Boomende Rüstungsindustrie: Weitere deutsche Stadt im Visier von Rheinmetall
Der Rüstungshersteller Rheinmetall hat sein Interesse am VW-Werk in Osnabrück bekundet. Vor Ort würde man wohl lieber weiter Autos bauen, zeigt sich aber offen.
Osnabrück – In Deutschland blickt die Rüstungsindustrie zuversichtlich in die Zukunft. Aufgrund des Ukraine-Kriegs stocken die westlichen Länder ihre Verteidigungsbudgets auf. Zuletzt sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU), das Fünf-Prozent-Ziel beim Verteidigungsetat anzustreben. Den Rüstungsunternehmen winken über Jahre hinweg Milliardenaufträge. Rheinmetall erwartet beispielsweise, den Umsatz im militärischen Geschäft allein in diesem Jahr 2025 um 35 bis 40 Prozent zu steigern.
Auf der anderen Seite stehen die Autohersteller und ihre Zulieferer. Von ihnen hört man fast nur negative Nachrichten. Große Unternehmen schrumpfen ihre Belegschaft oder schließen ganze Werke, viele kleinere rutschen in die Insolvenz.
Rheinmetall könnte VW-Werk Osnabrück übernehmen: Zukunft des Standortes ist offen
Für die Autobranche sind dies Hiobsbotschaften, für das Rüstungsunternehmen bieten sich große Chancen. Diese benötigen neue Produktionsstätten und ausgebildete Mitarbeiter, um ihren Auftragsbestand zügig abarbeiten zu können. Erste Deals sind bereits zustande gekommen oder stehen bevor. So hat Rheinmetall den Beschäftigten des Bremsenwerks von Continental in Gifhorn den Wechsel in seine Munitionsfabrik in Unterlüß angeboten. Der Panzerbauer KNDS übernimmt das vor dem Aus stehende Werk des Bahntechnik-Konzerns Alstom in Görlitz. Rund die Hälfte der 700 Mitarbeiter soll weiterbeschäftigt werden.
Im Visier von Rheinmetall scheint jedoch vor allem das Volkswagenwerk in Osnabrück zu sein, in dem 2300 Menschen beschäftigt sind. Dort soll noch bis 2027 das T-Roc-Cabrio gefertigt werden. Wie es danach weitergehen wird, ist offen. Zuletzt gab es immer wieder Spekulationen, ob sich der Rüstungskonzern Rheinmetall des Werks annimmt.
Rheinmetall könnte VW-Werk Osnabrück übernehmen: Chef Papperger war bereits zu Besuch
Diese Gerüchte wurden durch einen Besuch von Rheinmetall-Chef Armin Papperger am 28. März in Osnabrück genährt. Laut einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) waren auch Vorstände von Volkswagen und der Lkw-Tochter MAN dabei. Der Rüstungskonzern selbst wollte sich zu diesem Besuch nicht äußern.

Hintergrund des Treffens ist laut VW die bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen Rheinmetall und MAN. Im Joint Venture Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) arbeiten die beiden Unternehmen seit 2010 insbesondere im Bereich militärischer Nutzfahrzeuge zusammen. In Osnabrück seien „mögliche Potenziale einer weiteren Zusammenarbeit des Joint Ventures Rheinmetall MAN Military Vehicles ergebnisoffen diskutiert“ worden. „Konkrete Ableitungen für den Standort ergeben sich daraus nicht“, betonte das Unternehmen.
Rheinmetall könnte VW-Werk Osnabrück übernehmen: Noch kein fertiges Konzept
Zwei Wochen vor diesem Besuch zeigte sich Papperger jedoch noch zurückhaltend. Die vorhandenen Anlagen seien für eine Rüstungsfirma nur bedingt zu gebrauchen und ein Umbau wäre teuer, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Bevor ich in Deutschland ein neues Werk für Panzer baue, gucken wir uns das natürlich an“, so Papperger. Ein fertiges Konzept gebe es bislang nicht.
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis eine Entscheidung gefällt wird. In einem Interview mit dem Handelsblatt Mitte April sagte der Rheinmetall-Chef, er stehe im Austausch mit den VW-Vorständen. „Ich rechne aber nicht damit, dass wir zeitnah eine Einigung erzielen.“
Rheinmetall erwägt auch, Teile seiner zivilen Produktion für die Autoindustrie auf die Fertigung für das Militär umzustellen. Zwei Werke des Konzerns in Neuss und Berlin sind voraussichtlich davon betroffen, hatte Rheinmetall erklärt. „Es kann aber durchaus sein, dass wir noch mehr Werke umwandeln“, so Papperger.
Rheinmetall könnte VW-Werk Osnabrück übernehmen: Zivile Nutzung würde bevorzugt werden
Vor Ort blickt man offenbar zwiespältig auf eine mögliche Umwidmung des Autowerks in eine militärische Produktionsstätte. Stephan Soldanski, der Erster Bevollmächtigte der IG Metall Osnabrück, wertet das Interesse von Rheinmetall als Bestätigung der hohen Fachkompetenz und Leistungsfähigkeit der Belegschaft. Die Gewerkschaft sehe „zahlreiche Möglichkeiten, unter dem Dach von Volkswagen neue Auftragsfertigungen für verschiedene Branchen zu etablieren“, sagte er der NOZ.
Aus seiner Sicht wäre es „kurzsichtig, sich einseitig auf die Rüstungsindustrie zu konzentrieren, anstatt alternative Wirtschaftszweige und zukunftsweisende Konzepte aktiv voranzutreiben“. Ziel der IG Metall sei es, „Osnabrück als nachhaltigen, zivilen Industriestandort zu erhalten und die rund 2300 Arbeitsplätze langfristig zu sichern“.
Katharina Pötter (CDU), Oberbürgermeisterin von Osnabrück, sagte der Süddeutschen Zeitung (SZ), ihr wäre es „am liebsten, wenn eine zivile Nutzung des Standortes hier in der Automobilindustrie erhalten“ bliebe. Denn dafür stehe man. Doch vor der viel propagierten Zeitenwende könne man in Osnabrück nicht die Augen verschließen.
Rheinmetall könnte VW-Werk Osnabrück übernehmen: Würde großen Sinn ergeben
Sollte Rheinmetall tatsächlich das Werk in Osnabrück übernehmen, wartet viel Arbeit auf den Konzern. „Ein Unternehmen wie Rheinmetall benötigt zusätzliche Werkshallen – und speziell ausgebildete Fachkräfte, die das auch hinbekommen“, sagt Michael Santo von der Managementberatung H& Z der SZ. Die Übernahme würde aber „großen Sinn“ ergeben, da es einfacher sei, ein bestehendes Werk umzubauen, als „bei null“ anzufangen.