Fahnenträgerin Wagner will dunkelstes Lebenskapitel bei Olympia hinter sich lassen
Judo-Weltmeisterin Anna-Maria Wagner trägt die deutsche Fahne bei der Olympia-Eröffnung. Ein Sieg, der nach einer schweren persönlichen Krise kommt.
Paris – „Ein Anruf, der für immer bleibt.“ Dieser unvergessliche Moment ereignete sich am Dienstag, den 23. Juli, als Anna-Maria Wagner die Nachricht erhielt, dass sie die deutsche Delegation bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele als Fahnenträgerin anführen würde. Die emotionale Reaktion der Judo-Weltmeisterin wurde auf Video festgehalten, und sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.
Wagner will Olympia-Eröffnungsfeier genießen
„Als ich das erfahren habe, ist mir erstmal die Sprache weggeblieben“, gestand die 28-Jährige, die direkt vom Bahnhof zum deutschen Quartier im Stade Jean-Bouin eilte. „Das werde ich voll erst richtig realisieren, wenn ich dann die Fahne in der Hand halte.“ Dieser Moment wird am Freitag, den 26. Juli, eintreten.
„Erst die Feier genießen und alles aufsaugen. Dann einen Cut machen und mich auf meinen Wettkampf fokussieren“, so ihre Strategie. Denn am 1. August möchte Wagner das schwierigste Kapitel ihres Lebens endgültig hinter sich lassen.

Wagner schlittert nach Olympia 2021 in Depression
Die zweifache Judo-Weltmeisterin wird die deutsche Flagge am Freitag mit Leichtigkeit tragen, eine Leichtigkeit, die im starken Kontrast zu der Last steht, die sie fast gebrochen hätte. „Vielleicht soll es gar nicht mehr sein, dass ich weitermache. Womöglich geht es mir besser, wenn ich aufhöre“, so die Gedanken, die sie dem SWR offenbarte.
Vor drei Jahren gewann Wagner in Tokio Bronze im Einzel und mit dem Team. Sie war bereits Weltmeisterin und wiederholte diesen Erfolg in diesem Jahr. Doch nach Tokio geriet sie in eine tiefe Krise, die sich schleichend und unaufhaltsam entwickelte. Im Herbst 2021 fühlte sie eine innere Leere. „Ich hatte keine Lust, mich sportlich zu betätigen oder irgendwas zu unternehmen“, erzählte sie, und sie weinte ohne ersichtlichen Grund.
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Olympia-Fahnenträgerin Wagner kämpft sich zurück
Der absolute Tiefpunkt war eine Corona-Infektion Anfang 2022. Quarantäne, Tristesse und die Übermacht der dunklen Gedanken. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, erinnert sich Wagner. Eine Woche lang konnte sie kaum aus dem Bett kommen, „ich lag einfach nur da“. Der Gedanke ans Aufhören wurde immer stärker.
Doch Wagner fand einen anderen Weg. Sie suchte Unterstützung bei einem Sportpsychologen und schrieb sich ihre Ängste und Sorgen von der Seele, auch öffentlich. Nach und nach fanden Körper und Geist wieder zusammen. „Die Depression hat mich sehr lange begleitet, aber gerade ist sie weit weg“, sagt sie. „Es war ein langer Kampf zurück.“ Ein Kampf, der bei der Eröffnungsfeier belohnt wird … (kk/sid)