Europa im Zangengriff: Rüsten oder Russisch lernen
Jetzt nutzt auch Erdogan Trumps Freifahrtticket für Autokraten. Um die Demokratien Europas wird es einsam. Was kommt als Nächstes? Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Nach Trumps Seitenwechsel im Ukrainekrieg schnalzen die Autokraten überall auf der Welt mit der Zunge. Jetzt hat auch Präsident Erdogan sein Freifahrtticket genutzt: Die Verhaftung seines mächtigsten Rivalen, des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu, kommt einem Staatsstreich gleich. Erdogan weiß: Niemand, schon gar nicht die von Trump und Putin in den Zangengriff genommenen Europäer, kann ihn aufhalten, wenn er jetzt die (Rest-)Demokratie in der Türkei abschafft.
Dabei hatte Erdogan sich der EU gerade erst als Schutzschild angeboten. Sein Preis: der ersehnte EU-Beitritt. Doch der war schon vorher eine Unmöglichkeit und ist es nun umso mehr. Besser als Europa zum Spielball von Diktatoren zu machen, ist es, verteidigungstüchtig zu werden, mögen die selbst ernannten „Friedensparteien“ im Bundestag noch so sehr gegen die Rüstungsmilliarden wettern.
Auch Erdogan nutzt jetzt Trumps Freifahrtticket für Autokraten
Europa muss wehrhaft werden – und weiter tatkräftig hinter der Ukraine stehen
Was kommt als Nächstes? Der Griff Chinas nach Taiwan? Er läge in der Logik der von Trump angestoßenen geostrategischen Plattenverschiebung. Panama, Grönland und Kanada für die USA. Die Ukraine, Moldau, das Baltikum für Russland.
Das, was aus Trumps angeblichem Friedenstelefonat mit Putin durchsickerte, muss Europa alarmieren, aus zwei Gründen: erstens, weil der Kreml kein Jota von seinen Maximalforderungen abgewichen ist. Und zweitens, weil das für Trump offenkundig kein echtes Problem darstellt – die Ukraine interessiert ihn nicht die Bohne, Europa betrachtet er als Gegner, er möchte nur Deals mit Russland machen.
Putin akzeptiert eine Waffenpause nur um den Preis einer Einstellung aller Waffenlieferungen an die Ukraine. Das wäre der Prolog zum Fall Kiews. Ohne sein Bollwerk Ukraine müsste Europa anfangen, „Russisch zu lernen“, wie es der CDU-Politiker Jens Spahn zutreffend beschrieb. Sahra Wagenknecht darf gern Vokabeln büffeln. Aber wem an der Verteidigung des freien Europas liegt, muss tun, was die künftige Merz-Regierung gerade vorbereitet: Waffen liefern. Und wenn Putin nicht einlenkt, auch den Taurus.