Tucson aufgeschreckt: US-Elite trainiert mit Putins Allzweck-Helikopter mitten in der Stadt
US-Spezialeinheit ist vernarrt in Mi-17-Hubschrauber und irritiert häufig die eigenen Zivilisten. Russlands Wunderwaffe wird auch von der Bundeswehr genutzt.
Tucson – „Das Einzige, was ich wusste, war, dass es viel Lärm gab, Blendgranaten, Hubschrauber, Personal, Lichter, Sirenen und solche Sachen“, sagte Chris Nanos. Auf dem lokalen Sender KOLD News 13 entschuldigte sich der Sheriff von Pima County in Arizona für ein Training amerikanischer Spezialeinheiten, das er offenbar zu schlecht kommuniziert hatte. Die Anwohner seien verängstigt gewesen – nicht nur wegen des nächtlichen Lärms, sondern vor allem wegen der Fahrzeuge: Ein russischer Hubschrauber spielte eine gewichtige Rolle in der Übung. In einer Zeit des Ukraine-Krieges sowie des Krieges in Israel brach Angst und Schrecken aus im Land von US-Präsident Donald Trump.
„Von geheimer US-Einheit geflogener Mi-17-Hubschrauber russischer Bauart landet auf Bauernfeld“, titelte bereits 2021 das Magazin The War Zone (TWZ) – tatsächlich sei der Helikopter ein stark frequentiertes Transportmittel und Übungsgerät einer der geheimsten Flugeinheiten des US-Militärs, wie TWZ-Autor Joseph Trevithick formuliert. Den Mi-17 Hubschrauber (Nato-Codename „Hip“) sollen US-Spezialeinheiten gern bei Auslandseinsätzen nutzen, um ihre eigene Herkunft zu verschleiern: „Es ist erwähnenswert, dass auch der US-Geheimdienst CIA seit langem Mi-17-Varianten einsetzt, unter anderem über verschiedene geheime Vertragspartner. Mit der CIA verbundene HIPs waren im Rahmen der Evakuierungsoperationen in Afghanistan nach der Eroberung der Hauptstadt Kabul durch die Taliban im August 2021 deutlich sichtbar aktiv“, schreibt Trevithick.
Nahost-Erfahrung: USA nutzen Mi-17 zur Evakuierung nach Eroberung der Hauptstadt Kabul durch die Taliban
Nutzer der Waffe sei demnach das Aviation Technology Office (ATO), früher bekannt als Flight Concepts Division (FCD); das gehört zur US-Armee zur Hubschrauberunterstützung für das Joint Special Operations Command (JSOC) als eine Einheit für verdeckte oder geheime Hubschrauberunterstützung für den Einsatz von Spezialeinheiten, so TWZ. Die dazu gehörenden Soldaten bilden also eher eine logistische Unterstützung beziehungsweise auch eine technische, die auch Waffen entwickelt.
„Wenn man in den USA seinen Alltag verbringt, rechnet man am wenigsten damit, einen russischen Hubschrauber auf dem örtlichen Flughafen landen zu sehen. Man könnte sich fragen, wie das passieren konnte, aber die Antwort ist einfach: Der Hubschrauber russischer Bauart wird vom US-Militär betrieben.“
Laut The War Zone habe die Einheit wohl dazu beigetragen, aus dem UH-60 Black Hawk-Hubschrauber eine Stealth-Variante entwickelt zu haben – die habe dann 2011 entscheidend dazu beigetragen, im pakistanischen Abbottabad, den lange gesuchten damaligen Al-Qaida-Anführer Osama Bin Laden zu stellen. Aber auch direkt werde der russische Transporter vom US-Auslandsgeheimdienst CIA eingesetzt, mit – wahrscheinlich angemieteten – Mi-17 im Rahmen der Evakuierung aus Kabul.
In Tucson, Arizona kam erneut ein grau gestrichener Mi-17-Hubschrauber zum Einsatz und hatte Zivilisten keineswegs in Sicherheit gewoben, sondern im Gegenteil erschreckt – wie zuvor bereits im Oktober 2024. „Wenn man in den USA seinen Alltag verbringt, rechnet man am wenigsten damit, einen russischen Hubschrauber auf dem örtlichen Flughafen landen zu sehen. Man könnte sich fragen, wie das passieren konnte, aber die Antwort ist einfach: Der Hubschrauber russischer Bauart wird vom US-Militär betrieben“, schrieb darüber Stefano D‘Urso im Fachmagazin The Aviationist.
Waffe des Iran: Masse an Mi-17-Hubschraubern, die möglicherweise direkt aus Russland geliefert wurden
In Tucson gehörte der Russen-Helikopter zu einer Gruppe verschiedener Modelle, die nachts sehr tief über die Stadt und in die Stadt hineingeflogen waren. Das Gelände einer verlassenen Schule war wohl als Übungsgelände genutzt worden. Wie der Aviationist berichtet, ist davon auszugehen, dass die geheime Aviation Technology Office-Einheit der US-Armee vermutlich mehrere Mi-17-Hubschrauber betreibe. Das Magazin geht aus von 30 Exemplaren – bisher seien fünf verschiedene Modelle in verschiedenen Ausführungen und auch verschiedenen Tarnmustern ausgemacht worden.
Wie The War Zone berichtet, soll die CIA früh die Dienste des Mi-17 beansprucht haben, als sie ihre Operationen in Afghanistan nach Nine-Eleven begannen. Wie Joseph Trevithick schreibt, sollen die ersten US-Kommando-Einheiten von Usbekistan aus in Mi-17-Hubschraubern nach Afghanistan eingesickert sein. „Die CIA entschied sich für die russischen Hubschrauber aufgrund ihrer Einsatzfähigkeit in der afghanischen ,hot and high‘-Umgebung (heiß und hoch – eine Mischung aus hohen Temperaturen und großer Höhe, die die Luftdichte verringert), ihrer robusten und relativ einfachen Konstruktion und weil die Taliban ähnliche Typen einsetzten, wodurch sie leichter unentdeckt blieben“, schreibt Trevithick.
Das Modell scheint für Testzwecke oder verdeckte Einsätze so enorm beliebt zu sein, weil der Mi-17 sowie dessen Ursprungsmodell Mi-8 das mit geschätzten 17.000 Exemplaren weltweit meistproduzierte Hubschraubermodell darstellt, schreibt Stefano D‘Urso. Tatsächlich verfügt auch der Iran über eine Masse an Mi-17-Hubschraubern, die möglicherweise direkt aus Russland geliefert worden waren. Auch der Irak hatte dieses Hubschrauber-Modell eingesetzt; vor der Machtübernahme der Taliban hatten aber die USA bereits Ansprüche erhoben und die Maschinen konfisziert, oder die Maschinen hatten sich zu der Zeit zur Wartung im Ausland befunden, wie die Flugrevue eingangs des Ukraine-Krieges berichtet hatte.
Ukraine-Krieg: Mi-17 eine der ersten Militärhilfen unter dem 46. US-Präsidenten Joe Biden gewesen sein
Laut dem US-Nachrichtensender CNN sollen die Maschinen eine der ersten Militärhilfen an die Ukraine unter dem 46. US-Präsidenten Joe Biden gewesen sein. Die Anzahl der abgegebenen Maschinen wird mit 16 Exemplaren angegeben. „Auf dem Flugzeugfriedhof Davis-Monthan in Tucson lagern daneben sechs Mi-17W5 sowie eine Mi-8 – mutmaßliche Fluchthubschrauber afghanischer Deserteure, die von der US Air Force eingesammelt und Ende 2021 dort hin verfrachtet wurden“, schreibt Flugrevue-Autor Patrick Zwerger. Möglicherweise speist das ATO daraus auch ihren Nachschub.
Dem ukrainischen Magazin Mezha Media zufolge hatte das Pentagon im Jahr 2011 sogar bis zu 63 Mi-17 direkt in Russland bestellt – die sollten direkt an die afghanische Armee gehen. Wie das Medium schreibt, sei der Vertrag allerdings mit Beginn des russisch-ukrainischen Konflikts 2014 ausgesetzt worden; demzufolge hatte das Pentagon für die Maschinen aber bereits fast eine Milliarde Dollar investiert. Wie viele Maschinen die USA aus dem Vertrag letztendlich herausbekommen haben, ist unbekannt.
Tatsächlich hat auch die Bundeswehr Nutzen aus russischen Mi-17-Hubschraubern gezogen, worauf das Magazin Augen geradeaus! hinweist: 2018 während ihrer Mission in Afghanistan: „Es war ein Routineflug, am 2. Dezember vergangenen Jahres: Zwei Hubschrauber vom russischen Typ Mi-17, betrieben von einem zivilen Unternehmen, flogen wie schon oft Soldaten der Nato-geführten Resolute Support Mission (RS) von Kundus im Norden Afghanistans zurück nach Masar-i-Scharif.“ Bemerkenswert war die Aktion in den Augen von Autor Thomas Wiegold, weil die Maschine über dem Distrikt Char Darrah bei Kundus unter Beschuss geriet und nach der Landung Treffer von Handwaffen identifiziert worden waren.
Tatsächlich hatte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Transport von Zivilisten und eigenen Truppen teilweise für Zeiträume von mehreren Monaten an Fremdfirmen vergeben. Was Wiegold angesichts des lediglich rudimentären Schutzes des Mi-17 Helikopters für befremdlich hielt. Möglicherweise sind auch in den USA Piloten und Maschinen von Fremdfirmen in die Übungen involviert. Nach Aussagen von TWZ suchten die Spezialeinheiten jedenfalls regelmäßig die Nähe zu zivilen und alltäglich genutzten Einrichtungen, weil sie in deren Bauten wertvolle Möglichkeiten zur Optimierung wichtiger Fähigkeiten vorfänden – das, was sie unter Laborbedingungen in ihren Trainingsumgebungen vermissten, so Joseph Trevithick.
Gegenüber KOLD News 13 jedenfalls gab sich Sheriff Chris Nanos schuldbewusst. Dass die Anwohner verschreckt waren, sei allein ihm zuzuschreiben; ein Missverständnis, das aus seiner mangelhaften Kommunikation ob der geplanten Übung resultierte. „So etwas wird nie wieder passieren. Mein Team schämt sich genauso wie ich, dass wir das nicht durchdacht haben.“