Uhrenexperte Joram Scher über Söders Panerai und das Zuhälter-Image von Rolex

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Joram Scher im Büro über seinem Laden in der Münchner Innenstadt, den er zusammen mit Thomas Bachmann führt. An der Hand: Die Rolex Daytona Paul Newman JPS für mehr als eine Million Euro. Der David-Bowie-Fan Scher hat Fotos von der Mondlandung an der Wand, bei der die Omega Speedmaster mit dabei war. © Marcus Schlaf

Uhren zeigen die Zeit an - und noch so viel mehr, findet der Münchner Uhrenexperte Joram Scher. Im Interview spricht er über seinen Job und erklärt auch, warum Markus Söders Uhr perfekt zum Besitzer passt.

München – Thomas Gottschalk ist sein Stammkunde, Bayernspieler suchen sich ihre Uhren bei ihm aus und er versorgt auch viele Schauspieler und Prominente, über die er nicht sprechen darf: Joram Scher gehört zu den bekanntesten Uhrenhändlern Deutschlands, vielleicht sogar Europas. Als er in seinem Laden „Bachmann & Scher“ in München zum Interview empfängt, hat er eine sehr spezielle Uhr dabei. Preis: 1,2 bis 1,3 Millionen Euro. „Doch tolle Uhren gibt es für fast jedes Budget“, sagt Scher.

Herr Scher, Sie verkaufen Uhren, die bis zu einer Million Euro kosten. Sind die nur für den Tresor?

Schneeschaufeln sollte man mit so einer Uhr lieber nicht, tragen sollte man sie aber. So ein Schmuckstück darf nicht nur in einem Tresor liegen.

Was macht die Uhr, die Sie gerade hier liegen haben, denn so teuer?

Kurz vorweg: Das ist nicht meine Uhr. Ich zeige sie Ihnen nur, weil es ein ganz besonderes Stück ist, eine Rolex Daytona Paul Newman JPS aus 14-Karat-Gold. Die Mechanik ist hervorragend. Material und Technik sind aber gar nicht der Grund für den Preis.

Was dann?

Die Geschichte dahinter. Der Hollywood-Star und Rennfahrer Paul Newman trug so eine Rolex Daytona, weshalb sie nach ihm benannt ist. Das Ziffernblatt ist in Schwarz und Gold, wie die Zigarettenmarke John Player Special, die das legendäre Lotus-Team in der Formel 1 gesponsort hat. Die Uhr hat vor etwa 50 Jahren neu ein paar Tausend Dollar gekostet. Weil sie in dieser Ausführung extrem selten und gefragt ist, ist sie heute deutlich über eine Million Euro wert. Vor zwei Monaten ist der Football-Star Tom Brady mit einer Paul Newman JPS über den Platz gelaufen. Das ist wie bei tollen Autos: Wenn ein Star so einen Luxusgegenstand hat, wird er noch begehrter.

Wirklich?

Im Film „Die Reifeprüfung“ stieg Dustin Hoffmann in einen roten Alfa Spider. Das machte die Marke legendär und verlieh jedem Alfa-Fahrer ein Stück Hoffmann-Image, genau wie man bei Aston Martin sofort an James Bond denkt. Bei Uhren ist das ähnlich: Seiko ist die klassische Bond-Uhr, wie sie Roger Moore trug. Das war übrigens auch meine erste echte Uhr.

Das ist der Grund, weshalb man teure Uhren kauft?

Wer nur die Uhrzeit wissen möchte, kann auch auf ein Handy schauen. Wer eine Uhr hat, will ein Image transportieren und etwas über sich ausdrücken. Etwa: Ich habe eine Omega Moonswatch und bin Designfreak. Ich trage die alte Breitling meines Vaters und bin Retro-Fan. Oder nur: Schau her, ich kann mir eine Rolex leisten.

Fußballer oder Musiker zeigen sich nicht nur mit ihren Ferraris, sondern auch mit ihren teuren Uhren. Das ist ein Milliardenmarkt.

Alice Weidel trägt Rolex. Ist das adäquat für eine Wutbürgerin der AfD?

Ich stehe Weidel politisch nicht nahe, aber den Begriff mag ich nicht. An Weidel könnte ich viel kritisieren, ihre Uhr jedoch nicht. Eine Rolex ist robust, sie überlebt auch harte politische Kämpfe. Eine feine Cartier wäre für Weidel viel zu damenhaft.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat eine Panerai. Eine gute Wahl?

Das ist eine eher konventionelle Uhr, eine Stahl-Luminor am Lederband, aber sehr groß! Söder ist ja auch ein ziemlicher Hüne. Die Uhr ist konservativ, halbwegs bodenständig und nicht zu teuer. Deshalb passt das gut. Als Politiker sollte man ja nicht zu dick auftragen.

Rapper protzen in Videos gerne mit zwei oder drei Uhren am Arm. Das ist eine Spur zu viel, oder?

Man will halt zeigen, dass man es kann. Pharrell Williams trägt etwa eine mit Diamanten besetzte Patek Phillip für rund 500.000 Euro.

Die Uhr als Statussymbol?

Ja, und zwar eines, das man immer und überall vorzeigen kann. Ein Auto können Sie nicht mit ins Restaurant oder in einen Club nehmen, eine Uhr schon. Aber darauf würde ich es nicht reduzieren.

Sondern?

Eine Uhr ist Luxus- und Alltagsgegenstand, Schmuck und Designstück und dazu ein Stück Kulturgeschichte. Gleichzeitig ist eine Rolex oder eine Omega ein Investment. Eine gute Uhr hält ihren Wert – oder steigert ihn sogar. Das erweckt auch eine gewisse Gier beim Besitzer. Junge Leute investieren gerne in Sneakers.

Ist der Uhrenhype auch schon bei der Jugend angekommen?

Schon durch soziale Netzwerke wie TikTok oder Instagram. Fußballer oder Musiker zeigen sich dort nicht nur mit ihren Ferraris, sondern auch mit ihren Uhren. Das ist ein Milliardenmarkt. Heute gibt es viele junge Leute, die genau wissen, was eine Rolex GMT Pepsi oder eine Patek Phillip Nautilus ist. Wenn Sie einen 20-Jährigen aus einer Großstadt fragen, ob er ein Auto oder eine Uhr will, entscheidet er sich für die Uhr.

Glauben Sie?

Ja. Es gibt viele Parallelen zwischen beidem. Auch wenn der Vergleich hinkt: Rolex ist wie Porsche, Luxus für den Alltag, Patek Phillip wie ein Ferrari – technisch das Beste auf dem Markt, dafür noch teurer und seltener.

Und Richard Mille?

Wäre dann Lamborghini. Extrem extrovertiert, superteuer und optisch eine G-Shock für Milliardärskinder. Finde ich cool, ist aber Geschmacksache. Wenn Sie mal richtig arrogant abgesnobt werden wollen, gehen Sie in einen Laden von denen. Da wird man wie ein Bittsteller behandelt, wenn man sich eine Uhr für 200.000 Euro kaufen will. Außer man ist Rennfahrer.

Und was wäre dann ein Mercedes oder BMW?

Vielleicht Omega. Als die Nasa Uhren für die Mondlandung gesucht hat, hat sie 2.000 Modelle getestet. Rolex wollte unbedingt den Zuschlag, die Astronauten sind am Ende aber mit der Omega Speedmaster zum Mond geflogen. Die muss man mit der Hand aufziehen, das ist langlebig und unproblematisch.

Also lieber keine Automatik oder Quarzuhr kaufen?

Kommt darauf an, was man damit vorhat. Eine Quarzuhr ist gut, wenn man Golf oder Tennis spielt. Da würde das Schwingen eine Automatik auf Dauer beschädigen. Dafür ist eine Automatik bei Temperaturschwankungen besser. Die erste Everest-Expedition hatte die Rolex Oyster dabei. Auch Reinhold Messner trägt am liebsten Rolex.

Rolex galt mal als Zuhälter-Uhr. Ist das noch so?

Das war in den 1980ern so. Da musste man als Zuhälter Schnauzer und Schulterpolster haben, Corvette fahren und eine Rolex Day-Date tragen. Die Marke hat viele Millionen für Werbung ausgegeben, um dieses Image loszuwerden. Heute haben Zuhälter eher eine dicke Hublot.

Wenn man jemandem eine Uhr zu Weihnachten schenken möchte, zu was würden Sie raten?

Wie viel wollen Sie ausgeben? 2.000 Euro? 4.000? Sagen Sie nichts, das ist Ihnen Ihre Frau wert. Dafür bekommen sie zeitlose Einsteigermodelle von Rolex, Cartier, Omega oder Breitling, die man ein Leben lang tragen kann. Auch eine Gebrauchte ist eine Option. Wichtig aber: Keine Überraschungen!

Nein?

Nein! Nehmen Sie Ihre Frau mit in den Laden. Sie soll die Marke, das Modell und die Farbe selbst aussuchen. Eine Uhr ist zu teuer und zu schade, um in der Schublade zu verstauben, weil sie einem nicht gefällt.

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