Stoiber sorgt sich um Lügen im Netz – „Gefahr für Demokratie und Zusammenleben“
Bayerns Ex-Ministerpräsident sorgt sich um die Demokratie und fordert eine breitere Debatte über Lügen und Halbwahrheitenm die im Internet verbreitet werden.
München – Ein Blick ins Archiv kann mitunter amüsant sein. Wir schreiben das Jahr 1979. Der „Spiegel“ berichtet über eine Kabinettssitzung in Bonn, bei der es um die mediale Zukunft geht: Kabelfernsehen. Helmut Schmidt ist äußerst besorgt. „Wir dürfen nicht in Gefahren hineintaumeln, die akuter und gefährlicher sind als die Kernenergie“, warnt der Bundeskanzler seine Minister eindringlich.

Würden die Bürger mit privaten Kabel- oder Satellitenprogrammen überflutet, dann könnte dies, so Schmidt, „die Strukturen der demokratischen Gesellschaft verändern“. Auch Justizminister Hans-Jochen Vogel will „Dämme“ gegen eine „Reizüberflutung“ in den deutschen Wohnstuben errichten.
Altministerpräsident Stoiber fordert, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen
Einer, der sich gut an die Debatten von damals erinnern kann, ist der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (82) – und er verlangt, dass man daraus heute seine Lehren zieht. „Rückblickend ist nicht jede Befürchtung eingetreten. Aber es war wichtig, sich grundsätzlich Gedanken zu machen“, sagt der CSU-Ehrenvorsitzende unserer Zeitung. „Als damals die technische Enge überwunden war, gab es eine breite gesellschaftliche Debatte. Eine Debatte, die auch an der Spitze des Staates geführt wurde – beginnend mit dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten.“
Stoiber: Fake-News sind „Gefahr für Demokratie und Zusammenleben“
Längst geht es nicht mehr ums Kabelfernsehen. Die technische Innovation heißt noch immer: Internet. Natürlich kein „Neuland“ mehr, wie es Angela Merkel mal nannte. Aber für Stoiber ist der Umgang damit weiter ungeklärt. „Wir brauchen eine viel breitere Debatte über dieses Thema, das die Grundlagen unserer Demokratie betrifft. Wir müssen die Verbreitung von Lügen verhindern.“ Denn: „Wenn online Wahrheit und Lüge verschmelzen, wird das zur Gefahr für unsere Demokratie und unser Zusammenleben.“
Stoiber ist kein Internet-Experte, auf keinem der Sozialen Netzwerke vertreten. Aber er hat drei Kinder und neun Enkel – und sieht, wie sich der Informationsfluss verändert. Das bereitet ihm Sorgen. Als vergangene Woche der CSU-Vorstand über den Umgang mit der AfD beriet, brannte ihm das Thema auf den Nägeln. Bildung ist das eine: „Wir sollten die Kinder an den Schulen noch besser für mögliche Lügen im Netz sensibilisieren.“
Stoiber wünscht sich Zusammenarbeit von Medien gegen Lügen im Netz
Aber es geht auch darum, die Tech-Giganten zur Verantwortung zu ziehen. „Wichtig ist eine härtere Verpflichtung der Anbieter Sozialer Medien, die ihrer Gatekeeper-Rolle noch nicht gerecht werden. Auch die staatliche Kontrolle sollte ausgebaut werden. Das Gesetz über digitale Dienste der EU geht in die richtige Richtung, aber bislang erscheint mir die Umsetzung noch nicht ausreichend.“ Mit dem Digital Services Act und dem dazugehörenden Digital Markets Act hat die EU eigentlich die weltweit schärfsten Regulierungen für Internet-Unternehmen. Wichtig ist nun die Anwendung der Regelungen.
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Stoiber glaubt, dass sich – vor 40 Jahren undenkbar – heute Private und Öffentlich-Rechtliche zusammentun könnten, um den Lügen und Halbwahrheiten im Netz etwas entgegenzustellen. „Der von der Rundfunkkommission der Länder eingesetzte Zukunftsrat hat gerade bei digitalen Inhalten sogar ausdrücklich eine faire Partnerschaft der Öffentlich-Rechtlichen mit privaten Anbietern gefordert – bei Technologie und punktuell auch den Inhalten. Das diene dem Gemeinwohl.“
MIK/GEO