Wird Trump nicht zum "Deal Maker", gerät Kiew in eine brandgefährliche Lage
US-Präsident Donald Trump pokert hoch: Bereits nächste Woche will er sich mit dem russischen Amtskollegen Wladimir Putin treffen, um dessen Krieg gegen die Ukraine zu beenden, und gleich danach den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als dritten Verhandlungspartner hinzuziehen.
Das hat Trump am Mittwoch in einem Telefonat mit europäischen Staats- und Regierungschefs bekannt gegeben. An der Telefonkonferenz nahmen laut Trump Bundeskanzler Friedrich Merz, der britische Premier Keir Starmer und Nato-Generalsekretär Mark Rutte teil, sowie auf amerikanischer Seite Vizepräsident J.D. Vance, Außenminister Marco Rubio und Trumps Sondergesandter Steve Witkoff. An den geplanten Treffen mit Putin und Selenskyj sollen hingegen keine Europäer beteiligt werden.
Ob Putin einem Treffen zugestimmt hat, blieb offen
„Alle sind sich einig, dass dieser Krieg beendet werden muss, und wir werden in den kommenden Tagen und Wochen darauf hinarbeiten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“, schrieb Trump auf in seinem Social-Media-Netzwerk Truth Social.
Ob der russische Präsident einem solchen Treffen zugestimmt hat, blieb zunächst ebenso offen wie die Bedingungen, zu denen Trump offenkundig einen Frieden zwischen Moskau und Kiew erwirken will.
Selenskyj war jedoch bei Trumps Telefonat mit europäischen Staats- und Regierungschefs dabei und bestätigte anschließend, er habe ein „Gespräch mit Präsident Trump“ geführt. Seine und die Position der europäischen Staats- und Regierungschefs sei, dass „der Krieg enden muss“, aber benötigt werde „ein ehrliches Ende“.
Ultimatum ursprünglich auf 50 Tage bemessen
Kurz zuvor hatte Trump seine Drohung von „Sekundärzöllen“ gegen Staaten wahrgemacht, die trotz Putins bisherigem Unwillen, die Kriegshandlungen einzustellen, mit Russland Geschäfte machen. Der US-Präsident verkündete am Mittwoch, dass die Zölle auf Importe aus Indien auf 50 Prozent verdoppelt werden - als Strafe für den anhaltenden Kauf von russischem Erdöl.
Ein entsprechendes Ultimatum hatte Trump ursprünglich auf 50 Tage bemessen, aber am Montag vergangener Woche unter dem Eindruck zunehmender russischer Angriffe gegen ukrainische Wohngebiete und Zivilisten auf „zehn bis zwölf Tage“ verkürzt, die an diesem Freitag enden sollten – nun hat er die Konsequenzen für Indien schon zwei Tage vorher verkündet. Der höhere Zoll wird noch in diesem Monat in Kraft treten, heißt es in Washington.
Trumps Gesandter Steve Witkoff war am Mittwoch in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Gesprächen zusammengetroffen. Trump hatte die Gespräche vorab als entscheidend für die Verhängung neuer Sanktionen gegen Moskau und dessen Handelspartner bezeichnet und sprach anschließend von einer „mehrstündigen Begegnung“ zwischen Putin und Witkoff. Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow lobte das Treffen als „sehr nützlich und konstruktiv“, nannte aber keine Einzelheiten.
Trump mag es nicht, wenn seine Wünsche ignoriert werden
Sollte Putin ernsthaft einlenken, wäre zu beobachten, welche Konditionen er sich von Trump zugestehen lassen möchte. Unter Berufung auf drei ungenannte Quellen aus dem Kreml-Umfeld hatte Reuters noch am Mittwoch berichtet, der russische Präsident wolle sich dem Sanktionsultimatum des amerikanischen Amtskollegen nicht beugen, weil er glaube, den Krieg zu gewinnen, und seine militärischen Ziele hätten Vorrang vor dem Interesse, die Beziehungen zu den USA zu verbessern.

Trump, der es gar nicht mag, wenn seine Wünsche ignoriert werden, hatte am Sonntag im Vorfeld des Besuchs seines Vertrauten in Moskau gesagt: „Sie würden (Witkoff) gerne sehen.“ Und weiter: „Sie haben darum gebeten, dass er zum Treffen kommt, also werden wir sehen, was passiert.“
Es war Witkoffs fünfte Begegnung mit Putin seit Trumps Amtsantritt im Januar. Doch dass Putin einem Unterhändler aus dem Weißen Haus das Ende des Angriffs gegen die Ukraine verkünden würde, war von Beginn an unwahrscheinlich.
Dazu wäre mindestens ein Gipfel der beiden Präsidenten notwendig – und das würde Putin zudem einige weitere Tage schenken, um seine militärische Offensive voranzutreiben und die russische Annexion der ukrainischen Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sicherzustellen.
US-Präsident hat seine Position mehrfach variiert
An der Wiederherstellung des einst guten Verhältnisses zu Trump dürfte Putin aber auch gelegen sein. Immerhin ist für den Kreml-Chef nicht zu übersehen, dass er im Weißen Haus längst nicht mehr so wohlgelitten ist wie vor einem halben Jahr.
Noch Ende Februar hatte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als „Diktator“ beschimpft, ihm die Schuld am Fortgang des russisch-ukrainischen Krieges gegeben und ihn aus dem Weißen Haus geworfen.
Seitdem hat der US-Präsident seine Position mehrfach variiert und ist auf Distanz zu Putin gegangen. Zunehmend ließ er seinen Ärger darüber erkennen, dass der russische Amtskollege ungeachtet seines Appells die Bombardierung ukrainischer Städte nicht eingestellt, sondern gar intensiviert hat.
Erst am Donnerstag war es zum bislang tödlichsten russischen Angriff auf Kiew gekommen, als durch Drohnen- und Raketenbeschuss 31 Menschen starben, darunter fünf Kinder, und über 150 Personen verletzt wurden. Insgesamt sind laut UN-Einschätzungen bereits 12.000 ukrainische Zivilisten in dem Krieg ums Leben gekommen.
Selbst Trump lässt wieder Waffen liefern
Putin macht an der Front Fortschritte und erobert in mäßigem Tempo Territorium. Allerdings deutete bislang nichts auf einen kurzfristigen Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigung hin, zumal die Nato-Verbündeten den im März 2022 angegriffenen europäischen Flankenstaat weiterhin unterstützen.
Selbst Trump lässt wieder Waffen und Patriot-Abwehrsysteme liefern, auch wenn die Europäer dafür zahlen sollen. Und das ukrainische Militär setzt den Invasoren weiterhin zu. Jüngst löst ein ukrainischer Drohnenangriff auf ein russisches Öldepot in der Nähe des Schwarzmeer-Ferienorts Sotschi einen Großbrand aus
Doch die Kräfteverhältnisse werden dadurch nicht grundlegend verändert. Auch die von Trump persönlich angeordnete Entsendung von zwei amerikanischen, nuklear bewaffneten U-Booten näher in Richtung Russen (die exakte Positionierung wurde nicht mitgeteilt) macht mutmaßlich nur begrenzt Eindruck in Moskau.
Putin hat stur an seinem Kurs festgehalten
Trump hatte mit der Dislozierung reagiert auf „äußerst provokative Äußerungen“ des Putin-Getreuen Dmitri Medwedew: Der Ukraine-Feldzug könne Russland und die USA in einen bewaffneten Konflikt treiben, hatte der russische Ex-Präsident getönt.
Putin hat während des gesamten Krieges stur an seinem Kurs festgehalten: Er werde nur eine Einigung zu seinen Bedingungen akzeptieren und so lange weiterkämpfen, bis diese erfüllt würden.
Laut BBC hat sich die Zahl der russischen Angriffe auf die Ukraine zwischen dem 20. Januar – dem Beginn von Trumps Präsidentschaft – und dem 19. Juli auf 27.158 Munitionsladungen erhöht, verglichen mit 11.614 Vorfällen in den letzten sechs Monaten von Bidens Amtszeit – das ist weit mehr als eine Verdoppelung.
Trump selbst befand dieser Tage, Russland sei „ziemlich gut darin, Sanktionen zu vermeiden“. Den Russen attestierte er mit einer Mischung aus Kritik und Respekt: „Sie sind gerissene Charaktere.“ Der Machtmensch, der im Wahlkampf versprach, den Krieg durch je einen Anruf bei Putin und Selenskyj binnen 24 Stunden beenden zu können, wirkt desillusioniert.
Sanktionsregime belastet US-Verhältnis zu Indien
Auch der Kreml behauptet, die mehrfach verschärften internationalen Sanktionen hätten nur begrenzte Auswirkungen – während die ukrainische Regierung versichert, die westlichen Sanktionen belasteten Moskau Kriegsmaschinerie stark.
Darum appellierte Selenskyj am Montag an die USA und die europäischen Verbündeten, den Kurs fortzusetzen und strengere Sekundärsanktionen gegen Moskaus Energie-, Handels- und Bankensektor zu verhängen.
Der Trump nahe stehende Senator Lindsey Graham hat in Washington federführend ein entsprechendes Gesetz („Sanctioning Russia Act of 2025“) ausgearbeitet. Indien wird dabei in Washington besonders kritisch gesehen, weil Delhi das in Russland erworbene Öl auf dem Weltmarkt mit entsprechenden Aufschlägen weiter verkauft.
Andererseits belastet ein solches erweitertes Sanktionsregime das Verhältnis Washingtons zu Indien, das Trump gern als Gegengewicht zu China stärken würde. Und ein weiterer Punkt: Wenn Trump ernst macht mit Strafzöllen gegen alle Länder, die russisches Erdöl nutzen, und sei es über Indien als Zwischenhändler, dürfte der Ölpreis deutlich steigen, Das aber würde die wirtschaftlichen Perspektiven auch der USA verdüstern und Trump innenpolitisch belasten.
Was, wenn Trump das Interesse an der Ukraine verliert?
Diese schwierige Situation und die zunehmende Einsicht in die Begrenztheit seiner Möglichkeiten mag dazu geführt haben, dass Trump jedes geopolitische Interesse an dem Krieg verloren hat. Er will ihn einfach nur noch stoppen. Die Ukraine möchte hingegen eigene, völkerrechtlich abgesicherte Positionen insbesondere zur territorialen Unversehrtheit durchsetzen.
Aber die Kräfte der ukrainischen Truppen schwinden. In Kiew ist man sich bewusst, das Maximalpositionen, so berechtigt sie auch sein mögen, kaum durchsetzbar sind, wenn die USA diesen Krieg hinter sich bringen wollen. Trump musste realisieren, dass dieser Konflikt ihm bislang keine Möglichkeit bot, sich als „Deal Maker“ zu beweisen. Vielleicht trotzt er Putin und Selenskyj ja tatsächlich Zugeständnisse ab.
Gelingt Trump das nicht, wird er endgültig das Interesse an der Ukraine verlieren, selbst im Falle fortgesetzter russischer Attacken gegen zivile Ziele. Dann hätte er hoch gepokert, aber nicht gewonnen. Für Kiew könnte dies möglicherweise gefährlicher sein als das ein oder andere Zugeständnis an Moskau.
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