szene an

Die Regierung beruft sich für ihr neues Gesetz auf den vermeintlichen Kinder- und Jugendschutz. Veranstalter und Teilnehmer von Pride-Paraden müssen ab sofort –mit Verweis auf das Recht der Kinder und deren „gesunder Entwicklung“ – mit Strafen rechnen. Verstöße werden mit umgerechnet bis zu rund 500 Euro geahndet, die Polizei darf Gesichtserkennungssoftware bei solchen Veranstaltungen einsetzen. Damit droht auch der besonders bunten, jährlichen Budapester Pride-Parade das Ende.

Erst im Sommer 2024 reiste Viktor Orban nach Moskau – es gibt weiter gute Drähte zu Putins Russland.
Kein Bild aus grauer Vorzeit: Erst im Sommer 2024 reiste Viktor Orban nach Moskau – es gibt weiter gute Drähte zu Putins Russland. © IMAGO/Valeriy Sharifulin

Bereits seit 2021 darf Minderjährigen in Ungarn kein Zugang zu Büchern, Filmen und anderen Medien gewährt werden, in denen Homosexualität oder alternative Familienmodelle thematisiert werden. Laut Grundgesetz ist der Vater ein Mann und die Mutter eine Frau. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen seit einigen Jahren keine Kinder adoptieren.

Von einem „Frontalangriff auf die LGBTQIA+-Community“ sprach jüngst der Direktor von Amnesty International in Ungarn, David Vig. Die Begründung des Kinderschutzes sei fadenscheinig und basiere auf „tief verwurzelter Diskriminierung, Homophobie und Transphobie“.

Orbán kann Doppelstaatlern die ungarische Staatsbürgerschaft vorübergehend entziehen

Ein zweiter Beschluss zielt auf transidentitäre und intergeschlechtliche Menschen. Also jene, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen als bei dem bei der Geburt zugewiesenen oder die mit atypischen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden. Die ungarische Regierung akzeptiert die Existenz dieser non-binären Personen nicht. Nun heißt es dazu in der Verfassung: Das Geschlecht einer Person kann bei der Geburt entweder männlich oder weiblich sein.

In einem dritten Beschluss hat sich Orbán weitere Befugnisse im Vorgehen gegen Andersdenkende verschafft. Laut Grundgesetz kann die ungarische Staatsbürgerschaft von Doppelstaatlern vorübergehend ausgesetzt werden – ohne echte Begründung oder Beweise. (Jan-Frederik Wendt)

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