Ex-Prostituierte spricht über Ausstieg aus der Sexarbeit

Vivien Allrogger war vier Jahre lang Prostituierte. "Ich wollte nur Geld verdienen", sagt sie heute. Neben einem Freiwilligen Sozialen Jahr suchte sie nach einer schnellen Einkommensquelle – und rutschte in die Sexarbeit.

Zunächst arbeitete sie als Escortdame, später auch als Domina. "Ich habe nicht jeden Fetisch bedient, aber teilweise auch Gewalt angewendet, wenn Männer das wollten." Körperlich sei sie oft krank gewesen, seelisch ausgelaugt: "Obwohl man vermeintliche Bestätigung durch ganz viele Männer bekommt, wird man gleichzeitig nur auf die körperliche Ebene reduziert und objektifiziert."

Vivien unterstützt heute "Sisters"-Verein

Heute engagiert sich Vivien im Verein "Sisters", der Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft. Sisters kämpft für das nordische Modell: Freier bestrafen, Prostituierte schützen. "Es ist nicht normal, dass sich Männer einen Zugang zu einem Körper kaufen können", sagt Vivien.

Verein Kassandra: Für die Anerkennung von Sexarbeit

In Nürnberg trifft ihre Haltung auf Widerstand – und auf einen anderen Verein: "Kassandra". Dort sieht man Sexarbeit als legitime Berufswahl. Der Verein hilft bei der Gewerbe-Anmeldung, bietet Sprachkurse an und unterstützt Menschen in der Prostitution bei Alltagsfragen. "Die Frauen haben manchmal die Schnauze voll: Da kommt schon wieder jemand und will mich retten. Aber ich will hier Geld verdienen. Ich möchte nicht gerettet werden", sagt Konstantin Dellbrügge, Leiter von "Kassandra".

Prostitution Mittelfranken
In Mittelfranken arbeiten täglich 1000 Prostituierte. Bayerischer Rundfunk

Nürnberg als Brennpunkt für unterschiedliche Ansätze

Die Meinungen prallen in einer Stadt aufeinander, die täglich rund 1000 Prostituierte zählt – oft in Wohnungen oder Hotels, selten sichtbar. Sowohl "Sisters" als auch "Kassandra" sind sich einig: Zwangsprostitution und Menschenhandel müssen bekämpft werden. Die Dunkelziffer ist hoch, Ermittlungen oft schwierig.

Gezwungen wurde Ex-Prostituierte Vivien nie, trotzdem häuften sich negative Erfahrungen. Der Ausstieg kam an Silvester 2022 – mit einem neuen Partner und dem Entschluss: nie wieder.

Nürnberg bleibt Schauplatz eines tiefen gesellschaftlichen Konflikts. Zwischen Selbstbestimmung und Schutz, zwischen Akzeptanz und Ausstieg. Und zwischen zwei sehr verschiedenen Vorstellungen davon, was ein freies Leben bedeutet.

Das Video stammt aus der Video-Reihe BR24 vor Ort des Bayerischen Rundfunk und wurde am 24.04.25 veröffentlicht. Mehr zum Thema gibt es bei BR24: Sex gegen Geld: Prostitution normalisieren oder abschaffen?