„Totalverweigerer“ beim Bürgergeld – „Heil könnte sogar härter vorgehen“
Die Ampel will stärkere Bürgergeld-Sanktionen einführen. Bundessozialgerichts-Präsident Schlegel behauptet jetzt, sogar noch härtere Maßnahmen wären möglich.
Berlin – Das Bürgergeld wird zum Reizthema schlechthin in der Bevölkerung. Endlose Debatten gibt es darum, ob sich das Arbeiten für manche Leute unter derartigen Bezügen, wie sie das Arbeitsministerium aktuell vorsieht, überhaupt noch rentiert. Auch in der Ampel sind die Fronten verhärtet. Besonders Finanzminister Christian Lindner (FDP), der kürzlich eine Nullrunde für das Bürgergeld ankündigte, und Arbeitsminister Hubertus Heil kommen nicht auf einen Nenner.
Heil selber plant bereits Sanktionen und Kürzungen für Bürgergeld-Empfänger, die zumutbare Arbeit beharrlich ablehnen. Die Pläne sollen etwa möglich machen, bei derartigen Ablehnungen die Regelleistungen für zwei Monate zu streichen. Die Ampel erhofft sich dadurch Einsparungen im Milliardenbereich. Der Union etwa geht das allerdings nicht weit genug. Ein Experte meint nun zudem, dass ein noch schärferes Durchgreifen absolut möglich sei.
Bundessozialgerichts-Präsident kritisiert neue Bürgergeld-Pläne
Rainer Schlegel, Richter und Präsident des Bundessozialgerichts, beäugt die Bürgergeld-Erhöhung, die seit Januar 2024 greift, durchaus kritisch. Unter anderem habe die Gesetzesanpassung auch „die Schwelle, ab wann man bedürftig ist, sehr deutlich abgesenkt“, erklärt er im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Parameter seien dabei gar nicht vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, dies habe lediglich festgelegt, dass das „Bürgergeld ein soziokulturelles Existenzminimum sichern“ müsse. Eine bestimmte Höhe sei nicht vorgegeben.

Schlegel kritisiert außerdem, dass die Pläne zur Leistungsminderung bei Leuten, die nicht ausreichend mit dem Jobcenter kooperieren, nicht konsequent durchgesetzt werden würden. Für die Jobcenter-Mitarbeiter seien die Aktionen „unbequem“, man müsse von den gesetzlichen Möglichkeiten rund um Verstöße aber „Gebrauch machen“. Auch auf den Vorschlag von Jens Spahn, notfalls das Grundgesetz zu ändern, um härter gegen Bürgergeld-Verweigerer durchzugreifen, hat Schlegel eine Antwort.
Arbeitsverweigerern Bürgergeld ganz streichen? „Karlsruhe ermöglicht auch vollständigen Leistungsentzug“
Laut dem Experten sei dies nämlich gar nicht notwendig. Bereits in der Rechtssprechung zu Hartz IV habe das Verfassungsgericht nämlich „klipp und klar ausgeführt, dass Totalverweigerern Leistungen versagt werden können, wenn sie eine ihnen zumutbare Arbeit ohne sachlichen Grund ablehnen“, so Schlegel im FAZ-Interview. Die befristete Bürgergeld-Streichung für zwei Monate für „Totalverweigerer“ bewertet er daher als Schritt in die richtige Richtung.
Die Sanktionen seien zwar kein Allheilmittel für den schwierigen Bundeshaushalt 2024. „Aber der Umgang mit dieser Gruppe ist ganz entscheidend dafür, ob das Gesamtsystem von der breiten Bevölkerung akzeptiert wird“, so Schlegel weiter, der gar ins Spiel bringt: „Minister Heil könnte gegenüber Totalverweigerern sogar härter vorgehen, als die Bundesregierung es jetzt plant“.
„Karlsruhe ermöglicht auch vollständigen Leistungsentzug“, erklärt er im FAZ-Gespräch, erwähnt aber auch, dass die Regierung nicht so weit gehen wird. Bisher blieben etwa die Zahlungen für Unterkunft oder Heizung unberührt. „Ich verstehe, dass man keine Obdachlosigkeit schaffen möchte“, erwähnt der Richter. Er bringt aber etwa eine Differenzierung zwischen Alleinstehenden oder Menschen mit Verantwortung für ihre Familie ins Spiel.