Machtkampf in der Türkei: So blicken Münchner Türken auf die dramatische Lage in dem Land

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Proteste gegen die Festnahme von Ekrem Imamoglu am Wittelsbacherplatz in München: In der Spitze waren laut Polizei 700 Teilnehmer bei der Demo am Samstagnachmittag dabei. © privat

Die Festnahme des mittlerweile abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu versetzt die Türkei in Aufruhr. Auch Münchner mit türkischen Wurzeln bewegt die Situation in ihrer alten Heimat. Wie sie die Lage bewerten? Darüber herrscht Uneinigkeit in der türkischen Community.

Türkische Flaggen wehen über den Köpfen der protestierenden Menge am Wittelsbacherplatz, rot und weiß. Einige halten Pappschilder in den Händen, darauf Schriftzüge wie „Nein zum politischen Putsch in der Türkei“. Sie sind gekommen, um gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu protestieren – und gegen die Festnahme seines Rivalen, des abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu. Rund 700 Menschen waren es, die am Samstagnachmittag an der Demo in München teilnahmen.

Die Türkei ist ein Pulverfass.

Die Geschehnisse in ihrer Heimat, sie lassen die türkischstämmigen Münchner nicht kalt. Wie sie dazu stehen? Da sind die Lager geplanten – auch in München. Die tz hat mit Münchnern mit türkischen Wurzeln gesprochen.

Vural Ünlü (52), in der Türkei geboren, war am Samstag am Wittelsbacherplatz dabei. Er hält die jüngsten politischen Ereignisse in seinem Heimatland für hochgefährlich. „Die Türkei ist momentan ein Pulverfass, es kann jederzeit explodieren“, sagt der Vorsitzende des liberalen Vereins „Türkische Gemeinde in Bayern“. Dass so viele Menschen trotz Einschüchterung und Demonstrationsverboten in der Türkei auf die Straße gingen, sei das einzige Positive an der Situation. Ünlü befürchtet jedoch, dass das in eine Welle der Gewalt umschlagen könnte. Gleichzeitig erlebt er, dass innerhalb der türkischen Community in München viele über die Festnahme den Kopf schüttelten – sogar unter Erdogan-Anhängern. „Der Präsident hat den Bogen überspannt“, sagt er.

Erdogan hat die Türkei vorangebracht.

Ganz anders sieht es Memduh Zeytinoglu (62), der ein Geschäft für Teppiche, Kleidung und andere Waren im Bahnhofsviertel betreibt. „Erdogan hat die Türkei vorangebracht. Er ist jemand, der sich kümmert“, sagt der Händler. Er glaubt, dass die Festnahme Imamoglus ihre Gründe habe. Anders als viele Experten, die die Verhaftung als politisch motiviert werten.

Händler Memduh Zeytinoglu aus dem Bahnhofsviertel hält zu Präsident Erdogan.
Händler Memduh Zeytinoglu aus dem Bahnhofsviertel hält zu Präsident Erdogan. © Marcus Schlaf

Ähnlich wie Zeytinoglu denkt auch seine Nachbarin im Bahnhofsviertel, Sahinaz Cavusoglu (56), Chefin eines türkischen Supermarkts. „Ohne Feuer gibt's keinen Rauch“, sagt sie. Die Ereignisse in der Türkei hätten ihre Gründe, sagt die Anhängerin der Erdogan-Partei AKP. „Die Situation macht mich aber schon unruhig. Es ist nicht schön, was in der Türkei passiert.“

Dass die türkische Gemeinde gespalten ist, erlebt auch Serdar Duran (37) in München. „Es gibt zwei Pole: Die Einen sind für eine Veränderung und Gerechtigkeit, die Anderen für den Staat, Ordnung und nationale Stärke in der Türkei“, sagt der Gründer der Initiative Bayerisch-Türkisches Forum München. 

Aktivist und Autor Kerem Schamberger.
Aktivist und Autor Kerem Schamberger. © privat

Duran will Brücken zwischen beiden Lagern bauen: Dafür sei es nötig, sich mit „klaren Werten und Worten“ für den Rechtsstaat einzusetzen. Gleichzeitig müsse ein „Dialog auf Augenhöhe“ stattfinden, um Vertrauen zwischen Andersdenkenden nicht weiter zu zerstören. Das erwartet Duran auch von deutschen Politikern.

Der Münchner Autor und Aktivist Kerem Schamberger (38), Sohn eines türkischen Vaters, wählt andere, unversöhnlichere Worte: „Es ist an der Zeit, das türkische Regime als das zu bezeichnen, was es ist: eine Diktatur“. Man dürfe nicht akzeptieren, dass die Türkei noch autoritärer werde

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